Kapitel 3

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"Alexander?! Was machst du denn hier?"

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Der Blick der älteren Person schweifte von Alec zu mir und er betrachtete mich aus grauen Augen, die mich an den zugezogenen Himmel von draußen erinnerten. " Du bist mit einem Mädchen unterwegs? Na wenn das mal nicht unge-", mitten im Satz hörte er zu sprechen auf, fokussierte mich und machte einen Schritt auf mich zu.
Der Blick aus seinen grauen Augen wurde noch intensiver und er musterte mich gründlich. Dasselbe tat ich bei ihm, trat dabei jedoch einen Schritt zurück. Dieser Junge war auf jeden Fall älter als Alec, auch wenn ich nicht sagen konnte wie viel älter.
Eigentlich konnte man ihn gar nicht mehr als Jungen bezeichnen, er war eher ein Mann. Wenn auch ein junger Mann.
Seine blonden Haare waren zur Seite gekämmt und aufgrund des Regens klebten sie ihm am Kopf. Sein Gesicht schien makellos. Er hatte hohe, scharfe und gleichmäßige Wangenknochen, eine gerade Nase und keinerlei Verunreinigungen wie es sonst bei Leuten in seinem Alter üblich war. Er trug schwarze Schuhe, eine schwarze Jeans und eine ebenfalls schwarze Jacke. Trotz der Jacke konnte ich sagen, dass er einen gut durchtrainierten Körper hatte. Ich musste ja schon erwähnen, dass Alec gut aussah (wenn auch auf eine... süße Art und Weise), doch dieser junge Mann war auf eine andere Weise gutaussehend. Wenn ich bei Alec sagen würde, dass er ein Mädchenschwarm ist, müsste ich bei ihm hier sagen, dass er ein Frauenheld war. Außerdem strahlte er etwas Besonderes aus, was ich nicht wirklich identifizieren konnte. Es war wie eine Art Aura.
"Und, habe ich bestanden?", fragte er schmunzelnd, als ich meine Musterung beendet hatte. "Und was ist mit mir?", antwortete ich mit einer Gegenfrage, was ihn dazu veranlasste mir seine Hand entgegen zu strecken. "Du bist mir sympathisch.", sagte er gerade heraus. "Ich bin Raymon. Schön dich kennenzulernen..."
"Elaine.", sagte ich mit einem Lächeln auf den Lippen und ergriff seine Hand. Sobald ich seine Haut berührte, breitete sich von dieser Stelle ein kühles Gefühl aus. Es war nicht unangenehm, nicht kalt sondern erfrischend.
Es erinnerte mich an einen Nieselregen, der sanft die Haut der Menschen liebkoste. Je länger der Hautkontakt andauerte, desto öfter änderte sich das Bild in meinem Kopf. Am Ende blieb das Bild eines mächtigen Wasserfalls.

Da zog er seine Hand zurück und schaute ohne große Mühe über meinen Kopf hinweg. Dann winkte er jemanden zu sich, was mich dazu veranlasste, mich umzudrehen. Die andere Person, die von der Größe her etwas kleiner war, was jedoch bedeutete, dass sie noch immer gut einen Kopf größer war als ich, streifte sich gerade die Kapuze vom Kopf. Wie bei Raymon konnte man nicht sagen, dass er ein Junge war. Er war etwas zwischen Junge und Mann, mit Tendenz zum Jungen.
Er fuhr mit der Hand durch seine schwarzen, kurzen Haare, die durch die Nässe glänzten.
Als er seinen Mantel auszog und ihn etwas ausschüttelte, konnte man sehen, dass er ebenfalls athletisch gebaut war. Darunter trug er ein graues Oberteil, das ihm bis kurz über die Knie reichte, und dazu eine schwarze Hose. Außerdem hatte er schwarze Stiefel an, die ziemlich schwer aussahen. Alles in allem sah er extrem gut aus, aber seine Augen zogen mich besonders in ihren Bann. Er hatte nämlich blau-türkise Augen.
Und es gab nur zwei Worte, die diese beschreiben konnten: faszinierend und wunderschön. Ich konnte mich nicht von diesen Augen losreißen und zuckte zusammen, als Alec mich auf einmal durchschüttelte. "Elaine! Alec an Elaine, hallo? Weilst du noch unter uns?" Endlich riss ich mich aus dem Bann dieser wunderlichen Augen und schaute stattdessen in Alecs braune. "J-ja?" Sein Grinsen wurde breiter. "Wenn du auch mal fertig damit bist, ihn anzustarren, kann ich dir auch sagen wie er heißt. Oder warum macht der Herr das nicht selber?"
Der Blick des "Herrn" lag noch immer auf mir und ich fühlte mich unter seinem stechenden Blick ziemlich unwohl. Da trat Raymon zu ihm und schlug ihm auf die Schulter. "Es ist unhöflich, sich nicht vorzustellen." Der anscheinend Stumme warf ihm einen genervten Blick zu und murmelte etwas, dass sich stark nach "Und warum stellt sie sich dann nicht zuerst vor?" anhörte. "Mako", sagte er dann laut, "Mako Keylrim."
Obwohl es offensichtlich war, dass er mich, warum auch immer, schon jetzt nicht leiden konnte, trat ich einige Schritte auf ihn zu, setzte ein Lächeln auf und streckte ihm die Hand entgegen. "Hi. Elaine Litherav."
Doch anstatt meine Hand zu schütteln, stolperte er einige Schritte zurück und nun war sein stechender Blick auf meine Hand gerichtet. Verwirrt betrachtete ich meine Hand von allen Seiten, da ich mir sein Verhalten nur damit erklären konnte, dass etwas mit dieser nicht stimmte.
Aber ich fand nichts, was irgendwie ungewöhnlich war und schaute dementsprechend verwirrt zu Mako. Gerade in diesem Moment stieß Raymon ihn unsanft in meine Richtung. Widerwillig machte er also den letzten Schritt auf mich zu, ohne dass er von Raymon dazu aufgefordert wurde (Oh Wunder) und streckte mir ebenfalls die Hand entgegen. Kurz bevor unsere Hände sich berührten, zögerte er, ergriff aber schließlich doch noch meine Hand. Das, was darauf folgte, konnte man nicht beschreiben.

Dieses Empfinden war das genau Gegenteil von dem, was ich bei Raymon gefühlt hatte. Auf eine Art und Weise war es zwar gleich, aber trotzdem konnte man beides nicht miteinander vergleichen. Das Gefühl bei Raymons Berührung hatte ich mit einem Wasserfall verglichen, ruhig, kühl und anmutig. Nun aber fühlte ich eine Hitze in mir aufsteigen und vor meinem inneren Auge sah ich einen Feuersturm, der sich schnell fortbewegte und alles, was ihm in den  Weg kam, verbrannte. Es war gleichermaßen beängstigend wie auch faszinierend. Das Feuer glühte hell und schien zu tanzen. Schnell, unnatürlich schnell, kam der glühende Sturm auf mich zu und schon bald konnte ich dessen Wärme wahrnehmen. Ich wollte rennen, weg von diesem beängstigenden Sturm aus Flammen, aber gleichzeitig wollte ich dem Feuer weiter dabei zusehen, wie es durch die Nacht wirbelte und tanzte. Der Sturm kam immer näher und je näher er kam, desto mehr Energie schien er mir abzugeben. Ich spürte die Wärme der Flammen überall auf mir. Nun gab es kein Halten mehr, ich lachte, drehte mich mit d-

Auf einmal wurde ich zurück in die Realität gerissen. Das Glücksgefühl verebbte sofort und verwirrt blinzelte ich. Dieses Gefühl, energiegeladen zu sein, blieb allerdings.
Nach und nach nahm ich mein Umfeld wieder wahr. Der geflieste Boden des Ladens, in den wir Zuflucht gesucht hatten, das nun leise Geräusch des Nieselregens und schließlich nahm ich auch wahr, dass nur Alecs Arme mich davon abhielten, auf den Boden zu knallen.
Er hievte mich wieder zurück auf meine Beine und ich murmelte ein leises "Danke". Dann schaute ich im Laden umher, nur damit mein Blick an zwei blau-türkisen Augen hängen blieb.
Diese schauten überrascht in meine grünen und dann schließlich auf seine Hand. Ich tat es ihm gleich und fühlte noch immer ein warmes Kribbeln in meiner Handfläche. Wieder schaute ich zu Mako, welcher nun von Raymon wieder auf seine eigenen Beine gestellt wurde. Ich sah, wie Raymon etwas zu ihm sagte und Mako nickte. Dann kamen beide auf Alec und mich zu. Auf einmal hatte sich die Haltung der beiden verändert, was mich dazu brachte, einige Schritte rückwärts zu machen, nur um gegen Alec zu knallen und mich schließlich hinter diesen zu stellen. Überrascht schaute Alec von mir zu Raymon und Mako und klatschte dann einmal in die Hände. "Okay Leute, ich denke es wäre sinnvoll, ihr jetzt keine Angst einzujagen. Wie wäre es, wenn wir ihr einfach alles erklären?"

Daraufhin fochten die drei ein stummes Blickduell aus und es schien, als hätte Alec gewonnen, da er sich nach ein paar Minuten intensivem In-den-Grund-Starrens zu mir umdrehte und mich leicht anlächelte.
" Was hältst du davon, wenn wir uns morgen im Café treffen und dir dann alles erklären? Also warum du auf Berührungen von uns reagierst und bei Mako so extrem. Ich glaube das sollte dich auch interessieren."

Vorsichtig schaute ich zu Raymon und Mako. Raymon lächelte mich entschuldigend an und Mako schaute einfach im Laden umher. Die bedrohliche Haltung, die mir Angst eingejagt hatte, war allerdings verschwunden. Ich glaubte nicht, dass sie Späße machten. Also nickte ich.
" Ich würde schon gerne wissen, was das Ganze bedeutet, aber morgen ist wieder Montag, also habe ich morgen Schule. Ich arbeite nur Samstags und Sonntags im Café. Manchmal auch Freitags. Wäre nächstes Wochenende in Ordnung?"

Alec schaute über die Schulter zurück zu Raymon und dieser trat mit einem Seitenblick auf Mako einen Schritt vor. " Nächstes Wochenende? Wenn du dann Zeit hast, würden wir uns auch Zeit nehmen. Wir müssen jetzt auch gehen. Bis nächstes Wochenende dann, Elaine."

Dann ging er gemächlichen Schrittes auf den Ausgang zu und Mako und schließlich auch Alec folgten ihm. Letzterer drehte sich noch einmal zu mir um und winkte mir zum Abschied zu. Dann drehte er sich um, streifte sich die Kapuze über und trat in den Nieselregen.

Ich schaute ihnen nach, bis sie nicht mehr zu sehen waren und senkte meinen Blick wieder auf meine Hand. Das Kribbeln hatte zwar nachgelassen, doch das Bild des glühenden Feuersturms hatte sich für immer in mein Gedächtins eingebrannt.

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