Kapitel 2

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Er blickte Linda mit müden Augen an und schob sich an ihr vorbei.

»Hallo Mama.«

Maria zog eine Augenbraue hoch und blickte ihren Sohn an. Sie sah an ihm vorbei zu Linda, die sich inzwischen umgewandt hatte. Linda verstand nicht, was ihr grade passiert. Sie stand immer noch da mit ihrem Sandwich in der Hand, aber langsam fand sie ihre Stimme wieder. Sie räusperte sich und sagte: »Ähh, sorry aber, hast du mich echt nicht erkannt, du Arschloch?«

Sie lachte und er drehte sich blitzschnell zu ihr herum und funkelte sie mit blauen Augen an.

»Wer oder was gibt dir das Recht so mit mir zu reden, hm?«

Linda grinste ihn an und ging auf ihn zu. Als sie vor ihm stand, blickte er sie verwundert an.

»Streck mal deine Hand aus, Tobi.«

»Woher kennst du meinen Namen?«

»Mach schon!«

Mit fragenden Blick streckte Tobi seine Hand aus.

»So, und jetzt mach den Doppelflick mit mir, du Nudel.«

Beide wussten, was sie taten. Ein komplizierter Handschlag und sie beide kannten ihn in und auswendig. Linda wollte ihre Hand wegziehen, als die ihn beendet hatte doch Tobi umklammerte ihre Hand mit festem Griff.

»Ich hab dich so vermisst.«, flüsterte er.

Linda lächelte und er schloss sie in die Arme. Tobi wirbelte sie durch die Luft und sie kreischte leise.

Nachdem er sie auf den Boden absetzte, schulterte sie wieder ihren Rucksack und setzte sich an die Theke und fing an ihr Sandwich zu essen. Tobi fing inzwischen an seine mitgebrachten Einkäufe in die Regale einzusortieren. Maria guckte zwischen beiden hin und her und fing an zu lachen.

Linda murmelte fragend und mit vollem Mund.

»Na, das war's jetzt oder wie? Ihr habt euch ein Jahr nicht gesehen!«

»Linda und ich lassen es nie zu nervig  werden.«

»Was meinst du mit nervig?«

»Ach, du weißt schon, nicht so emotional.«

»Ach Kinder...«

Linda konnte sich nicht erklären warum sie Maria nicht erkannt hatte, anscheinend hatte sie Deutschland echt vergessen. Selbst die Mutter ihres besten Freundes hatte sie vergessen, aber Tobi, nein, Tobi war für immer in ihrem Kopf verankert. Auch wenn er sich in dem Jahr in dem sie sich nicht gesehen hatten, extrem verändert hatte, konnte sie sein Gesicht nie aus ihrem Verstand löschen. 

Als Linda mit dem Essen fertig war, wischte sie sich mit der Serviette  den Mund ab. Sie stand auf und schnappte sich ihre Tasche vom Boden, aber sie war unschlüssig, was sie nun sagen sollte. Tobi hatte ihre Misere natürlich erkannt, so wie fast immer. Wenn er ihr in die Augen sah, konnte er ihre Gedanken lesen, wie ein offenes Buch. Er kannte sie einfach zu gut.

»Soll ich dir ein wenig die Stadt zeigen?«, sagte Tobi fröhlich, als würden ihm solche Situationen jeden Tag passieren.

»Klar, warum nicht, ich muss sowieso noch Haarfarbe kaufen.«

Linda deutete auf ihre granatroten Haare und lachte kurz auf.

Ihr Gegenüber seufzte genervt.

»Ich hab dir gesagt, ich bringe dich um, wenn du das machst!«

Auf einmal erschien ein diabolisches Grinsen auf seinem Gesicht, das Linda nur zu gut kannte. Sie ließ sich letzteres aber nicht anmerken.

»Du hast dich aber auch ganz schön verändert.«, antwortete sie nur trocken und tat so als ob sie ihren Arm anspannen würde. Ganz in der angeberischen Manier, wie Tobi es früher mit seinen dünnen Ärmchen schon getan hat.

»Na, warte!«

Lindas Augen weiteten sich und sie schoss so schnell sie konnte aus der Tür. Sie war zwar schon immer eine schnelle Läuferin gewesen, doch Tobi schien in dem Jahr echt trainiert zu haben. Schon in ein paar Sekunden hatte er sie eingeholt und von hinten gepackt. Linda schrie amüsiert auf und konnte sich nicht dagegen wehren, dass Tobi sie weg trug.

Vor einem schwarzem Mercedes wurde sie abgesetzt. Ein anerkennender Pfiff glitt aus Lindas Lippen.

»Deiner?«

»Meiner.«

»Ihr scheint ja echt zu verdienen.«

Er kratzte sich nervös am Hinterkopf, was bedeutete, dass Tobi ihr etwas verschwieg, das wusste Linda. Aber sie unterstand sich heute nachzufragen.

»Naja, Aktien und so.«, presste Tobi hervor. Der schlechteste Lügner überhaupt.

Er öffnete die Beifahrertür für Linda, die ohne Umschweife einstieg.

Die Luxuskarosse hielt vor einem Geschäft etwas außerhalb der Stadt.

»Hier bekommst du fast alles, unter anderem auch viele deutsche Marken, zu einem günstigen Preis.«

Linda nickte und sie betraten gemeinsam das Geschäft. Sie suchte sich ein paar Snacks für die nächsten Tage (Tatsächlich echt preiswert!).

»Also, was hat euch denn grade nach Rumänien verschlagen?«, fragte Linda beim Aussuchen einer passenden Haarfarbe.

»Das Gleiche könnte ich dich jetzt auch fragen.« Er grinste schelmisch, das wusste Linda auch ohne hinzusehen. Instinktiv musste sie schmunzeln.

»Naja, mein Mutter wollte halt dieses Café eröffnen und...«

»In Rumänien? Hier gibt es zwar nette Menschen aber... naja...«

Er lachte. »Ja, sie hat irgendwas von ›Lichtblick‹ und ›Nächstenliebe‹ geschwafelt.«

Jetzt musste auch Linda lachen, als sie gemeinsam zu Kasse gingen.

»Ich hab dich auch vermisst, Tobi. Ist es wohl Schicksal, dass wir uns wieder getroffen haben?«

Das kam alles irgendwie spät, aber Linda war das relativ egal.

»Ich kenne da eine,«, er sah mich spöttisch an »die hat mal gesagt: ›Wir schieben alles auf's Schicksal, damit wir unsere Fehler vergessen.‹«

Linda verdrehte die Augen bei ihrem eigenen zitierten Kommentar. Sie knuffte Tobi in die Seite.

»Also war es ein Fehler, dass wir uns wieder gefunden haben?«

Ihr Grinsen erlosch, als er ihr mit der rechten Hand auf den Hinterkopf hieb. Selbst diese alten Gewohnheiten hatte Linda vermisst. Sie bezahlte mit dem Geld von Maria und wartete draußen auf Tobi. Sie atmete tief durch, trotzdem verwirrte die plötzliche Geborgenheit sie doch sehr. Sie versuchte klare Gedanken zu fassen.

Es scheint so, als habe sich nichts geändert. Aber es hatte sich etwas geändert. Tobi, mein bester Freund Tobi, hatte sich echt gemacht.

This asshole stole my life. (On Hold)Where stories live. Discover now