Der rettende Gedanke

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Die wärmende Tasse mit dem Koffeingetränk in den Händen stand ich an der Küchenzeile gelehnt. Mein Blick starr geradeaus gerichtet, wo ich die kahlen, schwarz wirkenden, im Wind wiegenden Baumwipfel des Ecclestone Square Parks sehen konnte, ein leichter Nieselregen schlug gegen die Fensterscheibe. Mit der Tasse in den Händen ging ich in das angrenzende Wohnzimmer, mein Blick fiel auf den Brief von Lord Wellington.

Das schwere Papier war exakt gefaltet worden und lag deshalb im Zick-Zack vor mir, in ordentlicher Handschrift, mit dunkelblauer Tinte und dem Familienwappen obenauf – Zwei Löwen hielten das Schild der Familie Wellington, welches im unteren Dritte...

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Das schwere Papier war exakt gefaltet worden und lag deshalb im Zick-Zack vor mir, in ordentlicher Handschrift, mit dunkelblauer Tinte und dem Familienwappen obenauf – Zwei Löwen hielten das Schild der Familie Wellington, welches im unteren Drittel mit Wellen geschmückt war,die eine obere Hälfte nahmen drei Tudor-Rosen ein und die andere war mit drei übereinanderliegenden Stoffballen geschmückt. Und als reiche das nicht aus, thronte obenauf noch ein Rittershelm, dessen Federbusch in schwarz und gelb gehalten war, anders wie der Rest der sich in einem rot, blau und etwas goldgelb zeigte. Alleine aus diesem Wappen ließ sich die ganze Geschichte der Familie Wellington zusammenfassen: Ursprung hatte die Familie in Sachsen, sie kamen als Händler über den Ärmelkanal nach England, wo sie sich als Stoffhändler einen guten Namen machten. Sie wurden später Lieferant des englischen Hofes, während der Tudor-Dynastie geadelt und durchein glückliches Händchen haben sie es geschafft, sämtliche Epochen unbeschadet zu überstehen.

Nunja,jedenfalls beinhaltete der Brief eine Einladung zu einem Weihnachtsessen, für mich und einer Begleitperson. Letztes Jahr konnte ich mich noch irgendwie aus der Affäre ziehen, aber dieses Jahr – ich bezweifelte, dass der Lord eine erneute Absage so ohneweiteres hinnehmen würde. Aus der Anlage drang schon den ganzen Morgen ein Weihnachtslied nach dem Nächsten – am Anfang dachte ich, dass diese Art von morgendlicher Beschallung mir dabei helfen würde, wenigstens etwas wie Weihnachtsstimmung in mir hervorzurufen– aber Fehlanzeige. Dieses ganze Weihnachtsgehabe war doch nichts weiter als eine Farce, daraus ausgelegt, die Wirtschaft anzukurbeln und ein nicht vorhandenes Zusammengehörigkeits-Gefühl vorzugaukeln.Wieso sollte man einmal im Jahr so tun, als wäre alles okay – wenn es doch nicht der Wahrheit entsprach?! Und genau so etwas würde mich bei Wellington erwarten, die perfekte Weihnachts-Illusion.

„Wieso sollte ICH MIR DAS ANTUN?", gab ich meine Gedanken lauter als beabsichtigt kund und stellte die Tasse Kaffee etwas zu rabiat auf den Tisch ab, sodass einige Spritzer nun die Tischplatte bedeckten.In diesem Moment überkam mich der Gedanke, die Tasse samt Inhalt von der Oberfläche zu fegen, aber die ganze Arbeit, die das nach sich ziehen würde, hielt mich zurück. Stattdessen holte ich ein Tuch, um die Kaffeeflecken zu entfernen.

Danach bekam der Brief von mir einen bösen Blick zugeworfen, ehe ich meine Aufmerksamkeit der Anlage schenkte, ungeduldig stellte ich einen anderen Sender ein, auf dem keine Weihnachtslieder liefen. Aber es dauerte nicht einmal eine Minute, da wurde ich bereits eines besseren belehrt, nachdem der Moderator fröhlich verkündete, dass er allen Hörer und dessen Familien Frohe Weihnachten wünsche. Diese Aussage machte mich so extrem wütend, dass ich schließlich die Anlage ausschaltete und mich damit begnügte aus dem Fenster zu starren, der Regen wurde draußen immer stärker.

Nicht jedes Weihnachtsfest ist gleichWhere stories live. Discover now