„Was ich nicht kenne, kann ich auch nicht verleugnen", wandte sie ein.

Dies schien ihm einzuleuchten, sein stechender Blick verlor die Schärfe. „Äh, richtig! Darum erklär' ich es dir ja. - Merk' dir also: sobald er sich zeigt - er ist klein wie ein Kobold, trägt dasselbe Zeug wie unsereins, hat rote Haare, grüne Zähne, führt stets Hammer und Pfeife mit sich - dann warnt er vor drohender Gefahr. Säume nicht und schlage sofort Alarm! Sichere das Schiff, hol' die Segel ein, so lässt sich das Ende gerade noch abwenden. Wenn er sich aber davonmacht, droht unweigerlich dem Schiff und uns der Untergang."

„Wie schrecklich! Aber hab' ich das richtig verstanden - solange er da bleibt, ist alles gut?"

„Ja, genau!" Er stockte ... zusehends verfinsterte sich seine Miene, die Augen wurden schmal. „Man muss blind und taub sein, um nicht zu merken, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht", sagte er grollend.Der Wind hält das Schiff fest, wir kommen nicht von der Stelle, so sehr wir uns auch abplagen, und das kann nur eines bedeuten ..." Er hob die Stimme: „Nämlich, dass der Klabautermann für immer fortgegangen ist! Und wer trägt die Schuld daran?"

Das WER hing drohend in der Luft.

Lorena überlief es kalt. Ihr Magen krampfte, als wäre die Seekrankheit zurückgekehrt. Sie warf einen schnellen Blick in die Runde ... in den funkelnden Augenpaaren las sie Zorn, Angst und Verzweiflung. In diesem Augenblick sahen die Männer tatsächlich aus wie die Verdammten der Meere. Wehe demjenigen, der zwischen ihre Fäuste geriet!

Ihre Gedanken rasten. Was sage ich bloß? Die Suche nach dem vermeintlich Schuldigen kann übel enden. Falls sie herausfinden, wer ich bin, was ich bin ... dann wird es heißen, ich hätte den Klabautermann verjagt! Weil Frauen an Bord nur Unglück bringen ...

Sie fühlte sich wie in den Schlickwatten unterwegs - ein falscher Tritt, und sie würde hoffnungslos versinken. Und mit ihr auch Janko, Sjard, Roluf und Ove, wenn sie nicht aufpasste. Ausgerechnet jetzt fiel es ihr schwer, sich nicht das Geringste anmerken zu lassen. Der ständige Bereitschaftsdienst hatte ihr gehörig zugesetzt; mehrmals war sie nahe daran gewesen, vor Erschöpfung loszuheulen wie ein kleines Mädchen. Sie stolperte fast über die eigenen Füße!

Reiß dich gefälligst zusammen, befahl sie sich. Man darf dir niemals auf die Schliche kommen.

So bemühte sie sich, eine Ruhe vorzutäuschen, die sie gar nicht empfand und versprach, dass sie künftig auf den Klabautermann achten werde. „Wer weiß, vielleicht treibt er wie gewöhnlich Schabernack und spielt Verstecken. Oder er stellt euch auf die Probe, ob ihr euch seiner würdig erweist und als tüchtige Seemänner wacker durchhaltet. - Nur ein wenig Geduld, gewiss ist bald das Schlimmste überstanden und er hilft uns weiter!"

Sie schien die richtigen Worte getroffen zu haben. Die angespannten Mienen hellten sich auf, und sie begannen wie befreit durcheinanderzureden: „Der Wind ist auch nicht mehr so stark wie in den vergangenen Tagen." - „Jau, das stimmt!" - „Immer mit der Ruhe!" - „Wir lassen uns von dem Windchen doch nicht ins Bockshorn jagen!"

Selbst der Sprecher mit der Schnabelnase schien die Zuversicht wiedergewonnen zu haben, er stemmte die Arme in die Seiten und spottete: „Das will ich meinen! Guckt euch mal den Jungspund an, wie brav er stets mitgehalten hat! Und ihr?! Seid ihr nun ordentliche Seeleute oder Waschweiber, die 'rumflennen, oder was?"

Seine Standpauke wirkte. Einer nach dem anderen hob den Kopf, streckte die Brust heraus, straffte die Haltung. Plötzlich schienen die Männer um einiges größer und vom frischen Mut beseelt zu sein.

Schnell wandte sich Lorena ab, um ihre Erleichterung zu verbergen. Das war noch einmal gutgegangen! Erst jetzt merkte sie, dass sie vor lauter Konzentration, nur ja kein falsches Wort zu sagen, fast vergessen hatte zu atmen. Nun saugte sie begierig die salzige Luft ein. Tat das gut!

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt