12- Mord im Schlafrock

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3 Jahre, 1 Monat und 4 Tage vorher

          Es gibt gewisse Momente, da darf ein Palast laut sein, befüllt von eilenden Schritten, den Geschnatter der Höflinge und dem Knarren der Türen. Und es gibt Momente, da weckt einen selbst das leiseste, unschuldigste Geräusch. Zum Beispiel der Laut eines gewisperten Kommandos, dass die Wache sich von der Tür entfernen dürfe.

Licht eines vollen Mondes erhellte das Zimmer und ich saß aufrecht im Bett. Diese Wache erfüllte meines Wissens einen gewissen Zweck vor meiner Tür. Einen eigentlich sehr Wichtigen. Deshalb zögerte ich auch nicht, als sich jemand umständlich an meinem Türgriff zu schaffen machte. In einem Satz war ich aus dem Bett und zog unter seinem Gestell eine silbrig glimmende Klinge hervor.

Es war kein schönes Exemplar, ein Trainingsschwert mit Macken und Kerben im Blatt. Jemand hatte es vor einigen Tagen hinter den Baracken der Soldaten liegen lassen. Vielleicht weil es einen schlechten Dienst erwiesen hatte. Es war fürchterlich ausbalanciert. Mein Vater hätte es eine Verschwendung von Metall betitelt. Aber ich war davon überzeugt, dass es genug Schaden anrichten würde, wenn ich nur ausreichend fest zuschlug.

Obwohl es kein Zweihänder war, umklammerte ich es mit beiden Händen, als nach einer gefühlten Ewigkeit die Tür aufschwang und eine Gestalt in mein Zimmer hinein gestolpert kam.
Ich hob die Arme und...

... stockte, als ich den König erkannte. Constantin? Oh bitte nicht.

Er sah fürchterlich aus. Seine Kleidung war zerknittert als hätte er darin geschlafen, seine Haare hatten sich aus dem Zopf gelöst und seine Augen waren blutunterlaufen. Doch am schrecklichsten war der Verband an seiner linken Hand. Rötlich zog er sich über den vorletzten halb-abgetrennten Finger.

Sie hatten es getan. Sie hatten ihn bezahlen lassen.
Das hinderte ihn jedoch nicht daran mich zu mustern, als wäre ich nicht mehr als ein Kind, das ihn zum Duell herausgefordert hätte.
„Halb so schlimm. Nur dein Ehemann, der nachsieht, ob bei dir alles in Ordnung ist."

Ob bei mir alles in Ordnung war?
Er lallte. Mein Blut wurde kalt. Ich kannte betrunkene Männer, hatte viele von ihnen auf dem Marktplatz kennen und meiden gelernt. Selbst das ehrenhafteste Exemplar konnte durch den Konsum in ein beängstigendes Monster verwandelt werden. Und Constantin war schon unfreundlich im nüchternen Zustand.

Ohne das Schwert herunter zu nehmen, tat ich einen Schritt zurück.
Durfte ich mich gegen ihn wehren, wenn er der König war? Würden sie mich verurteilen?
Ich entschied, dass das gleichgültig war. Wenn er Hand an mich legte, verlor er auch die restlichen Finger.

Haltsuchend griff er nach dem Pfosten des Bettes und lehnte sich dagegen. Die Krone auf seinem Kopf rutschte beunruhigend, doch das kümmerte ihn nicht. Er hatte die Waffe in meinen Händen entdeckt.
„Was machst du mit dem Schwert? Hast du versucht, deine Haare zu schneiden?"
Er schnaubte belustigt, amüsiert von seinem eigenen Scherz.

Ich nicht. Es kostete mich bereits alle Kraft, nicht am ganzen Leib zu zittern.
„Du bist betrunken."
Hatte er getrunken, um das Prozedere seiner Strafe zu ertragen?

„Ja", er ließ sich auf meine Bettkante nieder, streckte die Beine aus und verschränkte die Arme, „Absolut durch, um genau zu sein. Ratssitzungen sind fürchterlich. Besser, wenn man nicht mehr alles mitbekommt."

