4 - Ein ungewöhnlicher Klient (Fortsetzung)

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IN EINER UNS BEREITS BEKANNTEN PRAXIS

Ich musste ihn ziemlich lange etwas verwirrt angeblickt haben. Ich begann Notizen auf meinem kleinen Block mit meinem Mont Blanc Füller zu machen.
Mein Blick schweifte kurz auf die Tageszeitung ab, die auf meinem Designer-Tisch noch unberührt lag. Es ärgerte mich, kaum Zeit zum Zeitungslesen zu haben. Aber bei diesen Schlagzeilen war es nicht wirklich schlimm:

BÄUME WIE VOM ERDBODEN VERSCHLUCKT – Immer mehr Wälder vom plötzlichen Verschwinden betroffen

„Eigentlich würde es mir ja gut gehen, wenn ich nur wüsste, warum ich hier bin." sprach mein spontan eingetroffener Patient mit großen Augen. Verzweiflung stand nach wie vor in seinem Gesicht geschrieben.

Um ehrlich zu sein hörte sich das auch verrückt an, denn er war wirklich felsenfest davon überzeugt, von dem, was er erzählte. Dies teilte mir zumindest meine Menschenkenntnis mit, der ich immer mit absoluter Sicherheit vertrauen konnte. Ich überlegte, wie ich als renommierter Psychologe darauf reagieren könnte und wollte gerade meine Stimme mit einem „Nun ja" erheben, als sein Blick ebenfalls auf die Lettern der skurrilen „Baum"-Schlagzeilen traf. Sein kompletter Gesichtsausdruck wandelte sich in etwas Furchteinflößendes. So wie jemand der etwas erblickte, was er unbedingt haben wollte. So wie jemand, der schon Zeit seines Lebens verbissen nach etwas gesucht hatte. Und wenn er es erst einmal gefunden hätte, dann ... ja, dann würde er über Leichen gehen. Es war die blanke Habgier.
Mein Patient sprang auf, krallte sich die Zeitung, überflog den Artikel und rief ... „DAS IST ES !!! ... Endlich weiß ich es! Meine Mission!" Er lachte hysterisch auf und tanzte vor Freude. Es war schrecklich mit anzuhören und zu sehen. Ich bekam Angst. So sah ein Mensch im Wahn aus. Plötzlich sprang er mich an und drückte mich so fest, dass ich kaum Luft bekam. Alles geschah so plötzlich ... mir schwanden fast die Sinne. Er hatte immense Muskelkraft, die man seiner zierlichen Erscheinung gar nicht zugetraut hätte. Mein erster Fehler meiner Menschenkenntnis. Fehler Nr. 2: Er sah zu Anfang sympathisch und friedfertig aus, welches sich jetzt ins Gegenteil verkehrte. Ich schloss meine Augen. Meine Angst wich der Todesangst. Ich stemmte mich mit all' meiner Kraft gegen seine Arme und aus meinen Lungen zischte ein „NICHT!" hervor. Dann öffnete ich meine Augen und ich spürte keinen Widerstand mehr. Er war weg! Ich hörte nur noch ein so leises und psychopathisch klingendes „Ich finde Dich ... ALLEN FINE!" in meinem Ohr, dass es sich fast wie eine akustische Einbildung anhörte. Völlig verwirrt blickte ich mich um. Ich blickte in den Flur, in jeden Raum meiner Praxis ... nichts. War ich derjenige der allmählich verrückt wurde? Habe ich mir das alles nur eingebildet? Es war so real! Erfülle ich schon (jetzt) das Klischee des genialen überarbeiteten Psychologen, der selbst akute, selbstgefährdende Wahnvorstellungen bekam und ein Patient seines Nachfolgers auf Lebenszeit wird? Nein, nicht ich, nicht Dr. Jones. Das Getränk auf dem Designer-Tisch, das ich meinem „Gnom"-Patienten Smith angeboten hatte stand noch da und die zerknüllte Zeitung lag auf dem Boden. Was hatte er gesagt, wen wollte er finden? – Allen Fine? Den Namen hatte ich irgendwo schon einmal gehört, oder gelesen? Ich hob die Zeitung auf und blickte nochmals auf den Artikel. Diesmal begann ich ihn ganz genau zu lesen:

Gnom, unserWhere stories live. Discover now