So vergingen einige Tage. Morgens Ausdauer- und Krafttraining, danach Kampfübungen mit Techniken lernen, sowohl für den Angriff als auch die Verteidigung. Ich lernte mich richtig Abzurollen, Hechtsprünge zu vollziehen und gezielte Manöver auszuführen. Und ich wurde immer besser.
Meine Ausdauer hielt länger, an meinen Armen und Beinen begannen sich leichte Muskeln zu zeigen und meine Angriffe wurden komplizierter und erfolgten nun schnell und konzentriert, genauso wie das Blocken von Gegenangriffen und das Ausweichen. Ich lernte schnell.
Xander wirkte ebenfalls ziemlich zufrieden mit mir auch wenn das bei ihm immer schwer zu sagen war.
,,So, den Kampf ohne Waffen beherrscht du jetzt gut genug. Also können wir uns nun dem Training mit Schwertern, Dolchen und Messern zuwenden. Wir beginnen mit den Dolchen, da sie viel kleiner und leichter als Schwerter sind und du mit einigen von ihnen ausgestattet werden wirst. Dann die Messer und erst danach der Schwertkampf. Zu guter letzt werden wir uns dem Pfeil und Bogen zu wenden, auch wenn du den wahrscheinlich nicht brauchen wirst, da es viel zu auffällig wäre sowas mit sich rumzutragen. Messerwerfen wird da schon nützlicher sein. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit, also häng dich da richtig rein und zeig dein Können, Lyana.''
,,In Ordnung. Also dann zeig mir wie man mit Dolchen kämpft!''
Der Hauch eines Lächelns umspielte Xander's Mundwinkel, als er ein paar Dolche hervorholte und mir einen davon in die Hand drückte. ,,Erstmal nur einen.''
Er zeigte mir wie ich den Griff umfassen musste und wie ich den Dolch zu lenken hatte, ließ mich Hiebe und Stiche nachmachen, die die Luft durchschnitten, zeigte mir wie ich Deckungen umging und versteckt Treffer landen konnte. Ich fand immer mehr Gefallen an den scharfen Bewegungen des Dolches. Das Gleiche machten wir auch noch bei den Messern und Schwertern. Nur beim Messerwerfen stellte ich mich als ziemlich untalentiert heraus und war schon stolz auf mich, wenn ich die Zielscheibe mit dem Messer aus einer Entfernung von ungefähr 10 Metern auch nur streifte.
Gerade als ich ein weiteres Messer viel zu weit daneben geworfen hatte und niedergeschlagen zu einem neuen Wurf ausholen wollte, unterbrach mich Xander. ,,Okay, ich denke das reicht. Du bist im Messerwerfen ein hoffnungsloser Fall, das bringt nichts mehr. Wir haben nur noch zwei Tage, deswegen werden wir uns jetzt dem Pfeil und Bogen widmen.''
Er nahm mir meine Messer ab, zog die wenigen in der Zielscheibe steckenden heraus und legte sie beiseite. Die übrigen wird er wahrscheinlich später aufsammeln, wenn ich wieder mit Laufen und Steine transportieren beschäftigt war.
Jetzt jedoch reichte er mir erstmal einen großen, aus Holz geschnitzten Bogen. Und einen schmalen Pfeilköcher, den ich auf meinen Rücken montieren musste und indem einige hölzerne Pfeile mit scharfer Spitze steckten.
Vorsichtig zog ich einen heraus und musterte dann abwechselnd unbeholfen den Bogen und den Pfeil. Ich wusste absolut nicht wie ich die beiden Teile jetzt halten sollte. Natürlich wusste ich im Groben wie sie funktionierten, schließlich hatten wir Jäger im Stützpunkt und ich hatte sie oft aus der Ferne Bogenschießen üben sehen. Aber jetzt, wo ich den irgendwie unhandlichen Bogen in der Hand hielt und daran irgendwo den Pfeil befestigen musste, hatte ich absolut keinen Plan wie das gehen sollte.
Xander seufzte auf, als er meinen hilflosen Blick bemerkte und nahm mir den Pfeil aus der Hand. ,,Zuerst musst du lernen den Bogen richtig zu halten, dann kommt der Pfeil.'' Er stellte sich hinter mich und griff um mich herum. Ich zuckte zusammen als ich seine kalten Hände an meinen fühlte. Sein harter, muskulöser Körper war dicht hinter mir und würde ich mich nur ein paar wenige Zentimeter nach hinten lehnen, würde sich mein Rücken an seine breite Brust schmiegen. Ich bemühte mich meinen Atem ruhig zu halten, doch gegen mein schneller schlagendes Herz konnte ich nichts tun und so blieb mir nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass Xander meine Reaktion auf seine Nähe nicht bemerken würde, denn dann würde ich mich wirklich noch vor lauter Scham in den Fluss stürzen.
Zum Glück schien Xander meine Körperreaktion auf ihn entgangen zu sein oder er sagte einfach nichts dazu -beides war mir lieb, solange er keinen Kommentar dazu abgab.
Seine Hände veränderten die Positionen von meinen und ließen dann los. Doch kaum war der Halt seiner Hände plötzlich verschwunden, sank der Bogen auch schon wieder ein wenig herab. Sofort griff er wieder nach ihm und hielt ihn einen Moment noch so fest. ,,Du musst ihn gerade halten.'' Als Xander sich sicher war, dass ich ihn in der Position halten würde, löste er seine Finger wieder, die zuvor kühl meine Haut gestreift hatten. Er holte den Pfeil hervor und wieder spürte ich seine Haut über meine streifen, als er meine verkrampften Finger etwas löste und den Pfeil dazwischen schob. Er legte seine Hände wieder über meine und spannte die Sehne. Als die Spannung groß genug war, ließ er plötzlich los und der Pfeil zischte mit einem Surren durch die Luft, bis er sich in den inneren Kreis der Zielscheibe bohrte. Die genaue Mitte hatten wir zwar verfehlt, aber das lag vermutlich eh nur daran, das ich Xanders routinierte Bewegungen durch meine Unwissenheit ein wenig ausgebremst hatte.
Xander ließ los und trat einen Schritt zurück. ,,Jetzt weißt du wie es geht. Du bist dran.''
Immer noch ein wenig unbeholfen ahmte ich seine Bewegungen nach, zielte und schoss. Der Pfeil flog noch ein wenig holprig, traf jedoch die Scheibe, wenn auch nur am Rand. Doch immerhin hatte ich direkt beim ersten Mal überhaupt getroffen. Ich schoss noch einige weitere Male und kam mit jedem weiteren Pfeil der Mitte immer näher, bis ich schließlich jeden dritten Pfeil in ihr versenkte.
Als alle Pfeile verschossen waren ging ich zur Zielscheibe und half Xander dabei sie wieder herauszuziehen und sie zu verräumen.
Da die Abenddämmerung bereits einsetzte, begann ich ohne zu Murren mit meinem Kraft- und Ausdauertraining. Während ich lief und meinen Blick dabei durch die Gegend schweifen ließ, versank ich in Gedanken.
Nur noch zwei Tage.
Nur noch zwei Tage blieben mir bei den Rebellen und meinen Freunden, bis ich jemanden spielen musste, der ich nicht war und auch nie sein wollte.
Die einzigen zwei positiven Aspekte, die ich finden konnte, waren der Tod des Thronfolgers und damit der Ruin des Königs, und das Kampftraining mit Xander, was mir nach dem schweren Anfang echt begonnen hatte Spaß zu machen.
Ich war zwar noch lange nicht so gut wie Xander und würde es vermutlich auch nie sein, aber dennoch bin ich gut geworden und würde behaupten, ich beherrschte den Kampf. Das hatte ich jedoch nur Xander zu verdanken. Er war ein harter, aber guter Trainer gewesen und ich konnte mich glücklich schätzen die Ehre gehabt zu haben von ihm ausgebildet worden zu sein.

Lyana- The Story of a QueenWhere stories live. Discover now