Wo gehöre ich hin?

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Max und ich befinden uns vor dem Scanders, sein Ausdruck ist sehr hart und starr. Wir bewegen uns schnellen Schrittes auf das Foyer zu und als wir durch die Tür gehen, erleben wir direkt eine Überraschung. 
Derek steht mit verschränkten Armen und einem fragenden Ausdruck vor uns. Sein Gesicht sieht mal wieder makellos schön aus, auch sein Haar liegt heute perfekt. Später fällt mir erst auf, dass Gina im Hintergrund steht und die ganze Situation beobachtet und dabei schweigt.
,,Was gibt es zu glotzen?", kommt es scharf von Max, ehe ich überhaupt mit beiden Füßen im Foyer stehe. Die Spannung zwischen Derek und Max ist zum Greifen spürbar, obwohl sie beide beste Freunde sind. Manche Freundschaften können ziemlich seltsam sein. Aber ich hasste komplizierte Freundschaften. In der Schule hatte sich Elisa damals  als meine "beste Freundin" ausgegeben. Stets hakte sie sich bei mir ein, wollte sich mit mir und meinen Freunden verabreden und wollte so sein, wie wir. Sie schaute plötzlich Filme, die sie normalerweise verabscheute oder interessierte sich für Musik, die sie als "Müll" taufte. Doch wenn sie mal nicht bei uns war, dann lästerte sie über mich. Sie hasste plötzlich meine Kleidung, mein Haar, mein Aussehen, welche sie zuvor alles kopiert hatte. Sie beleidigte mich hinter dem Rücken und machte sich an Timo ran, den ich schon alles kleines Kind bewundert hatte. Solch falsche Freunde brauche ich nicht. Wie kann sich Derek das bloß alles nur gefallen lassen?  
,,Wo wart ihr zwei?", Dereks Stimme zeigt keinerlei Andeutung von Emotionen. Er hat uns schließlich nicht zu verbieten, wohin wir gehen. Derek ist selber "nur" ein Trainer und hat nicht das Sagen über mich, wenn Max dabei ist. 
Ich möchte meinen Mund öffnen, doch Max kommt ihm zuvor: ,,Wir haben trainiert."
Wortlos lässt er uns stehen und verschwindet. Ich verstehe ihn nicht und da heißt es, Frauen seien schwierig. Was wäre passiert, hätte er die Wahrheit gesagt? Hätte ich eine Ausgangsperre? Oder möchte Max bloß keine Aufmerksamkeit erregen?
Nun rückt Gina grinsend aus dem Hintergrund und streckt ihre Arme aus, sodass ich in ihren Armen für eine lange Umarmung liegen kann. Sie streicht über meinen Rücken und ich genieße diesen Moment von Geborgenheit. Für einen Moment glaube ich, dass Gina wieder die Alte ist und wir uns bei mir zu Hause befinden und gleich Brownies essen. Doch der Gedanke verschwindet in wenigen Sekunden wieder und Unbehagen macht sich erneut in mir breit. 
,,Wieso trainierst du mit Max?", fragt mich Gina und zieht mich aus der Umarmung. Ihr Ausdruck macht mir deutlich, dass sie selber nicht begeistert von Max ist, obwohl er ihr als Haupttrainer eingeteilt wurde.
,,Max meinte, dass Derek keine Zeit mehr hat", erkläre ich ihr und schaue gespielt vorwurfsvoll zu Derek herüber, der wie aus einem Traum plötzlich gerissen scheint, ,,ich habe ihn mir sicherlich nicht freiwillig ausgesucht." Gina lacht kurz. 
Dabei sind die Trainingsstunden unglaublich, wie erschreckend das auch klingen mag. Derek traut mir viel weniger zu und ich bin gar nicht im Kampfmodus, da er uns jede zwei Sekunden unterbricht und fragt, wie es mir gehe. Am liebsten würde er mich in Watte packen, einrollen und einsperren, damit mir kein Finger gekrümmt würde. Die Trainingsstunden mit Max sind wie Meditation und Auspowern zugleich. Max' ekelhafte Persönlichkeit wird von seiner Leidenschaft zum Kämpfen verschluckt. Er gibt mir Sicherheit und zeigt mir sinnvolle Tricks. Zugleich könnte ich von meinen eigenen Gedanken kotzen, doch der Trainer Max ist nicht die gleiche Person wie der normale Max.
