20. Konfrontation

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Valeries Point of View:

"Was macht ihr eigentlich über Weihnachten?", fragte Mia beiläufig, während sie lustlos in ihrem Essen herumstocherte.

Der Koch hatte heute wohl beschlossen, an Gewürzen zu sparen und so schmeckte das Curry einfach nur dröge und langweilig. Ich hatte meinen Teller trotzdem schon notgedrungen aufgegessen, weil Lucy sich darum sorgte, dass ich in dieser schweren und stressigen Zeit nicht genug aß. Und sie hatte ja auch Recht - ich tendierte nicht zu Frustessen, wie zum Beispiel Jase, sondern aß wenn es mir nicht gut ging einfach so gut wie gar nichts, was natürlich nicht gesund war. Sonst war ich eigentlich immer hungrig und aß leidenschaftlich gerne, aber Stress und Trauer setzten bei mir jeglichen Appetit außer Kraft.

Lucy hatte im Gegensatz zu Mia und mir Nudeln genommen und mampfte dementsprechend fröhlich vor sich hin. "Sam und ich fahren nach Hause, um erst meine und dann seine Familie zu besuchen", erklärte sie dann, nachdem sie aufgekaut hatte. "Und was ist mit dir?"

"Ace und ich fliegen über Weihnachten nach Deutschland zu meiner Familie", berichtete Mia und kriegte dabei ganz leuchtende Augen.

Mir wurde ganz warm ums Herz, als ich die Vorfreude in ihren Augen glitzern sah, denn ich wusste, dass sie ihre Familie oft vermisste. Eine Entfernung von über tausend Kilometern zu den Eltern und Geschwister war für einen Familienmensch wie Mia eine ziemlich große Belastung. Gerade am Anfang war es für sie deshalb schwer gewesen, sich hier in Amerika einzuleben, aber Ace und ich hatten unser bestes getan, für sie da zu sein und so hatte sie schnell Anschluss an unseren Freundeskreis gefunden.

Mittlerweile konnte ich mir auch gar kein Leben ohne Mia in Amerika vorstellen, es war einfach toll, meine beiden besten Freundinnen immer um mich zu haben, gerade in schwierigen Zeiten wie diesen.

"Und was machst du über Weihnachten?", wendete sich Lucy dann an mich.

Ich stieß einen leisen Seufzer aus und ein bedrückendes Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Über diese Frage hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, denn jetzt wo Dylan und ich offiziell eine Beziehungspause machten, konnten wir wohl kaum zu seinen Eltern fahren und dort Weihnachten feiern, als wäre nie etwas gewesen.

Ich hatte kurz überlegt, ob ich einfach auf eigene Faust nach Deutschland zu meiner Familie fliegen sollte, aber bei dieser Idee hatte ich sofort ein schlechtes Gewissen gegenüber Dylan bekommen. Es war nicht fair, einfach vor unseren Problemen wegzurennen, sondern früher oder später müsste ich mich damit wirklich auseinandersetzen, obwohl ich bis jetzt alles vor mir herschob und versuchte an nichts, das damit zusammenhing, zu denken. Denn wenn ich nicht daran dachte, dass Dylan mich mit Jacky betrogen hatte und jetzt sogar vermutlich einen Sohn hatte, dann tat es auch gar nicht so sehr weh.

Dementsprechend hatte ich die letzten Tage alles getan, um mich abzulenken und war fast die ganze Zeit unterwegs gewesen. Vor allem Milan war mir dabei eine große Hilfe gewesen, denn er brachte mich mit seinen Witzen immer auf andere Gedanken.

"Ich weiß es noch nicht", antwortete ich deshalb. "Ich muss erstmal abwarten, wie sich das mit Dylan und mir entwickelt."

"Das kann ich verstehen", sagte Lucy mitfühlend und lächelte mich sanft an. "Aber bevor du alleine hier in Philly bleibst, da nehme ich dich dann mit zu meiner Familie, die freuen sich sicher."

Ich nickte als Antwort nur, obwohl ihr liebes Angebot mir echt unglaublich viel bedeutete, aber der Kloß in meinem Hals machte mir das Sprechen schwer. Energisch biss ich mir auf die Lippe, um die aufkommenden Tränen zurückzuhalten.

So hatte ich das alles nicht geplant. Warum musste ausgerechnet kurz vor Weihnachten - dem Fest der Liebe - alles bei Dylan und mir auseinanderbrechen?

The American DreamWhere stories live. Discover now