Kapitel 1

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Die meisten Menschen fürchten sich vorm Sterben
Eigentlich ist das nichts besonderes, denn Sterbliche sind so schreckhaft, dass es schon peinlich wird. Sie fürchten sich vor Krankheiten, der Spinne unter ihrem Bett und sogar vor anderen Sterblichen
Doch die Angst vor dem Tod ist etwas anderes. Denn am meisten Angst haben sie nicht vorm Sterben selbst sondern vor dem, was danach kommt.

"'Mimimi, warum denn ich? Warum kann ich nicht in den Himmel kommen und lustige Wettfliegen mit den Engelchen zwischen den flauschigen Wölkchen machen?' Bei Satan, gehen die mir auf die Nerven!" Kaia verdrehte die Augen und beschleunigte ihre Schritte.
Ariyana grinste. "Jetzt beruhig dich, du kannst sie nicht alle töten. Zumindest nicht nochmal."
"Haha", antwortete Kaia trocken und hakte einen weiteren Punkt auf ihrer Liste ab, "du bist ja mal wieder witzig."
Ihre Freundin wollte gerade etwas erwidern, da kamen die Beiden schon bei ihrem Ziel an, einer schwarzen, riesigen Doppelflügeltür, durch die sich silberne Verzierungen zogen wie Schlangen aus Metall. Statt eines Türknaufs war in die Tür ein eiförmig geschliffener Rubin eingelassen, der das flackernde Licht der Kerzenleuchter an den Wänden in alle Richtungen reflektierte.
Ariyana legte einen ihrer klauenartigen Finger auf den Edelstein. Einen kurzen Moment lang passierte nichts, dann bekannt der Stein zu leuchten und im nächsten Moment schwangen die Flügel der Tür knarzend auf.
Der Raum dahinter war so groß, dass er wohl eher als Saal betitelt werden sollte. Alte Ziegel bildeten die Wände, die mit schweren Teppichen bestückt waren. Die kunstvollen Stickereien zeigten Seuchen, Qualen und Tode - und auf allen war eine gehörnte Gestalt zu sehen.
Ein samtener, schwarzer Teppich führte von der Tür aus bis zum Ende des Saals und endete vor einem kunstvollen Thron aus Metall, Rubinen und Schädeln.
Auf dem Thron saß ein bleicher Mann. Seine Hände waren ebenso klauenartig wie die der beiden Dämoninnen und auch aus seinem schwarzen Haar ragten zwei Hörner, nur dass seine weitaus länger waren als die ihren.
Ein metallener Dreizack lehnte an der Seite des Thrones.
Ein schwarzer Anzug wölbte sich über die nie heilenden Wunden auf seinem Rücken, die das einzige Zeichen waren, dass auch er einmal ein Engel gewesen war.
Gottes Liebling.

"Ah, Mädchen!" grinste er und entblößte dabei seine spitzen Zähne. "Ich hatte euch bereits erwartet. Wie läuft es?"
"Alles in bester Ordnung, Sir", anwortete Kaia und reichte ihm ihr Klemmbrett. "Die neue Fuhre Sünder wurde heute morgen von einem der Engel zu uns gebracht. Er und Thana sind gerade dabei, sie ihren jeweiligen Ebenen zuzuordnen."
Satan überflog die auf der Liste abgehakten Punkte. "Wie sieht's mit den höheren Ebenen aus?"
"Auf Ebene sieben bis zehn waren wir eben, keine besonderen Vorkommnisse", meinte Ariyana, woraufhin Satan zufrieden nickte und Kaia ihr Klemmbrett hinhielt, die es wieder in ihren Besitz nahm.
"Gute Arbeit, meine Damen."
Die Dämoninnen neigten kurz den Kopf und wollten sich gerade zum Gehen umwenden, als ihr Herr wieder das Wort ergriff. "Eine Sache noch. Das Geschäftstreffen mit Gott steht mal wieder an."
Kaia zog eine Augenbraue hoch. "Sind echt schon wieder 1000 Jahre um? Die Zeit rast."
Ihr Gegenüber nickte. "Und wie letztes Mal bekommt ihr wieder das Kommando. Nicht ohne Grund seid ihr die einzigen, denen ich in dieser Höllenbrut vertrauen kann." Er griff in seine Hosentasche, zog einen Schlüsselbund heraus und warf ihn Ariyana zu, die ihn geschickt auffang. "Das ist der Generalschlüssel, er öffnet euch hier jede Tür. Verliert ihn und die Kinderschänder und Massenmörder sind nicht mehr die einzigen, die auf Ebene zehn brutzeln".
Ariyana nickte eifrig. "Natürlich, Boss. Wir werden ihn hüten wie ein drittes Horn!"
Augenrollend winkte Satan ab. "Der Letzte, der mir das sagte, war Asmodäus und jetzt seht ihn euch an. Erbärmlich."
Die Geschichte Asmodäus' wurde schon Dämonenkindern erzählt, die beim Toben keine Acht auf ihre Hörner gaben.
Dieser hatte sich nämlich bei einem Unfall beide Hörner abgebrochen und somit seine Dämonenmacht verloren.
Die Dämonenmacht, das war der wichtigste Bestand des Dämonendaseins. Es war eine Kraft, die in den Hörnern gespeichert wurde wie Wasser in den Höckern eines Kamels. Sie erlaubte einem Wesen der Unterwelt, Lebewesen zu töten, Höllenwesen heraufzubeschwören, Telekinese zu beherrschen und brachte, je nach dem, wie mächtig der Dämon war, auch diverse andere Fähigkeiten ans Licht. Der Teufel hatte selbstverständlich die höchste Dämonenmacht, auch wenn niemand genau wusste, wie stark sie wirklich war. Aber was alle wussten: War ein Horn nicht mehr ganz, war es nutzlos.
Kaia schob Ariyana ein Stück zur Seite und streckte den Rücken, um ihre ohnehin schon kerzengerade Haltung zu perfektionieren. "Wir werden Euch nicht enttäuschen", sagte sie mit fester Stimme.
Satan stand auf und lies seine Rute über den Boden peitschen. "Das will ich hoffen. Macht einen Fehler und ihr seid tot." Er warf Ariyana, die gerade den Mund aufmachen wollte, einen Blick zu. "Spar dir einen schlechten Spruch zur Unsterblichkeit, Ariyana. In ein paar Tagen bin ich zurück. Gebt euch Mühe."
Mit diesen Worten erhob er sich und ging an den Mädchen vorbei, die sofort ehrfürchtig beiseite traten. Seine Hörner leuchteten auf und ein Geschäftskoffer flog hinter ihm her. Er verließ den Raum und die schwere Tür viel mit einem lauten Krachen zu.
Kaia sah Ariyana an. "Du weißt, was das bedeutet?" Ihre Freundin nickte. "Oh ja." Ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen. "Was glaubst du, wie schnell bekommen wir alle zusammen?"

You say 'hell' like it's a bad thing Where stories live. Discover now