Kapitel 18: Weihnachten mit dem Grinch

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"Doch, der Pulli ist scheiße!", sagte ich wieder. Wieso nur ließ ich meine schlechte Laune jetzt an Danielle aus? Vielleicht weil Leo keinen grässlichen Weihnachts-Pullover trug sondern ein einfaches Hemd, und blöderweise sah er darin auch noch unwiderstehlich aus.

"Was bist du, der Grinch?", spottete Leo und blitzte mich angriffslustig aus seinen blauen Augen an. "Du verhältst dich dumm und merkst es nicht einmal!"

"Schlimm wenn ich mich dumm verhalte und es nicht merke. Ich möchte mich ganz bewusst dumm verhalten und vielleicht Fotos davon machen, das wären hübsche Motive für unsere Weihnachtskarten.", gab ich zickig zurück.

"Leute, hört schon auf!", ging jetzt Josh dazwischen. "Was ist denn nur los mit euch?"

Ich schenkte Leo noch meinen Todesblick ehe ich meinen Blick abwandte und meine neuen Socken betrachtete. Auch Danielle und Sookie beobachteten uns verwundert. Wenig später ging ich in die Küche und schaltete nach Ewigkeiten mein Handy wieder ein. Ich hatte es ausgeschaltet um Abstand zu bekommen, Cat hätte mich sonst jeden Tag genervt. Außerdem war es sehr teuer von England nach Kanada zu telefonieren. Ich überflog schnell die Nachrichten die Cat mir schon vor einem halben Jahr geschickt hatte. Doch kurz darauf gab ich auf, es waren einfach zu viele. Zum Glück hatte ich es ausgeschaltet. Schnell tippte ich die Nummer von zuhause ein. Kurz darauf nahm Cat den Hörer schon ab.

"Hey Cat, ich bins!", sagte ich und musste lächeln als ich ihre aufgeregte Stimmte hörte.

"Oh mein Gott, Roxy. Pop, Roxy ruft an! Wie geht es dir?"

"Gut und euch? Stinkt die Stadt noch immer nach Truthahn?"

"Nein, alles riecht wieder normal. Uns geht es gut, wir haben gerade einen Film zusammen angesehen.", antwortete Cat lachend. "Aber wir vermissen dich, Weihnachten ohne dich ist komisch."

"Ich vermisse euch auch. Nächstes Jahr werde ich wieder dabei sein."

"Das wäre schön.", sagte sie leise.

"Roxy?", vernahm ich Danielles Stimme aus dem Wohnzimmer.

"Ich muss Schluss machen, Cat. Es wird sonst auch zu teuer. Ich melde mich bald. Schöne Weihnachten!"

"Dir auch Roxy, danke.", sagte Cat schnell und dann hatte ich auch schon aufgelegt. Nachdenklich blieb ich noch am Küchentisch sitzen. Weihnachten ohne meine Familie war wirklich komisch. Dann hörte ich lautes Gelächter aus dem Wohnzimmer. Ich stand auf und ging wieder zu den anderen. Als ich eintrat bemerkte ich Leos spöttischen Blick. Was hatte der nur für ein Problem? Doch eine Sekunde später wusste ich, warum alle so lachten.

"Wenn Roxy Pizza isst und sagt die Pepperonis sind sauer auf die Champignons weil die Champignons so schlecht drauf sind und dann mit einer Pepperoni rumwedelt, die wissen will, was man davon hält, lacht nicht darüber, tut das niemals, antwortet der Pepperoni.", erzählte Josh. Wieso redete er über mich? Gespannt starrten alle Josh weiterhin an. Was hatte er schon alles erzählt?

"Und dann gibt es da noch was ganz Wichtiges. Wenn ihr irgendwann denkt, Roxy macht was ganz Verrücktes, dann irrt ihr euch. Auch wenn es kaum zu glauben ist, hinter allem was sie tut steckt eine wahnwitzige, völlig verdrehte Logik die sowieso kein normal Sterblicher versteht. Wir werden niemals dahinter kommen!", erneut erntete Josh Lacher auf meine Kosten. So wirkte ich also auf andere? Na super, ich kam ja rüber wie ein komplett bescheuerter Vollidiot.

"Danke, Josh, aber das reicht jetzt!", fuhr ich dazwischen.

"Komm schon, Roxy, das ist doch witzig!", lachte Danielle und fühlte sich auch noch bestätigt als Josh und Sookie nickten.

