17- Der Inseluntergang ist nicht einmal mein größtes Problem

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„Was bei De-...", empörte sich einer der Höflinge, doch ich hörte nicht einmal das Ende seines Satzes.

Mit fliegenden Röcken stürzte ich aus dem Zimmer hinaus auf den Gang. Wenn sie jemand vor mir fand-... Es war nicht so sehr, dass sie die Kette mit mir in Verbindung bringen würden. Aber ich würde sie nie wieder zurückbekommen.

„Ma'am?", das Mädchen stand noch dort, einen Eimer mit Putzlappen an ihren Füßen, „Soll ich das Personal suchen lassen?"

Mein Kopfschütteln war eine Spur zu heftig, mein Blick zu rastlos. Sie beobachtete mich mit der Unsicherheit, mit der man sich einem wirren alten Mann näherte, der zu lange in den Pessel-Mienen von Keltar gelebt hatte.

Ich raffte mein Kleid und lief los.

Mein Tag hatte sich vom Frühstück in die Bibliothek und dann weiter in das Musikzimmer gezogen. Die Spuren meiner Schritte waren mir noch klar im Gedächtnis, doch die Kette blieb aus. Selbst als ich in mein Zimmer zurückkehrte wurde ich von perfekter Leere begrüßt.

Verdammt. Verdammt noch tausend Mal. Ich durchsuchte mein Bett, meinen Schrank und meine Schmuckauslage, meinem besseren Wissen zum Trotz. Ich hatte die Kette nie abgelegt. Ich hatte sie verloren.

Der Laut eines verwundeten Tiers schlüpfte aus meinem Mund, als ich kraftlos auf meine Bettkante sank.
Und was jetzt? Die Frage schnürte mir die Luft ab. Ich hatte sie verloren. Die Kette meines Vaters.

Langsam tropfend, wie ein undichter Wasserhahn wurde mir außerdem noch ein zweiter Fehler bewusst. Ich hatte dem Zimmermädchen gesagt, dass ich meine Kette suchte. Wenn jetzt jemand eine Ke-enische Kette finden würde, war es kein weiter Sprung, bis sie sich an mich erinnerten.

Auf Anhieb fiel mir nur eine Person ein, der ich ansatzweise genug vertraute, um ihn um Hilfe zu bitten. Caridad war nicht hier, aber Dara Sarei... Er war meine einzige Chance die Kette zu finden, bevor es jemand anderes tat.

Widerwillig erhob ich mich wieder und wollte gerade zur Tür laufen, als ein verhaltenes Klopfen durch mein Wartezimmer klang. Ich gefror mitten in der Bewegung.

Noch ein Klopfen, das von meinem Puls beinahe übertönt wurde. Als hätte ich keine Wahl, öffnete sich mein Mund und ich rief ein wackeliges „Herein". Was, wenn sie die Kette bereits gefunden hatten? Gotteslästerer wurden von dem Primus zum Tode verurteilt. Er würde den gesamten Zirkel aus dem Himmel holen.

Herein schob sich ein äußerst besorgt dreinblickender Fidei Defensor Holus, dessen dunkelgewandte Gestalt das Licht aus meinem Zimmer zog.
„Eure Hoheit?" Besorgt suchte er meine Gestalt nach einer Begründung für die stocksteife Haltung und die zitternden Hände ab.

Ich gab ihm keine.

Etwas ungemütlich trat er näher, doch der Ausdruck eines Verdachts nahm in seinen Augen Gestalt an.
„Ich habe gehört, Ihr fühlt Euch nicht wohl? Etwas, mit einer verlorenen Kette?"

Ich hatte zu viel Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Innerlich bebend, bat ich ihn zu einer kleinen Sitzgruppe und folgte ihm dorthin, verzweifelt bemüht mich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Hysterie war eine anerkannte weibliche Krankheit. Eine männliche Erklärung für die Unzufriedenheit eines unterdrückten Geschlechts. Ich war fest entschlossen ihm keine Angriffsfläche zu bieten.
„Es ist das Erbstück meines Vaters. Ich lege es sonst nie ab", hangelte ich mich an der Wahrheit entlang und rief nach Tee.

Fidei Defensor Holus nickte. Er sah auf dem hellgeblümten Stoff fehl am Platz aus, doch ich zwang mich zu einem unverbindlichen Lächeln. Normal handeln. Diplomatie. Das konnte ich.
„Sicher versteht Ihr, dass mich sein Verlust geschockt hat."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now