Kapitel 4

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Ich schrecke schweißgebadet auf. Schon wieder ein Alptraum. Ich zittere am ganzen Körper und mein Herz rast. Eigentlich müsste ich an meine Alpträume gewöhnt sein. Es sind fast immer die Gleichen oder zumindest ähneln sie sich immer sehr. Nach dem ich einen Schluck getrunken und mich etwas beruhigt habe, lege ich mich wieder hin. Doch es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bevor ich wieder einschlafe.

Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker um acht Uhr, da ich erst zur zweiten Stunde habe. Ich versuche meine Augenringe so gut wie möglich zu über schminken, an denen man meine fehlenden Stunden Schlaf sehen kann.
Der Vormittag geht glücklicherweise schnell rum und ich bin auf dem Weg in die Cafeteria, um dort Ava und Lin zu treffen. Sie sitzen schon an einem Tisch und winken mir zu, als ich mir mein Tablett schnappe und mich in die Schlange stelle. Nachdem ich mein Essen habe, geselle ich mich zu ihnen. Zuerst unterhalten wir uns über den Tag und was so passiert ist, aber bald wechselt das Thema zur Party, die heute Abend stattfindet. „Komm doch mit, Eliana!", schlägt Lin vor. Ich schaue skeptisch von meinem Teller hoch und schüttle den Kopf. „Nein, lieber nicht." Ava legt den Kopf schief. „Warum denn nicht? Es wird bestimmt lustig." „Ich weiß nicht..." seufze ich. „Nur heute Abend. Wenn es dir nicht gefällt, überrede ich dich nie wieder, versprochen.", versucht Ava mich zu überreden. Beide sehen mich flehend an. Schließlich gebe ich nach und lasse mich auf die Party heute Abend ein. Ava und Lin klatschen miteinander ein, worüber ich nur lachend die Augen verdrehe.
Nachdem wir aufgegessen haben, machen wir uns auf den Weg zum Nachmittagsunterricht. Leider habe ich mit keinem von den beiden, weshalb uns unsere Wege irgendwann trennen. Als ich in meinem Klassenraum ankomme, sitzt Kyle schon auf seinem Platz und ich lasse mich neben ihm nieder. Er schaut kurz von seinen Unterlagen auf, um mich zu begrüßen, schaut dann aber wieder auf sein Blatt. „Bist du immer noch sauer?" frage ich ihn schließlich. Er hebt langsam den Kopf und seufzt. „Ich war nie sauer." Ich schaue ihn mit schiefgelegten Kopf an. „Ich hatte gestern nur einen schlechten Tag. Es tut mir leid." Ich versuche ihn in den Arm zu nehmen, aber er schlüpft sofort weg. „Ich würde die Gerüchte nicht noch verstärken.", sagt er verlegen. „Na gut.", antworte ich lachend. „Wir könnten ja heute Abend gemeinsam etwas unternehmen, wenn du willst?", wechselt er das Thema. „Ich schätze daraus wird nichts. Ich habe Lin und Ava versprochen heute Abend mit auf die Party zu kommen." „Ach so schade." „Komm doch einfach mit!", schlage ich vor. „Ne lieber nicht." Ich kann seinen Gesichtsausdruck nicht ganz lesen, habe aber auch keine Zeit darüber nachzudenken, da Mrs Bloom mit dem Unterricht anfängt.

„Bist du fertig, Eliana?" kommt es aus der anderen Ecke des Zimmers. „Gleich" rufe ich zurück und betrachte mich im Spiegel. Ich habe mir einen schwarzen Jeansrock mit schwarzer Strumpfhose, ein langärmeliges Netzoberteil und meine Docs rausgesucht. Meine Haare fallen mir gelockt über die Schultern. Als Lin ins Bad kommt, pfeift sie anerkennend. „Nicht schlecht. So bekommst du bestimmt jeden Jungen später!" Ich verdrehe lachend die Augen. „Wir müssen los, Mädels!", ruft Ava ins Bad. Avas Freund Dan, der nicht an unserem Internat ist, holt uns am Schulparkplatz ab, um uns zur Party zu fahren, die außerhalb des Campus bei einem Schüler, dessen Vater in der Nähe wohnt und er deswegen immer ziemlich fette Partys schmeißt, ist. Die Fahrt dauert nicht lange und als wir vor das Haus fahren, stehen schon einige Autos in der Straße. Dan lässt uns schon raus, um anschließend einen Parkplatz zu suchen. Vor dem Eingang und im Garten tummeln sich mehrere Grüppchen und auch innen ist es schon ziemlich voll. Ava steuert direkt auf eine Gruppe weiter hinten im Wohnzimmer an. Manche von ihnen habe ich schon öfter gesehen, aber andere kommen mir nicht wirklich bekannt vor. Ava und Lin grüßen einmal in die Runde und stellen mich vor. Einige lächeln mich freundlich an oder nicken mir zu, andere scheint es nicht zu interessieren. Plötzlich reißt Lin mich aus meinen Gedanken. „Soll ich dir was zu trinken mitbringen? Ich gehe zur Bar." Ich nicke. „Ja gerne." Kurz darauf kommt sie mit drei roten Bechern zurück, die sie mir und Ava reicht. Ich rieche an der rötlichen Flüssigkeit und runzle die Stirn. „Was ist das?" Lin lacht. „Probier's!" Zögernd hebe ich den Becher an meine Lippen. Es schmeckt sehr süß, aber es brennt etwas im Hals. Lin sieht mich fragend an. „Ganz gut", krächze ich und wir fangen beide an zu lachen. Ich habe zwar schon mal Alkohol getrunken, auch wenn es mit 17 Jahren in den USA noch nicht erlaubt ist, aber ich trinke nicht regelmäßig, wie andere in meinem Alter, weswegen ich nicht daran gewöhnt bin. Mit jedem Schluck gewöhne ich mich mehr an das Brennen. Ich unterhalte mich mit mehreren Leuten, die noch bei uns in der Runde stehen und lache mehr als erwartet. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viel Spaß machen könnte, was aber auch durchaus am Alkohol liegen könnte, der mich lockerer macht.
Es wird immer voller auf der Party, als ich mich von den anderen kurz verabschiede, um draußen Luft zu schnappen. Ich stelle mich auf die Treppenstufen, die von der Terrasse auf den Rasen führen, wo nicht so viel los ist. Ich atme die klare Nachtluft ein und kann dem Lärm hinter mir für einen Moment entfliehen. Ich blicke nach oben in den sternenklaren Himmel, wo die Sterne um die Wette strahlen. Plötzlich werden meine Gedanken von einer rauen Stimme neben mir unterbrochen. „Wusstest du, dass es allein in unserer Galaxie circa 100.000 Millionen Sterne gibt?" Ich drehe meinen Kopf zur Seite, um festzustellen, dass Reed neben mir steht. Seine Hände sind in den Hosentaschen vergraben und den Blick hat er zum Himmel gerichtet. Ich sehe ihn überrascht an. So nachdenklich habe ich ihn noch nie gesehen. Auf einmal dreht er sich zu mir um und schaut mir in die Augen. Ich bemerke, dass seine Iris noch blauer sind als die von Kyle. Seine Unterkiefer-und Wangenknochen sind sehr ausgeprägt und an seinem Kinn ist ein leichter Dreitagebart zu erkennen. „Gefällt dir, was du siehst?", raunt er unvermittelt und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Überrascht zucke ich leicht zusammen, woraufhin er seine Hand wieder wegnimmt und sich zum Gehen wendet. „Ich muss dann auch mal wieder." Er deutet auf das Haus hinter uns und die Leute, die draußen auf der Terrasse stehen. „Bis dann, Eliana!", flüstert er und geht. Als er meinen Namen ausspricht, bekomme ich eine Gänsehaut. Die Begegnung mit ihm war äußerst seltsam. Sonst kenne ich ihn nur, wie er anderen Leuten Streiche spielt oder sie auslacht. Doch heute Abend war er wie verwandelt.
Nachdem ich noch einige Minuten draußen stehen bleibe, gehe ich wieder rein, um die anderen zu suchen. Ich finde sie im Esszimmer, wo sie Bier-Pong spielen. Lin bemerkt mich als Erste und kommt zu mir rüber. „Alles okay? Du warst ganz schön lange weg." Ich nicke. „Ja klar. Ich war nur frische Luft schnappen." „Willst du mitspielen?", fragt sie und zeigt dabei hinter sich. Ich nicke und wir schließen uns den anderen an.

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