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"Ich meine, ich habe mich ja nur gefragt, wie es wäre wenn ich berühmt wäre. Und dann fiel es mir ein: Der erste Schritt zu diesem Traum ist, dass ich das Studium abbrechen muss." Er sieht uns grinsend und mit leuchtenden Augen an.

"Ich frag mich echt wie du so etwas dummes gebären könntest!" Ich sehe kopfschüttelnd zu unserer Mutter die ein leichtes schmunzeln nicht verhindern kann. "Linda! Sag so etwas bitte nicht.", fährt sie mich lasch an. Aber sie weiß genauso gut wie ich, dass mein Bruder einfach nur der dümmste Typ weit und breit ist.

Und genau so dumm, sieht er jetzt zu mir. "Du willst also die Schule abbrechen? Du kannst doch überhaupt nicht singen.", stellt mein Vater gelangweilt fest und schaufelt den Eisbergsalat in seinen Mund.

"Singen ist nicht rappen, mein werter Herr Vater! Außerdem kann ich beides sehr gut. Ihr habt mir ja nie zugehört.", beschwert sich Felix. Er stützt seine Arme auf den weißen Tisch und schnaubt verächtlich aus.

"Es war eine Vision. Ich habe es genau vor mir gesehen. Ich, auf der Bühne. Schreiende und weinende Mädchen mit wunderschönen weichen Haaren. Sie himmeln mich an und träumen von liebevollen Stunden nur mit mir."

Ein dumpfes Lachen platzt aus mir heraus. Meine Eltern schütteln gleichzeitig verständnislos mit dem Kopf. "Keine Sorge Leute. Jungs im Alter von 10 bis 14 Jahren haben halt diesen Traum. Das ist ganz normal!" Wir lachen. Alle bis auf Felix natürlich.

"Ich bin 19, du Hohlkopf!", entgegnet er mit zusammen gekniffen Augen. Ich lasse meine Gabel fallen und massiere demonstrativ meine Schläfen.

"Ach echt? Vielleicht ist dein Körper schon ein wenig gereift und hat hier und da ein paar Häärchen. Aber vom Gehirn her kannst du nicht auf der Höhe eines 19 jährigen sein. Selbst ein 8 jähriges unterentwickeltes Mädchen hat mehr Verstand als du jemals haben wirst!" Ich muss über seinen beleidigten Flunsch tatsächlich grinsen.

Meine Eltern wissen ganz genau wie viel Recht ich mit dem habe, was ich sage. Sie sprechen einfach nur nicht aus, dass mein Bruder so wirkt als wäre er von ihnen adoptiert worden. Wobei mir meine Mutter heimlich immer zuflüstert, dass Papa genau so war, beziehungsweise immernoch ist.

"Du bist doch nur neidisch! Aber ich kann es ja verstehen, Dummchen. Ich hab zu viel Talent von dem Universum bekommen. Und natürlich viel zu gutes Aussehen. Und du, du hast von alle dem einfach echt wenig erhalten."

Sein fettes Grinsen und seine vollkommen verdrehte Selbsteinschätzung, veranlasst mein Gesicht wieder diese Falten zu erzeugen. Meine Eltern haben sie irgendwann entdeckt und sie Felifalten getauft. Feli, wegen Felix und Falten- ist schon einleuchtend.

"Das Universum hat dir höchsten zu wenig Gehirnzellen und Mundgeruch geschenkt.", erwidere ich und stopfe mir die letzten Essensreste in den Mund. Meine Eltern entgegnen ein Lachen, was mich ziemlich stolz macht. Auch wenn mich Felix zu Tode nervt, bin ich ihm tatsächlich dankbar.

Dankbar dafür, dass er mich ablenkt. Es sind gerade einmal vier Stunden vergangen seit dem ich Nicolas auf dem Dach unserer Schule begegnet bin. Seit diesen vier Stunden versuche ich so gut es geht, das flaue Gefühl im Magen zu unterdrücken.

Und Felix hirnrissige Vorstellung von einer Rapkarriere, heitert mich wenigstens ein bisschen auf. "So jetzt ist genug beleidigt worden. Felix du räumst den Tisch bitte heute ab, ja?", sagt meine Mutter schmunzelnd. Dafür liebe ich sie.

Mit rumgenörgele geht Felix der Anweisung nach. Während er die Teller in die Spülmaschine stellt redet er wütend mit sich selbst. "Du armer kleiner gekränkter Rapper. Ach wie willst du dich eigentlich nennen? MC Feli Freak 01?"

Ich lache boshaft und mustere meinen grimmigen Bruder, der gerade die Spülmaschine bedient und anstellt. "Nur weil du kein Talent und keine Freunde hast, die dir sagen wie toll du bist? Geh doch lieber dich wieder in dein Zimmer verkriechen und deine komischen Bücher lesen."

Halt mich festWo Geschichten leben. Entdecke jetzt