"Was hast du denn so schlechte Laune? Es ist Weihnachten!", sagte Sookie gut gelaunt und schenkte mir einen Blick, der mich wohl aufmuntern sollte. Ich hätte ihr gerne ehrlich geantwortet, doch ich konnte ihr ja wohl schlecht sagen, dass ich so schlecht drauf war weil ihr toller Freund hier war. Josh stellte seine Erzählungen über mich zum Glück ein. Eine weitere Anekdote und ich hätte ihn an der Unterhose an einem der Koppeltore draußen aufgehängt.

"Wieso hast du mich nicht geweckt?", fragte ich am nächsten Morgen geschockt als ich verschlafen ins Wohnzimmer geschlurft kam wo Josh mit einer heißen Schokolade auf dem Sofa saß.

"Der Wecker war doch gestellt.", antwortete er und sah mich fragend an.

"Ja schon, aber wenn ich den Wecker einmal gegen die Wand werfe geht er aus und klingelt nicht weiter. Dich kann ich so oft an die Wand klatschen wie ich möchte, du plapperst unaufhörlich weiter, sodass ich gezwungen bin irgendwann aufzustehen."

"Danke, Roxy, sehr charmant.", sagte Josh trocken und widmete sich wieder seiner Zeitung. Nachdem ich mich in Windeseile umgezogen hatte und in meine warmen Winterstiefel geschlüpft war, lief ich schnell hoch zu den Ställen. Es schneite leicht und als ich meinen Blick über die Koppeln schweifen ließ und unsere Hütte betrachtete, aus deren Schornstein Rauch aufstieg, kam mir der Gedanke in den Sinn, dass es hier wunderschön war, ein richtiges Winterwunderland. Lächelnd setzte ich meinen Weg zu den Ställen fort. Die Hollingworths waren wohl schon zu ihren Verwandten gefahren, denn Richards Auto stand nicht wie sonst immer vor dem Haus. Embassy begrüßte mich mit einem leisen Wiehern. Heute würde ich mit der Stangenarbeit beginnen, wenn Embassy in drei Monaten ein Springen gehen sollte, war es höchste Zeit, dass ich so langsam anfing sie dafür zu trainieren - und mich gleich mit.

Ich hatte Embassy in einer Ecke der Halle abgestellt, von wo aus sie mich jetzt beobachtete. Ich legte ein paar Trab- und Galoppstangen, außerdem ein kleines Kreuz. Danach begann ich sie abzureiten. Sie war wie immer schwungvoll und stand locker an den Hilfen. Die Trabstangen nahm sie ohne Schwierigkeiten. Ich ließ sie ein paarmal darüber traben ehe ich sie angaloppierte und so über die Stangen wollte. Sie wurde zwar etwas hektisch und legte vor den Stangen an Tempo zu, jedoch ließ sie sich leicht regulieren, sodass wir nach dem dritten Anlauf ruhig darüber galoppieren konnten. Danach nahm ich das Kreuz ins Visier. Als ich Embassy darauf zusteuerte, zog sie das Tempo wieder an und riss ihren Kopf hoch. Sie machte einen riesen Satz über das kleine Kreuz und danach kostete es mich einige Meter, bis ich sie wieder im Griff hatte. Ich parierte sie durch zum Schritt und lobte sie, um sie zu beruhigen. Hierin lag also ihre große Angst, im Springen. Klar, mit Grace hatte sie damit nur schlechte Erfahrungen gemacht. Als sie sich wieder beruhigt hatte, steuerte ich das Kreuz erneut an, dieses Mal aus dem Trab. Doch kurz davor stürmte sie wieder los und sprang genau so panisch darüber. Wieder lobte ich sie ausgiebig. Auch das nächste und übernächste Mal bekam sie Panik und übersprang das Hindernis irgendwie, Hauptsache sie hatte es hinter sich. Ich beschloss, dass es für heute genügte. Ich würde am nächsten Tag weiter daran arbeiten. Irgendwann würde sie schon merken, dass ihr nichts geschah und dass ich ihr nicht mit den Zügeln im Maul herumriss. Kaum war ich abgestiegen beruhigte sie sich auch schon wieder. Ich legte ihr schnell die Decke auf den Rücken und führte sie noch einige Runden in der Halle, sodass sie nicht krank wurde bei der Kälte. Danach brachte ich sie zurück in den Stall. 

Mein weiter Weg zurückWhere stories live. Discover now