Ich schnaubte und ließ das Schwert sinken. Also doch nicht gegen den Schmerz. Er hatte genug intus, dass ich auch ohne Waffe mit ihm fertig werden würde. Meine Angst versiegte mit jeder Sekunde und machte einem Funken Ärger Platz. Und weil ich müde war, ließ ich ihn an die Oberfläche. Er war betrunken. Wenn ich jetzt zu ihm unhöflich war, würde er sich morgen vielleicht nicht daran erinnern.
„Ich dachte, in diesen Sitzungen werden die wichtigsten Entscheidungen für Euer Reich beschlossen?"

Aber Constantins Sinne hatten ihn noch nicht so weit verlassen, dass er den Vorwurf hinter meinen Worten nicht hörte. Die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen musterte er mich von den Zehen bis zum Kopf.
„Allein für diesen Kommentar verdienst du mindestens noch zehn Sommersprossen. Sei froh, dass sie dir stehen."

Meine Wangen wurden warm. Ich konnte nichts dagegen machen, egal wie sehr ich ihn verabscheute.

Er rieb sich die Augen, zuckte zusammen, als er gegen den Verband kam und fuhr fort.
„Nur ein Idiot würde glauben, dass der König diesen Zirkel regiert. Der Senat beschließt Dinge, mit oder ohne mein Einverständnis und wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt, werden eben die Fakten angepasst. Mooord. Totschlag. Eine einmalige Flugstunde ohne Landetraining."

Eine Wolke schob sich vor den Mond und tauchte sein Gesicht in Schatten.
„Selbst wenn ich nur zu oft den Mund öffne, passieren hässliche Dinge", er hob seine verletzte Hand und wank einmal, „Dabei bin ich so liebenswürdig."

Erschreckend, wie ruhig er darüber sprach. Es war, als beschwere er sich über die anhaltende Dürre. Er zuckte mit den Achseln, als höre er meine Gedanken.
„Schon mal versucht, deine Leute zu schützen, wenn du mit einem Bein bereits in deinem Grab stehst? Ein Duell auf dem Friedhof erspart die Kosten des Leichentransports."

Nein. Das Thema wurde mir unangenehm. Es war, als würde er in seinem Rausch mehr preisgeben, als er nüchtern wollen würde und ich hatte Zweifel, ob das positive Konsequenzen für mich haben würde.
Ich schluckte gegen die Trockenheit in meinem Mund. Das Schwert lag nur noch lose in meiner Hand, auch wenn ich mich keinen Fingerbreit bewegt hatte.

„Und dann kommen sie auf so großartige Ideen, wie das Heiraten", seine Handbewegung deutete in meine Richtung, „Und jetzt stecke ich mit dir hier fest."

Dito. Ich wäre auch gerne wo anders. Aber das sagte ich dieses Mal nicht. Er sah erschlagen aus.
Nüchtern musterte ich ihn von oben bis unten, „Das klingt, als bräuchtest du einen Freund."
Und das war kein Angebot meinerseits.

Er warf mir einen vielsagenden Blick zu.
„Du solltest lernen zuzuhören. Ich kann keine Freunde haben. Leute benutzen mich, um das zu bekommen, was sie wollen. Freunde wären nur weitere Druckmittel gegen mich. Du befreundest dich mit der Krone und du bist genauso tot wie ich."
In einer erstaunlich präzisen Geste griff er die Krone und schleuderte sie quer durch den Raum.
Der hohe Ton ihres Aufpralls auf dem Steinboden ließ mich zurückzucken. Der Klang von Niederlage.

Das war auch der Augenblick, als meine Tür zum zweiten Mal aufgeschoben wurde. Auf eine lautlose, nicht betrunkene Art. Ich sah das Messer, bevor ich sein Gesicht sah. 

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"Gelüchteweise gibt es heue swei Updates. Gerrrrrrüchteweise sollt dürft ihr auch die Sternschen drüggen. Isch fordere eusch herrraus!" - Constantin. Betrunken. 

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now