,,Ich habe genug Zeit für ein Training. Max ist zu mir gegangen und hat mir ausdrücklich gesagt, dass er das Training übernehmen möchte. Versuch ihn mal umzustimmen", äußert sich Derek dazu und zuckt die Schultern. Noch mehr Fragen breiten sich in meinem Kopf aus. Welchen Plan hegt Max aus? Wieso tut er alles dafür, dass ich meine Stunden mit ihm verbringen muss? Möchte er mich umbringen oder foltern? 
Verwirrt blicke ich in die Runde und warte auf Antworten. Doch die anderen scheinen genauso verwirrt zu sein. 
Gina nimmt mein Handgelenk und bittet Derek darum mich unter vier Augen zu sprechen.
Doch da sehen beide, dass meine Finger sich verfärbt hatten. Ihr Augen weiten sich und ihnen steht der Mund offen. 
,,W..w...was ist das?", stottert Gina und blickt mich an, als hätte sie einen Geist gesehen - was ich ihr natürlich nicht übel nehmen kann. 
,,Ich weiß es nicht, Max meinte, dass das mit Stilex zusammen hängt". 
,,Derek, entschuldige mich bitte einen Moment", erwidert Gina, greift nach meinem Handgelenk, und geht mit mir in den Flur, sodass uns die Angestellten an der Theke nicht hören können.
Sie schaut mich eindringlich mit ihren riesigen, geschminkten Augen an. 
,,Alyn, wir müssen uns dringend über deine Träume unterhalten", äußert sich Gina und leitet mich an, in den Hinterhof mit ihr zu gehen.
,,Was gibt es zu bereden? Ich kann mich nicht an einen meiner Träume erinnern, seitdem ich hier gefangen bin."
,,Genau deswegen muss ich mit dir reden. Ich möchte wenigstens für einige Nächte in deinem Zimmer schlafen", äußert sie ernst.
,,Ich habe nichts gegen eine Übernachtung, aber was möchtest du damit erreichen?" Mittlerweile werde ich immer unsicherer, ob sie uns hier nichts in das Essen schütten und zu Irre erziehen. Ich würde mich interessieren, um wen es sich hier bei der Leitung handelt. Diese hat sich nicht bei mir vorgestellt - nicht, dass ich es mir wünschen würde. Ein seriöses Unternehmen würde trotzdem niemals irgendwelche Neuankömmlinge hier wohnen lassen, ohne sie persönlich kennenzulernen. 
,,Es wird Ewigkeiten dauern, bis du dich an deine Träume erinnern kannst. Doch versuch dich, bitte, im Traum an dein Leben zu erinnern. So seltsam es auch klingt, sorg im Traum dafür, dass du dich kratzt oder eine kleine Wunde bekommst. Du wirst verstehen, was ich meine"
Ich beginne zu lachen und versuche zu verarbeiten, welche Information Gina mir vermitteln möchte. Nach jedem Mal, wo ich ihre Worte im Kopf wiederhole, umso lächerlicher erscheint es mir. Allerdings habe ich auch gelernt, dass in meinem Leben alles auf dem Kopf gedreht ist. Es fehlt noch, dass es Zauberer oder Drachen gibt. 
,,Alyn, du redest im Traum ganze Dialoge. Eines Nachts bin ich an deinem Zimmer vorbeigelaufen und habe gelauscht. Du redest richtige Sätze, genauso wie deine Mutter."
,,Woher willst du wissen, wie meine Mutter schläft?", ich schaue sie verwirrt an. Hiermit hat sie die Grenze der Glaubwürdigkeit überschritten. 
,,Du weißt so vieles nicht. Bitte, lass mich diese Nacht bei dir schlafen", sie legt ihre Handflächen zusammen und springt wie ein Hundewelpe, das sein Spielzeug in meinen Händen sieht, vor mir auf und ab.  

Traum der ZerstörungOnde histórias criam vida. Descubra agora