40- Flieh, du Narr.

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Meine Aufmerksamkeit hob den Kopf wie ein gerufener Hund. Also doch. Hoffentlich war das die Gefahr wert, die er hier im Palast darstellte.

Senator Dara Sarei ließ sich Zeit, seine Worte weise abwägend.
„Vor ein bisschen mehr als einem halben Jahr klopfte es mitten in der Nacht an dem Bediensteten-Eingang des Palasts. Ein Küchenmädchen und ein Diener öffneten einer... sagen wir beunruhigend aussehenden Person, die ein anderer Diener später als bekannten Auftragsmörder des Palasts identifiziert."

Ich runzelte die Stirn. Uhh, wie hießen die zwei Typen noch mal? Es war kein zu gut gehütetes Geheimnis, dass jeder Palast unter dem Primus Verbindungen zu verschiedenen Auftragsmördern hatte. Sogar ich kannte ihre Gesichter und jeder im Palast genauso, weswegen es umso merkwürdiger war, dass...
„Warum hat er nicht einen der Geheimgänge benutzt? Warum würde er riskieren, dass die Angestellten tratschen?"
Oder jemand Rückschlüsse über den Auftraggeber schloss und später Rache schwören würde?

„Gut aufgepasst. Ja, genau: Warum?" Dara Sarei fuhr sich mit den Fingern über seinen Bart- ein Zeichen, dass er selbst keine Antwort hatte. Eine der Hauptaufgaben der Auftragsmörder war ihre praktische Unsichtbarkeit. Ein Attentäter, der bemerkt wurde, hatte entweder die Information erhalten, dass er gesehen werden solle oder aber, dass es keinen Unterschied mache, ob er gesehen werden würde.

In Gedanken versunken starrte ich Caridads Grab an. Um uns herum hatte sich eine beinahe greifbare Stille ausgebreitet.
„Weißt du, wer den Auftragsmörder in den Palast gebeten hat?"

„Nein. Als der Mann zur Küche zurückkehrte, fragte er nach einem Glas Wasser oder etwas... Stärkerem-..."

„Um ein Gift anzurühren?" Die Erinnerung an jenen verhängnisvollen Abend legte sich wie ein eisiges Tuch um meine Brust. Auch diesen Attentäter hatten wir niemals gefasst.

„Um sein schlechtes Gewissen zu ertränken. Der Küchenmagd, die ihm die Tür geöffnet hatte, vertraute er nach einigen Gläsern an, dass er den Auftrag erhalten hatte einen gewissen Dade zu beseitigen."

Ich spürte Dara Sareis prüfenden Blick auf mir, als er versuchte abzuschätzen, ob mir dieser Name etwas sagte. Und obwohl ich alles daransetzte, die Kontrolle zu bewahren, bohrten sich meine Fingernägel in meine Handflächen.

Caridad.

Jemand hatte Caridad ermorden wollen? Aber warum?

Winzige Schnipsel an Informationen flatterten durch meinen Kopf. Er war mit Pfeilen aus dem königlichen Haus erschossen worden. Der Grund warum wir ursprünglich angenommen hatten, dass es sich bei seinem Mörder um den Auftragsmörder für Constantin handle. Aber seit dem letzten Brief war das eher unwahrscheinlich. Jemand aus dem Palast hatte ihn erschießen lassen. Und jemand anderes war zu dem Schluss gekommen, dass das Constantin gewesen sein musste.
Mir wurde unwillkürlich schlecht.

Zumindest den Gedanken las Dara Sarei mir von der Stirn ab.
„Wir sollten den König befragen, ob er mit diesem Namen etwas anfangen kann. Vielleicht führt uns diese Person zu unserem Attentäter."
Zweifelsohne hatte er bereits jemanden losgeschickt den Attentäter zu finden und würde in wenigen Tagen ebenfalls wissen, dass wir von Caridad sprachen. Doch für jetzt wollte ich meinen kleinen Vorsprung behalten.

„Jemand könnte auch in Constantins Namen den Auftrag gegeben haben", widersprach ich halbherzig. Aber vor einem halben Jahr hatte es nur noch eine einzige Person im Palast gegeben, die Caridads Kindernamen kannte. Aber Constantin würde niemals... er hätte niemals... es machte einfach keinen Sinn. Meine Mitte krampfte sich zusammen. Konnte ich mich wirklich so sehr in ihm geirrt haben?

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt