23- Wie wichtig muss man sein, damit es Attentat heißt und nicht Mord?

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Zu spät bemerkte ich Sebastians zufriedenen Blick auf meinem Gesicht.
„Gebt es zu, Ihr habt diesen Ort vermisst."

Mein Lächeln wurde noch eine Spur wärmer. Natürlich hatte ich die Stadt vermisst. Sie war bis vor vier Jahren alles gewesen, was ich von dieser Welt kannte. Ich hatte von den anderen Zirkeln gelesen. Mir ausgemalt, wie ich die Mauer besuchte und hinunter bis auf den Grund schaute, wo der Primus lebte. Doch da war nichts außer Wolken. Und genau genommen schwebte Clevem ja über Kesh. Ich hatte Hamir gesehen und an einem klaren Tag, Piliees blaue Weiten. Aber was war die Größe der Welt gegen das Gefühl von Heimat?
„In Hamir verliert man seine Höhenangst. Es ist viel weniger ein einziger Zirkel als tausend kleine, mit Brücken verbundene Meteoriten, die noch nicht auseinandergedriftet sind. Manchmal so winzig, dass gerade Mal ein Haus darauf passt", ich wandte mich zur Königin um, die mit ihrer Leibgarde hinter uns ritt, „Wart ihr schon einmal im siebten Zirkel?"

Sie schüttelte den Kopf, den Blick auf ihre Zügel gesenkt. „Hamir pflegt keine diplomatischen Kontakte zu Piliee."

Natürlich. Hamir pflegte fast nur Kontakte zu uns, die wir direkt neben ihnen in derselben Laufbahn wanderten. Die Überfahrt war vergleichsmäßig billig, weil wir so nahe waren. Hamir war ein Stück unter uns. Aber eben nur vergleichsweise. Am Ende würden trotzdem nur vier oder fünf Leute aus unserem gesamten Zirkel jemals einen anderen sehen.

Ich ließ mein Pferd zurückfallen, bis ich neben ihr her ritt.
„Ich vergaß, Ihr kommt aus dem vierten orbitalen Zirkel, nicht wahr? Der Wasserzirkel." Vier bedeutete, ihr Zirkel war sehr nahe an dem Grund. Piliee war dank seiner Schüsselform beinahe vollständig von Wasser bedeckt. Ein schwebender See mit vielen Inseln.

Die Erinnerung an ihre Heimat entlockte ihr ein schmales Lächeln.
„Ich war fürchterlich aufgeregt, als meine Mutter verkündete, wir würden nach oben reisen. Fliegen! Könnt Ihr Euch das vorstellen? Alles bei Euch ist so groß- so weitläufig", ihre Augen leuchteten auf und wurden im nächsten Moment wieder dunkler, „Und ihr esst nicht jeden zweiten Tag Fisch."

Ein vielsagender Blick Sebastians erinnerte mich über mein Lachen hinweg, warum wir die Königin eigentlich herausgelockt hatten. Aber ich konnte mir die nächste Frage nicht verkneifen.
„Ist denn... ist der Einfluss des Primus bei euch genauso groß wie hier?" Oder war Piliee so unbedeutsam, dass der Herrscher vom Boden sich nicht sonderlich viel für sie interessierte?

Unsere Blicke trafen sich und ich glaubte, sowas wie Mitleid in ihren zu sehen.
„Er würde auf jeden Fall länger brauchen, um uns aus dem Himmel zu holen, als andere Zirkel."
Vielleicht war sie doch nicht so weltfremd, wie ich erwartet hatte. Und dann fügte sie in einem plötzlichen Anfall von Gesprächigkeit hinzu: „Glaubt Ihr wir könnten im Theater vorbeisehen? Eine meiner Damen erzählte mir, dass momentan ein Stück aufgeführt wird über zwei Liebende, die durch die Zirkel voneinander getrennt sind und einander durch die Reinkarnation immer wieder begegnen, bis De sie endlich vereint!"

Ich schnaubte beinahe vor Lachen. Das klang exakt nach etwas, mit dem man Constantin wahnsinnig machen würde. Eine großartige Idee eigentlich.
„Ihr solltet Euren Ehemann darauf ansprechen. Ich bin mir sicher, dass er das Stück ebenfalls sehen will."

Sie dachte kurz darüber nach.
„Das erinnert mich daran, Euch für Eure Rettung am Blinden Ball zu danken."

„Ich habe Euren Auftritt ruiniert."

Über uns streckten Leute ihre Köpfe aus den Fenstern und winkten, als sie den Tross aus dem Palast erkannten. Ich winkte ihnen zurück, weil es nicht möglich war abzusteigen und jeden Einzelnen von ihnen zu umarmen.

Akemira schüttelte entschieden den Kopf.
„Ich bin mir sicher, ich wäre heute nicht Königin, wenn Ihr ihn nicht ruiniert hättet. Von dieser Tradition haben wir sicher nichts auf unserer Insel gehört." Und damit brach sie in verhaltenes Gekicher aus, das von dem Wasser in den Kanalbänken zurückgeworfen wurde.

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt