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Sarah Alyssa Jones rückte die runde Hornbrille ein Stückchen weiter den Nasenrücken hoch. Der rote Kordrucksack drückte unangenehm an ihren Schultern und den hervorgehobenen Schlüsselbeinen so. ,Hast du da Zement drin?' hatte ihr Vater gewitzelt als er das Teil vom Küchentisch gehievt hatte. Sarah hatte nur schwach gelächelt und ihm den bis oben mit Büchern befüllten Rucksack entwendet. „Das sagst du jedes Jahr." „Aber diesmal meine ich die Frage ernst, Sasiche, der ist schwerer als mein Fleischwolf." Immer noch hatte er das gutmütige Grinsen auf den Lippen, dass Sarah immer so wütend machte. Ihr Vater war Metzger und benutzte seit sie klein war eine scharfe italienische Bratwurst als ihren Kosenamen, was sie in dieser Situation auch nicht besänftigt hatte. Im Gegenteil: Augenrollend war sie aus der Küche gestapft und stand nun seit einer Viertelstunde schon vor dem kleinen Spiegel im Flur und versuchte die richtige Position für die Brille auf ihrer Nase auszumachen. Weiter oben ließ sie zu brav aussehen, weiter unten wie eine überstrenge Direktorin. Sarah durfte es diesmal auf keinen Fall wieder vermasseln. ,Der erste Eindruck ist der wichtigste' war noch eine der Redewendungen, die ihr ihr Vater Schuljahr für Schuljahr im Gehen zurief. Und Schuljahr für Schuljahr war es in der Tat: Nur einmal in Sarahs Leben war sie länger als genau ein Jahr an einer Highschool geblieben, bevor ihr Vater wieder voller Eifer die Umzugskisten gepackt hatte, weil er in einem neuen Bundesstaat DIE Chance für ein laufendes Geschäft gewittert hatte. Erfolg hatte der Fleischverkäufer bis jetzt jedoch eher wenig gehabt, auch wenn noch so viele angeblich EINMALIGE Möglichkeiten ihren Vater ständig in neu entfachte Euphorie stürzten. Diesmal war es Los Angeles. Auch wenn Sarah nicht wirklich an den versprochen Metzgerei-Boom glaubte, von dem ihr Vater unentwegt schwärmte, war sie erleichtert. Nur noch dieses Mal. Das war das letzte Jahr der Highschool, danach würde sie aufs College gehen, ohne weiterhin von ihrem Vater und seinen aberwitzigen Fantasien quer durchs Land geschleppt zu werden. Nur noch einmal die Neue sein. Nur noch einmal der Freak mit der schief auf der Nase sitzenden Hornbrille, der keine Freunde hat. Daran versuchte Sarah festzuhalten, als sie aus der Tür trat. Den gelben Schulbus sah sie bereits an der nächsten Straßenecke stehen. Auch wenn die meisten in ihrem Alter mittlerweile mit eigenen Autos fuhren, waren ihr die rissigen, versifften Ledersitze in den gelben Straßendampfern neben vorpubertären Raufbolden lieber, als der Fleischertruck ihres Vaters, der schon von weitem nach alter Salami roch und auf dessen Seite der abgeblätterte Aufdruck eines Schweins am Spieß prangte.
„Sasiche!", kam es von hinten, als Sarah gerade die Tür schließen wollte, „du hast das wichtigste vergessen." „Dad, jetzt nicht, der Bus ist schon da." „Ach komm, lass dich drücken." Er zog sie zu sich und gab ihr einen Schmatzer auf die Stirn. „Und vergiss nicht, der erste Eindruck ist der wichtigste!" Sarah hörte sich genervt aufstöhnen. Ihr Vater grinste sie breit an. Das gleiche Grinsen mussten wohl auch die etlichen Geschäftsberater ertragen, überlegte sie sich. Sarah dreht sich wieder zur Straßenecke um. Doch wo war der Bus? Panisch dreht sie sich nach rechts und links, versuchte die Straße so gut wie möglich einzusehen. Doch der gelbe Schulbus war nirgends zu entdecke. Sie blickte zu ihrer Armbanduhr. Zwei Minuten nach halb acht. Sie hatte den Bus verpasst. Wütend drehte sie sich zu ihrem Vater um, der nur mit den Achseln zuckte und dann, noch wütender, zum Fleischertruck in der Einfahrt. „Ich laufe.", grummelte Sarah und stampfte erbost durch das Gartentor ohne sich noch einmal umzudrehen. Sicher würde sie zu spät kommen und alle in der Klasse würden sie anstarren. Das wars dann auch schon wieder mit dem guten ersten Eindruck, dachte sie kopfschüttelnd. Sie begann zu joggen. Der Rucksack schmerzte und sie wusste, dass sie komplett verschwitzt in der Schule aufkreuzen würde. Plötzlich hielt einige Meter vor ihr ein schwarzes Cabrio am Straßenrand. Sarah joggte weiter, drehte sich kurz nach links, nahm Notiz von dem Jungen, der hinterm Steuer seine Sonnenbrille in die wuscheligen braunen Locken schub und blickte dann wieder auf ihre abgelaufenen Turnschuhe.
„Hey Schatzi!" Wahrscheinlich holte der Typ gerade seine Freundin ab. „Bleib doch mal stehen!" Verwundert verlangsamte Sarah ihre Schritte. Das schwarze Cabrio kam wieder neben sie gefahren. „Lust auf ne Spritztour?" Der Fahrer des Wagens setzte sich bei dem Satz die Sonnenbrille wieder auf die Nase und klopfte ermunternd auf den Beifahrersitz. Sarah senkte den Blick. „Ich muss zur Schule.", murmelte sie und machte Anstalten weiter zu marschieren. „Verstehst du den keine Witze? Was glaubst du wie oft hier Leute entlang sprinten, die das gelbe Ungestüm da verpasst haben. Komm spring rein ich, nehm dich mit." Er grinste mit perfekten Zähnen und auf seinen Wangen bildeten sich kleine Grübchen. „Na was ist?", fragte der Junge wieder und erst da fiel Sarah auf wie sehr sie gestarrt haben musste. „Palmtree Highschool?", krächzte sie und räusperte sich direkt. Der Junge schnalzte mit der Zunge und nickte zu dem Sitz neben ihm: „Na sicher, los geht's." Sarah zögerte. Ihr war unwohl in das Auto einzusteigen, aber gleichzeitig brannte die Sonne auch so früh am Tag ihr unangenehm auf den Kopf und zurück gehen und den Truck nehmen wollte sie auf keinen Fall. Zaghaft zog sie am Türgriff und stieg auf den Beifahrersitz. Er streckte ihr eine Hand entgegen.
Sarah ergriff sie. Sie war angenehm warm und rau. „Ich bin Brian." Als er den Kopf senkte, erhaschte sie von oben einen kurzen Blick auf die meerwasserblauen Augen, die hinter den spiegelnden Sonnenbrillengläsern versteckt waren. „Sarah.", erwiderte sie. Brian startete erneut den Motor und steuerte auf die nächste Kreuzung zu. „Also Sarah, Lust auf ein Spiel?"

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⏰ Ultimo aggiornamento: Sep 02, 2019 ⏰

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