Ein seltsamer Tag

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Das war seltsam. Sein Klassenlehrer hatte dafür gesorgt, dass ihn nicht mehr viel überraschte, aber das war nun wirklich extrem, also wirklich extrem seltsam. Der menschliche Körper nahm schließlich nicht täglich irgendwelche tierischen Merkmale an. Dennoch ist das anscheinend über Nacht mit jedem Menschen in seiner Umgebung passiert. Während den einen anscheinend Ohren und Schwänze gewachsen waren, hatten die anderen Fischschuppen auf ihrer Haut. Als er losgelaufen war, waren die Straßen noch leer gewesen und so war es für ihn nur ein normaler Schultag gewesen. Doch als es langsam heller geworden und er den ersten Leuten begegnet war, hatte er erst einmal etwas gebraucht, um sich wieder zu fangen. Auch mehrmaliges Blinzeln und Zwicken hatte nichts geholfen. Die tierischen Merkmale blieben. Doch das merkwürdigste war, dass es anscheinend überhaupt niemanden störte. Alle gingen ganz normal ihren Geschäften nach, als wenn nichts ungewöhnliches los wäre. Vielleicht war er auch einfach nur der einzige der es sehen konnte? Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg fort. Im Moment gab es sowieso nichts was er tun konnte. Als er in die Nähe der Schule kam, stellte er fest, dass auch die ganzen Schüler von diesem seltsamen Phänomen betroffen waren.
„Hey Karma!"
Der Angesprochene drehte sich um und grinste schief. Ein blauhaariger Junge kam auf ihn zugerannt, doch was eher seinen Blick auf sich zog, waren die Schuppen in dessen Gesicht. Schnaufend kam der Junge neben ihm zum Stehen und lächelte breit.
„Cool, dass ich dich hier treffe. Wie geht es dir?"
Aus Nähe betrachtet erinnerten Karma die Schuppen an die einer Schlange.
„Karma, alles okay?"
Der rothaarige Junge riss seine Augen los und schmunzelte.
„Ja, sorry. Ich war mit meinen Gedanken woanders. Mir gehts gut und dir?"
Nagisa sah ihn erst stirnrunzelnd an und zuckte dann grinsend mit den Schultern.
„So wie immer. Sollen wir?"
Karma nickte und zusammen liefen sie den großen Hügel hinauf.
„Sag mal...", fing Karma an, „ist dir vielleicht irgendetwas ungewöhnliches aufgefallen?"
Nagisa sah ihn verwirrt an.
„Nicht, dass ich wüsste. Geht es auch etwas spezifischer?"
Karma schüttelte den Kopf und fuhr sich durch die Haare.
„Ah, vergiss es ein..."
Er stockte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er nicht einmal wusste, ob sich sein Aussehen irgendwie geändert hatte. Er hatte sich zwar heute früh im Bad theoretisch im Spiegel gesehen, doch er war sich nicht sicher, ob er im Halbschlaf vielleicht etwas übersehen hatte.
Nagisas Stimme holte ihn wieder aus seinen Überlegungen.
„Karma?"
„Ja?"
„Sicher, dass alles okay ist?"
Sein Freund schien ehrlich besorgt, weshalb der Rotschopf ihm grinsend auf den Rücken schlug.
„Ja, warum denn nicht?"
Nagisas Miene änderte sich nicht.
„Du bist heute irgendwie seltsam."
Karma verkniff sich den Kommentar, dass heute definitiv jeder abgesehen von ihm seltsam war, und zuckte stattdessen mit den Schultern.
„Mir geht es gut, keine Sorge. Und jetzt komm. Sonst sind wir noch zu spät."
„Seit wann kümmert es dich denn, ob du zu spät bist?"
Tatsächlich ging es Karma weniger um dem Unterricht, als um seine Klassenkameraden. Er war einfach nur neugierig, wie nun der Rest seiner Klasse aussah.

Als er dann schließlich in dem Klassenzimmer stand, hatte er Mühe, sich das Lachen zu verkneifen. Seine Freunde mit Ohren und Schwänzen zu sehen war urkomisch. Ganz besonders angetan, war Karma von den kleinen Runden Bärenohren und dem ebenfalls kleinen Bärenschwanz, der jedes Mal wild hin und her wackelte, wenn Terasaka sich mal wieder aufregte.
„Was grinste denn so blöd?", schnauzte dieser Karma an, sobald er ihn entdeckt hatte.
„Nichts, nichts.", grinste Karma und kicherte als die Ohren vor Wut anfingen zu zucken.
Bevor die Situation noch eskalieren konnte betrat Koro-sensei jedoch den Raum.
„Bitte setzt euch alle auf eure Plätze. Der Unterricht fängt gleich an."
Sein Blick fiel auf Karma, welcher ihn mit hochgezogenen Augenbrauen ansah.
„Wie schön, dass Sie uns diesmal von Anfang an mit ihrer Anwesenheit beehren."
Der rothaarige Junge zuckte mit den Schultern.
„Wäre nicht so, als würde ich so oft zu spät kommen."
Gelassen schlenderte er zu seinem Platz und ließ sich auf den Stuhl fallen. Während der kompletten Stunde ließ er den Lehrer nicht aus seinen Augen. Äußerlich hatte sich dieser nicht verändert und auch seine Fähigkeiten waren, soweit Karma es jedenfalls feststellen konnte, immer noch dieselben. Da durchzuckte ihn plötzlich ein Gedanke: Er hatte keine Ahnung, ob die Regeln hier die gleichen waren, wie in der Realität. Bis jetzt hatte keiner auch nur irgendein Mordversuch verübt. Sicherheitshalber griff er unter seinen Tisch und fand tatsächlich eines der grünen Gummimesser, welches er irgendwann einmal dort befestigt hatte. Nachdenklich drehte er die Waffe hin und her und warf sie kurzerhand einfach auf den an der Tafel stehenden Koro-sensei. Dieser fing das Messer natürlich mit Leichtigkeit, ohne überhaupt hinzusehen.
„Langweilst du dich etwa, Karma?"
Karma legte seine Füße auf den Tisch und verschränkte die Arme.
„Nein, ganz und gar nicht. Ich wollte nur testen, ob ich es schaffe zwischen einer Abzweigung von Isogais Geweih durch zu treffen."
Koro-sensei seufzte.
„Karma, es ist nicht sehr nett deine Klassenkameraden für so etwas zu benutzen."
Also konnten alle diese tierischen Merkmale sehen. Damit war eine von Karmas Theorien Geschichte, andererseits hatte er nun die Bestätigung, dass er nicht komplett verrückt geworden war. Das logischste war sowieso einfach noch, dass ganze bloß ein normaler Traum war. Doch Karmas bisherige Erfahrung mit Träumen widerlegte diese Theorie auch. Aber angenommen, das ganze hier war, wie auch immer, irgendwie eine Realität, warum hatte er selbst dann keine tierischen Merkmale. Er hatte es zuvor noch einmal sicherheitshalber auf der Toilette überprüft, doch nichts der Art gefunden. Kopfschüttelnd ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. All das machten keinen Sinn. Am besten spielte er vorerst einfach mit und am Ende wird es sich dann doch als Traum herausstellen. Hoffte er zumindest.

AC - Ein seltsamer TagWhere stories live. Discover now