Kapitel 7

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Wieder so ein Traum. Kageyama steht vor mir und hebt langsam die Hände, um sie mir sacht um den Rücken zu legen. Er zieht mich an sich ran und ich lasse mich gegen seine starke Brust fallen. Ich schließe die Augen und lausche seinem lauten Herzschlag. Aber was war das für ein leises Geräusch, dass sich da in das regelmäßige, kräftige Klopfen mischt? Ein leises... ding? Langsam wird es immer lauter und verdrängt Yamas Herzschlag.
Nein! Bitte nicht aufhören! Rufe ich in Gedanken und kuschel mich enger an Yamas kräftigen Oberkörper. Doch dieser war nun kalt.
Gegen meinen Willen öffne ich die Augen und brauche einen Moment, bis ich wieder weiß, dass ich gestern auf dem Sofa eingeschlafen bin. Oder nein, halt, das war gar nicht gestern! Ich habe nicht einmal eine Stunde geschlafen!
Ding! Da war das Geräusch aus meinem Traum wieder. Jetzt erkenne ich auch, dass es sich dabei um die Klingel unser Haustür handelt. Dingding! Hört man die Klingel nun energischer und zweimal hintereinander. Kraftlos stemme ich mich in die Höhe und schleppe mich zur Tür.
"Meine Eltern sind nicht da und es ist gerade generell ein ziemlich schlechter Zeitp..." Ich breche schockiert ab, als ich durch die nun gänzlich geöffnete Tür sehe, wer da vor meinem Haus steht. Ich wusste nicht einmal, dass er überhaupt weiß wo ich wohne. Schnell stoße ich die Tür wieder zu. Das heißt, ich versuche es, doch sein Fuß ist schneller. Mit einem Selbstbewusstsein, welches ich von ihm gewohnt bin, stellt Kageyama diesen in die Tür, sodass ich sie nicht mehr schließen kann.
"Dann können wir ja ungestört reden", meint er bestimmt und drängt sich an mir vorbei in die Wohnung.
"Dein Zimmer ist oben, oder?", fragt er und geht ohne eine Antwort abzuwarten die Treppe hoch. Total perplex stolpere ich hinter ihm her. Eigentlich müsste ich ihn aus meinem Haus werfen. Ein Teil von mir möchte das auch, doch die Vorstellung, dass mein Schwarm gleich mein Zimmer betritt und es sich dort bequem macht, raubt mir fast den Verstand. Ich zeige ihm also den richtigen Raum, indem ich die Tür öffne, eintrete und mich leise auf mein Bett sinken lasse. Das leichte absenken der Matratze verrät mir, dass er sich neben mich gesetzt hat. Erneut: Ich müsste ihn wegjagen. Seine Anwesenheit tut mir nicht gut, doch er in meinem Zimmer und in meinem Bett! Sein Geruch füllt meinen Raum aus und bleibt an meinem Bettbezug hängen. Ich werde hier ganz bestimmt nie mehr lüften!
Als ich glaube, dass ich jeden Moment die Beherrschung verliere und entweder rausrennen, oder ihn berühren muss, fängt er an zu reden.
"Wir müssen reden.", eröffnet er.
"Ähm..wenn es um das Handtuch geht, ich..."
"Welches Handtuch?"
Oh shit. Jetzt habe ich mich verraten. Mein Kopf wird knallrot und ich bemerke, wie schon wieder Tränen in meine Augen steigen. Was macht dieser Typ nur mit mir!?
"Ich bin hier um mit dir über unseren Streit zu reden. Ich... möchte ihn gerne... beenden"
Ich merke, wie schwer es ihm fällt den ersten Schritt in Richtung Frieden zu gehen. Kein Wunder, bei seinem Stolz. Ich bin überrascht und zum ersten Mal seit er hier ist sehe ich ihn an. Er sieht müde aus.
"Ich... ich möchte auch keinen Streit. Außerdem leidet unser Spiel darunter."
"Sagst du mir dann endlich, was dein wahres Proben ist? Ich bin es ja scheinbar doch nicht, sonst hättest du mich nicht reingelassen"
Wie unrecht er doch hat. Er ist wirklich mein Problem. Aber anders, als er denkt.
Ich schüttele den Kopf.
"Wow, nach allem vertraust du mir so wenig!? Ich habe wirklich gedacht, du willst den Streit beenden. Und ich habe wirklich gedacht, dass wir Freunde wären. Aber scheinbar siehst du das anders. Verdammter Idiot!" Wütend steht er auf und möchte gehen. So verletzt und sauer habe ich ihn noch nie erlebt.
"Nein... Y-Yama, bitte... bleib hier!", rufe ich kraftlos hinter ihm her.
"Erzählst du mir dann endlich die Wahrheit?"
"Das... das kann ich nicht" Betroffen blicke ich zu Boden.
"Du kannst nicht, oder du willst nicht?", faucht er mich an.
"Ich will es dir doch sagen, aber es geht nicht. Ich kann es nicht."
Wortlos nickt er und dreht sich um.
"Nein, Yama!", rufe ich nun mit etwas mehr Kraft und renne ihm nach. Er dreht sich um und schaut mich erwartungsvoll an. Mein Herz rast, als ich ihm direkt in seine tiefen, blaugrauen Augen schaue und ich kämpfe damit, mich nicht in ihnen zu verlieren.
"Ich habe ein Problem, ja. Und ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich bin im Moment ziemlich damit überfordert und solange ich es selbst noch nicht richtig einordnen und verarbeiten kann, fühle ich mich einfach nicht dazu in der Lage, darüber zu reden." Ich schlucke schwer und versuche die Tränen in meinen Augen zurückzuhalten.
"K-kannst du mir noch ein bisschen Zeit geben?"
Kageyama sieht mir eine Weile in die Augen und als ich denke, ich könnte es nicht länger ertragen, senkt er den Blick. Seine Wut scheint verflogen zu sein, stattdessen sehe ich etwas anderes in seinen Augen. Sind das etwa...
"Verdammt, Hinata! Ich mach mir doch einfach nur Sorgen um dich..." sagte er ungewöhnlich ruhig. Plötzlich passiert etwas, womit ich niemals gerechnet hätte. Er beugt sich nach vorne, legt die Arme um mich und zieht mich zu sich ran. Vor Schock versteife ich mich erst einmal komplett, doch dann entspanne ich und lasse mich einfach in die Umarmung fallen. Ich kann meine Tränen nicht mehr zurückhalten, spüre, wie sie mir über mein Gesicht laufen. Seine Umarmung wird fester und ich heule ungehindert in seine Brust. Ich schäme mich nicht dafür, es musste schon seit Ewigkeiten raus. Ich höre seine Stimme, die mir gut zuredet und seine Wärme und sein Geruch spenden mir Trost. Ich weiß nicht, wie lange wir so da stehen. Es könnten 2 Stunden gewesen sein, vielleicht sind es aber auch nur 20 Minuten gewesen, die ich nun schon so in seinen starken Armen verbringe. Irgendwann mittendrin sind wir zurück in mein Zimmer gegangen, wo ich bis jetzt dich an ihn geschmiegt weine. Es tut so gut, das Alles einmal loszulassen und noch besser tut es, seine Nähe zu spüren.
"Du bist wirklich ein Idiot", flüstert er, "So viel Frust in einem so kleinen Körper. Und anstatt es herauszulassen, drängst du es immer weiter in dir zusammen. Kein Wunder, dass du irgendwann mit den Nerven am Ende bist."
Langsam spüre ich, wie ich ruhiger werde. Dann wird mir erst einmal richtig bewusst, dass ich immer noch in den Armen meiner großen Liebe liege. Mein sowieso schon erhöhter Pulz wird mindestens doppelt so schnell und obwohl ich am liebsten niemals wieder loslassen würde, löse ich mich halb aus seinem Griff. Damit nicht mehr die Möglichkeit besteht, dass er meinen Herzschlag womöglich durch unsere Kleidung hindurch spüren könnte.
"Geht es wieder?", frag er ungewöhnlich sanft.
Ich nicke und wische mir mit dem Handrücken über die Augen.
Ich hebe leicht den Blick und sehe Yama in diese Augen, welche mich sofort wieder in ihren Bann ziehen. Er hält mich immernoch halb fest und ist so nahe, dass eine kleine Bewegung ausreichen würde, um meine Stirn an seine zu legen. Oh wie gerne würde ich genau dies jetzt tun! Ich fühle mich wie elektrisch angezogen, eine Spannung ist in mir, welche mich mit aller Kraft zu ihm hinzieht. Ich möchte meine Arme um ihn legen. Ich möchte sein Gesicht und seine Haut unter meinen Händen spüren, mit meinen Fingern seine Gesichtszüge nachfahren. Ich stelle mir vor, wie weich seine Haare sich anfühlen und wie sie frisch nach Shampoo duften. Ich versinke in dem Blau seiner Augen und sehe ganze Welten darin liegen. Ich möchte diesen Augen noch viel näher sein. Ich sehe seine Lippen zwar nicht, doch ich weiß, dass sie da sind. Fast direkt vor mir. Ich möchte ihn küssen. Oh, wie sehr ich das möchte! Sein Atem streicht sanft über meine Nase. Er riecht nach Pfefferminz mit einem Hauch Zitrone. Ich halte es kaum aus, so sehr fühle ich mich zu ihm hingezogen. Mit aller Macht verhindere ich, ihm einfach meine Lippen aufzuzwingen, doch ein kleines Stück komme ich seinem Gesicht näher. Als könne er Gedanken lesen, kommt auch er mir etwas näher. Das ist ein gutes Zeichen, oder? Wir halten immer noch fest Blickkontakt.
"Hi-Hinata", flüstert er, dann bewegt er sich die letzten Zentimeter zu mir hin und ich schließe genau in dem Moment die Augen, in dem seine seidenweichen Lippen die meinen berühren. Leicht streichen die beiden ungleichen Paare übereinander, lösen sich und finden direkt darauf wieder zueinander. Sanft wie Sakurablätter berühren sie sich immer und immer wieder und werden dabei fester. Das ist das schönste Gefühl, das ich jemals zuvor erlebt habe. Am liebsten möchte ich, dass es niemals wieder aufhört.
Verträumt schmiege ich mich enger an ihn und spüre, wie auch er seine Arme fester um meine Taille schlingt. Es ist einfach großartig!
"Wow", hauche ich. Doch als wir uns voneinander lösen damit wir Luft holen können, wird der Zauber plötzlich gebrochen. Mit einem Mal kommt ein undeutbarer, fester Ausdruck in seine Augen. Sofort springt er auf und entfernt sich ein paar Schritte.
"Wa-was tun wir hier!? Was tue ich hier!?" Er wirkt gehetzt, als er mich ungläubig anstarrt.
"Nein, das... das darf nicht sein...", sagt er mehr zu sich selbst, als zu mir und in meinem Herzen zerbricht eine Welt.
"Ich... muss hier weg", murmelt der dunkelhaarige Junge mit den blaugrauen Augen, dreht sich um und verschwindet.
Bis ich aus meiner Schockstarre aufgewacht bin, ist er bereits fort. Was war das denn gerade?! Was immer es war, es tut weh. Höllisch weh. Ich renne ins Wohnzimmer zu meinem Handy.
Yama! Bitte komm zurück, ich liebe dich!!
Tippe ich ein, doch lösche diese Nachricht sofort wieder. Er ist weg und ich kann für den Moment nichts daran ändern.
Mit wieder einmal feuchten Augen (was ja in letzter Zeit zum Gewohnheitszustand geworden ist) sinke ich auf dem Sofa zusammen und vergrabe meinen Kopf in seinem Handtuch. Nein, das reicht nicht! Der Geruch kommt mir plötzlich schal und falsch vor. In keiner Weise zu vergleichen mit dem wundervollen Duft des echten Kageyamas. Ich versuche mein gebrochenes Herz mit Schlaf zu betäuben, doch es funktioniert nicht. Ich bin hellwach, obwohl es draußen bereits dunkel ist. Und meine Gedanken drehen sich nur um Eines: Yamas wunderbar sanfte Lippen.

KageHina: Ein Berg voller Gefühle Where stories live. Discover now