Als hätte jemand den Play-Knopf gedrückt, startete in meinem Kopf ein Film. „Er ist joggen. Plötzlich trifft er auf jemanden. Ein Freund. Ein Bekannter. Sie unterhalten sich kurz. Vielleicht umarmen sie sich zum Abschied." Ich erweckte meine Vorstellung zum Leben, indem ich auf Liam zuging und ihn umarmte. Ich hielt meine Finger, als würden sie eine Injektionsnadel umfassen und drückte sie unauffällig gegen Liams Rücken. Meine linke Hand simulierte dabei, das Zustecken eines kleinen Gegenstandes... einer Schachfigur. Ich ließ ihn los.

Liam stieg darauf ein. „Mir wird womöglich schwummrig." Er fasste sich mit beiden Händen an seinen Kopf. „Also beschließe ich, lieber mit dem Bus zurückzufahren. Der Bus hält und ich steige ein. Mir fällt etwas aus der Tasche. Ich sehe nicht nach. Es ist mir egal, ich möchte mich einfach nur setzten. Ich nehme Platz. Ich fühlte mich komisch. Ich möchte schreien, aber kein Ton verlässt meine Lippen."

Der Vorhang wurde geschlossen, die Vorstellung endete. Liams geweitete Pupillen starrten in die meinen.

„Also suchen wir jemanden, der nicht nur medizinisches Wissen besitzt, sondern auch noch Zugang zu Arzneimittel in tödlichen Mengen hat", sagte ich.

„Aber da ist noch etwas, dass ich rausgefunden habe", setzte mein Kollege an. „Alle Opfer waren in den vergangenen 6 Monaten für längere Zeit stationär im King's Hospital aufgenommen."

Ich fuhr mir durch die Haare. „Ein Arzt der tagsüber Menschen das Leben rettet und es ihnen nachts wieder nimmt?"

Liam zuckte mit seinen Schultern. „Klingt nach einem guten Film, wenn du mich fragst."

„Wir können nicht alle Ärzte durchleuchten, das dauert bestimmt Tage. Tage die wir nicht haben. Und nur diese zu befragen, die sich übermäßig mit ihren Patienten unterhalten ist zu risikoreich."

„Das stimmt, aber ich war fleißig." Liam ging zum Wagen. „In 20 Minuten trifft eine Zeugin im Revier ein. Sie stieg zusammen mit dem Opfer in jener Nacht, an derselben Bushaltestelle ein. Was er gesehen hat, hat sie vermutlich auch gesehen."

Ich sprang, von Enthusiasmus gepeitscht, in Liams Arme. Die erste heiße Spur.

Zurück auf dem Revier.
Die junge Frau saß bereits bei meinem Schreibtisch und wartete. Verloren wirkend, knetete sie ihre Finger, ehe sie sie zu ihrem Dutt bewegte, wo sie das Haargummi fester zogen.

„Hallo Mrs. Holloway", sagte ich, in möglichst sanfter Stimmlage, als ich mich auf meinen Stuhl sinken ließ. „Ich bin Sergeant Tomlinson."

„Sie können mich gerne Isabella nennen." Ich nickte und wollte bereits zu meiner Antwort ansetzten, als sie nochmals das Wort ergriff. „Warum bin ich hier? Habe ich irgendwo falsch geparkt?... Nein was rede ich da, ich habe doch nicht mal ein Auto. Oder überhaupt einen Führerschien", plapperte sie vollkommen durch den Wind drauflos.

„Beruhigen Sie sich, Isabella. Es ist alles in Ordnung", sprach ich ihr gut zu. „Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?"

Sie atmete tief durch. „Nein, danke."

Ich entschied, gleich zur Sache zu kommen. „Isabella, Sie sind vor ein paar Tagen, spät abends an der Lifertroad in einen Bus eingestiegen. Erinnern Sie sich daran?"

Sie nickte und schien ihre Ruhe wieder etwas gefunden zu haben. „Ja. Ich fahre jeden Abend mit dieser Buslinie von der Arbeit nachhause."

„So spät nachts noch?", fragte ich, während ich einen Block und einen Stift aus einer Schublade hervorkramte.

„Ja, ich arbeite als Rezeptionistin in einem Hotel, da kann es mal später werden."

Ich nickte es kurz ab. „Erinnern Sie sich vielleicht, ob am 30.04. noch jemand mit Ihnen an dieser Bushaltestelle stand?"

Sie zog ihre Augenbrauen zusammen und schien kurz in ihrem Gedächtnis nach einer Antwort zu kramen. „Ja. Da war ein Mann."

„Können Sie ihn kurz beschreiben?" Ich musste sicher gehen, dass wir von derselben Person sprachen.

„Hm groß, dunkles Haar, helle Augen... blau. Oh und er trug Sportkleidung", erwiderte sie, immer noch nicht vollständig aus ihren Gedanken wiedergekehrt.

„Ist Ihnen irgendetwas Komisches an ihm aufgefallen?" Isabella schien mit dieser Frage nicht viel anfangen zu können. Weshalb ich ihr einige Beispiele skizzierte. „Wirkte er vielleicht nervös, hat sich oft umgesehen, als würde er sich beobachtet fühlen? Oder machte er den Eindruck, als wäre er krank oder als würde ihm etwas fehlen?"

„Ich weiß nicht, es war schon sehr dunkel, ich konnte kaum meine eigenen Füße sehen. Ich fand es nur seltsam, dass er Sportkleidung trug, aber mit dem Bus fuhr."

„Okay." Ich hauchte meinen Kugelschreiber kurz an, als er nicht genügend Farbe abgab und notierte mir ihre Antworten. „Ist Ihnen vielleicht sonst noch etwas aufgefallen? War Jemand in der Nähe? Jede Kleinigkeit könnte wichtig sein, Isabella."

Sie begann nachdenklich auf ihrer Unterlippe herumzukauen. „N-nein, ich denke nicht."

Schnaufend drückte ich die Miene des Kugelschreibers wieder rein.

Isabellas Stimme Durchschnitt die Luft. „Moment, doch! Da war noch etwas. E-ein Hund. Ein freilaufender Hund."

Schachmatt || LarryWhere stories live. Discover now