Kapitel 28

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Arthur hielt mir die Tür auf, als wir auf die Station zurückkehrten.

»Dankeschön«, murmelte ich, als ich an ihm vorbei in den Gruppenraum glitt. Es war merkwürdig dunkel, als hätte die Sonne vergessen, dass eigentlich bald der Frühling beginnen sollte.

Ich hatte den Winter schon immer gemocht, doch die Dunkelheit, die mit ihm einherkam, hatte sich in den vergangenen Monaten nicht gerade positiv auf die Gemüter der anderen Patienten ausgewirkt. Selbst normale Menschen verfielen oft in Winter-Depressionen, davon hatte mir Alvin erzählt. Seine Großmutter hatte seit seiner Kindheit jährlich wiederkehrende Tiefphasen gehabt, die in der Neujahrszeit gipfelten. Von seinen Eltern hatte er nie erzählt, sie mit keinem Wort erwähnt.

Ob er wohl demnächst zu mir stoßen und die Station wechseln würde?

»Bitte.«

Wir hatten den gesamten Rückweg von der Kunsttherapie über geschwiegen und allein diese fünf Buchstaben schienen ihn eine unglaubliche Überwindung zu kosten. Er war schon immer schweigsam gewesen, hatte nie viel von sich preisgegeben, doch seit er aus dem Therapieraum herausgetreten war, schien sich eine noch erdrückendere Decke der Stille über ihn gelegt zu haben.

Vielleicht wollte er nicht mit mir reden.

Vielleicht hatte ich ihn in vorherigen Gesprächen genervt.

Vielleicht machte ich mir aber auch nur viel zu viele Gedanken.

All diese Dinge waren möglich und dass ich überhaupt kein Zeichen, keine leichte Tendenz von ihm bekam, ließ mein Herz zusammenkrampfen.

»Möchtest du noch was zusammen machen?«

Es passierte selten genug, dass ich den ersten Schritt machte, wenn es um soziale Interaktionen ging. Dass meine Stimme dabei auch noch so fest und selbstsicher klang, war eine regelrechte Rarität.

»Ich bin müde. Und ich will alleine sein.«

Arthur schaute mich nicht einmal an, winkte nur kurz und stapfte in Richtung seines Zimmers.

Okay.

Ich lächelte, während ich ihm hinterherblickte, spürte aber die tausend Stecknadelspitzen, die sich in mein Herz bohrten. Wenigstens war er ehrlich, ich sollte ihm seine Antwort nicht übelnehmen.

Seine Zimmertür fiel hinter ihm ins Schloss und ich blieb in Stille zurück.

Schon wieder.

Evelyn hatte gerade Einzeltherapie, von Zaara hatte ich noch nichts gehört und die Betreuer befanden sich in einer Besprechung. Ich war komplett allein.

Plötzlich kribbelte es in meinen Fingern. In der Woche, die ich jetzt schon hier war, hatte sich etwas anders angefühlt, fast als hätte ich etwas Wichtiges vergessen. Und es lag nicht an den neuen Mitbewohnern oder der fehlenden Sam.

Der Blumenstrauß.

Ach du Scheisse.

Mir war gar nicht aufgefallen, wie meine Füße sich in Bewegung gesetzt hatten, doch auf einmal sprintete ich in Richtung meines Zimmers. Die Schlappen, die wir auf der Station tragen sollten, klatschten rhythmisch gegen den Zuckergussboden und brachten mich ins Straucheln. Nicht hinfallen.

Er war doch schon vertrocknet und somit noch zerbrechlicher gewesen. Eigentlich hatte ich ihn sofort beim Ausräumen meiner Kleidung aus dem Koffer nehmen wollen, aber da war die Aufregung mit Zaara einfach zu viel gewesen und ich hatte es vergessen. Einfach so.

Wie viele Nächte hatte ich schon hier verbracht? Fünf? Sechs?

Die Luft in meinem Zimmer war stickig. Zaara hatte vergessen, die Fenster auf Kipp zu stellen, und tausende Staubpartikel in meinem Rachen festsetzten und mir das Atmen erschwerten. Wie kleine Federn kitzelten sie meine Luftröhre. Ich musste immer wieder husten, doch mein Fokus lag auf dem Kleiderschrank, in dessen unterstes Fach ich meinen Koffer geschoben hatte.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 04, 2020 ⏰

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Ein Blumenstrauß an HoffnungsschimmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt