24 - Weniger glückliche Wiedersehen

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„Grüße deiner Familie", schnarrte er in mein Gesicht, sein Atem zersetzt von dem Gestank verdorbener Zähne. Mit einem letzten drohenden Hieb, der das Holz des Wagens stöhnen ließ, machte er kehrt und ließ mich in meinem Schock alleine zurück.

Die hatte ich fast vergessen.

Ich starrte sie einfach nur an. Die Kette meines Vaters. Kein Zweifel, dass es sich um meine handelte. Doch das machte nichts besser. Gar nichts.

Hektisch sah ich mich um. Konnte ich sie irgendwo verstecken? Wegwerfen?
Mein Blick fiel auf den Wagen. Wenn der Besitzer nicht wusste, worum es sich handelte, würde er versuchen es zu verkaufen. Ich zögerte. Niemand sollte wegen mir in Schwierigkeiten kommen. Aber ich, wenn möglich, auch nicht.

Ich musste die Kette loswerden. Es war ein Beweis-... Meine Zunge wurde von meinen Zähnen eingeklemmt. Das war die Kette meines Vaters... Meine letzte habhafte Erinnerung an ihn. Konnte ich sie wirklich wegwerfen, wie einen wertlosen Haufen Metall?

Nein.

Eine Bewegung im Augenwinkel ließ mich das verräterische Stück schnell in einen Ärmel stecken. Nur Wimpernschläge, bevor Constantin mich erreichte. Seine Haare waren zerzaust, nass und sein Atem ging stoßweise. Der aufwieglerische Ausdruck hatte sein Gesicht verlassen. War verdrängt worden von dem Ärger, mit dem er mich musterte.
„Was sollte das?" Er gab mir keine Zeit zu antworten. Den Kiefer aufeinandergepresst, packte er mich am Handgelenk.
„Wir gehen heim. Jetzt."

Oh, wie ich es hasste, wenn er in seinem Befehlston um die Ecke kam. Sei es der Schock oder die Kopfschmerzen, die mich leiteten, doch ich entwandte ihm meinen Arm und stieß ihn von mir.
Er würde das nicht verstehen, aber es musste sein. Mehr als noch davor.
„Constantin, ich muss gehen. Nicht nach Hause. Fort von hier. Du musst mich gehen lassen."
Wenn Dara Sarei wusste, dass ich hier war, würden wir bald ganz andere Probleme haben. Die Kette wog wie ein Zentner in meinem Ärmel.

Er hörte mir nicht richtig zu. Stattdessen griff einfach wieder nach meiner Hand und zog mich auf den Marktplatz hinaus. Dieses Mal wichen ihm die Leute aus, als spürten sie die Bugwelle, die seinem starren Ausdruck vorausging. Es hätte mich nicht gewundert, wenn seine Schritte den Boden erschüttert hätten.
„Du wirst hinter den Schlossmauern sicher sein."

Ich tat mir selbst weh, so heftig machte ich mich wieder von ihm los. Ich könnte ihn angreifen. Ein oder zwei gezielte Schläge und er wäre außer Gefecht... vielleicht würde ich es bis zu den Stadtmauern schaffen. Aber meine Hände gehorchten mir nicht. Der Regen fiel mir ins Gesicht und ich blinzelte gegen das Wasser an.
„Nein werde ich nicht! Und du auch nicht! Niemand ist sicher dort", wiederholte ich mich dieses Mal eindringlicher. Ich wollte es ihm erklären, wirklich. Aber ich konnte nicht.

Mein Ärger fand sein Spiegelbild in seinen Augen.
„Dann würde ich vorschlagen, du beeilst dich mit deinen Ermittlungen."

„Nein, du-..."

„Da seid ihr!", Sebastian tauchte hinter Constantin auf, „Die Mutter von Miss Vanna ist eingetroffen und ist außer sich."

Ich wollte, das Constantin zuerst wegsah. Ich wollte, dass er nur dieses eine Mal nachgab. Aber darauf konnte ich lange warten. Er starrte auf mich herab, als wäre ich nichts, als ein trotziges Kind. Fast erwartete ich geladene Blitze in der Luft.

Und auch Sebastian bemerkte dies. Belustigt verschränkte er die Arme vor seinem Brustpanzer, an dem die Tropfen herabrannen und beobachtete uns, bis ich es nicht mehr aushielt und mich zu ihm umdrehte.
Ich war nass, wütend und die Kette brannte gegen meinen Arm.
Mit der Erschöpfung der letzten Tage sagte ich zu ihm: „Bring mich weg von hier."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt