4- Bekanntschaft mit der Zweitbesetzung

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„Der König..." Cladina nestelte an ihrem Rocksaum, den Blick fest auf ihre Füße gerichtet. Sie war mir nicht nach draußen gefolgt.

Ihr Zögern legte Steine in meinen Magen und vertrieb das geisterhafte Lächeln, das von alleine zu mit gekommen war. Hier ging doch mehr vor, als das mörderische Chaos, in das ich aufgewacht war.
„Was habe ich außer Caridads Tod noch verpasst?"

Sie wich meinem Blick aus.
„Es ist nicht an mir Kritik zu üben."

Pah. Ich wischte die Bemerkung aus der Luft.
„Sie können in meiner Anwesenheit frei sprechen. Ich bitte sogar darum, auch wenn Sie an jeden Satz ein Ma'am hängen."

Sie gab mir einen dieser Nicht-so-frech-junge-Dame-Blicke, die jede ergraute Frau perfektioniert haben musste, wollte sie tatsächlich als alt gelten. Irgendwo musste es dafür eine Schule geben, oder so.
„Es war nicht leicht ohne Ihren ... Einfluss auf den König", brachte sie schließlich heraus, doch ihr Ausdruck blieb gequält.

Constantin. Meine Mundwinkel fielen hinunter. Ich konnte mir nur zu gut ausmalen, wie er durch den Palast gewütet hatte. Für einen Mann, dem man die Diplomatie eines ganzen Zirkels anvertraute, fehlte es ihm nicht nur an dieser Fertigkeit, sondern darüber hinaus an Feingefühl, Geduld oder Verständnis. Dinge, die oft nur in seinen Dickschädel gingen, wenn man noch lauter brüllte als er. Oder ihm eine Klinge an die Kehle hielt.
„Ich werde mit ihm reden", erklärte ich deutlich selbstsicherer, als ich mich fühlte und hätte mich im nächsten Moment am liebsten selbst geohrfeigt.
Ich würde mit ihm reden? Blödsinn! Ich sollte von hier verschwinden so schnell ich konnte.

„Oh, sie haben ihn auf sein Zimmer gebracht, um seine Wunde zu verarzten. Niemand darf zu ihm, außer seiner direkten Familie. Die Königin hat es verordnet."

Ich drehte mich so ruckartig zu ihr um, dass die ältere Frau einen Schritt zurücktat, um keine Kopfnuss zu bekommen. Wie bitte?
„Und hier dachte ich, ich wäre die Königin."

Eine viertel Stunde und zwei Kleidungsschichten später stapfte ich durch die Gänge des Palasts.

Cladina hatte das Mieder derartig strammgezogen, dass ich den Verdacht hegte, sie befürchte, ich würde es direkt vor der Tür wieder verlieren.

Verließ man den Westflügel, der für Gäste und Diplomaten hohen Ranges vorgesehen waren, füllten sich die Flure und Musizierzimmer mit einer bunten Mischung an Höflingen, deren Reaktionen auf mein Erscheinen unterschiedlicher nicht hätte ausfallen können. Ich verzeichnete bis jetzt zwei Anfälle von Ohnmacht, drei Damen, die sofort wütend den Raum verließen, Linus Pinhad, der mir begeistert die Hand geschüttelt hatte und hin und wieder sogar eine angedeutete Verbeugung.
Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass ich zurückgekehrt war. Meine Zeit lief ab.

Vor dem Schlafzimmer des Königs empfing mich eine Traube aus unterschiedlichen Menschen, die alle auf etwas zu warten schienen. Zwei von ihnen erkannte ich als Männer aus dem Senatorenstab des Königs. Sie deuteten eine kleine Verbeugung an, ehe sie ihr geflüstertes Gespräch fortsetzten.
Ich kam ohnehin nicht wirklich zu ihnen durch, dank den Tüllwolken von vier Damen, deren Kleider den gesamten Flur ausfüllten und denen es unmöglich war näher beieinander zu stehen. Sie waren jünger als ich, aber mit derartig gelangweilten Gesichtern, dass ich selbst ein Gähnen unterdrücken musste.

Mit Ellenbogen und halb-genuschelten Entschuldigungen kämpfte ich mich zum Eingang der königlichen Gemächer durch und wurde prompt von der einzigen anwesenden Wache gestoppt.
„Sie müssen draußen warten, Eure Majestät. Die Königin und ihre Familie sind gerade beim König und wünschen keine Störung."

Das Königreich der Geheimnisse - Band 1Where stories live. Discover now