Kapitel 22

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Ohne wirklich nachzudenken, fangen meine Füße an sich zu bewegen. Ich ziehe Edmund mit mir mit doch lasse seine Hand los, als ich bemerke, dass der Drache über die Morgenröte fliegt. Unkontrolliert schlägt er mit den Flügeln und speit Feuer. Die wirren Rufe auf dem Schiff sind bis auf die Insel zu hören.

Kaspian sieht verzweifelt zu dem Drachen, der gerade dabei ist den Mast zu zerstören. Er scheint nach etwas zu suchen. Der Drache speit wütend Feuer auf und fliegt zur Insel zurück. Erschrocken sehe ich mich nach einer Fluchtmöglichkeit um, aber ich entdecke nicht einmal eine Höhe, die in der Nähe wäre, um uns Schutz zu bieten.  

Edmund kommt neben mich und keucht auf. Ängstlich wechseln wir einen Blick und tasten mit den Fingern nach der Hand des anderen. 

,,Wieso dreht er um?", fragt Edmund. Der Drache fliegt in rasendem Tempo auf die Insel zurück. 

,,Er kommt auf uns zu!", schreie ich, als der Drache plötzlich seine Richtung ändert. Er wendet und kommt direkt auf uns zu. Mit einem Schlag kommt Leben in uns und wir fangen an zu rennen. Da der Boden voller loser Steine ist, rutsche ich mit meinen kleinen Füßen immer wieder  ab. Das Brüllen des Drachen wird lauter, während die beiden Männer vor mir immer weiter laufen. Edmund dreht sich zu mir um und merkt, dass ich immer langsamer werde. Mit einer schnellen Bewegung greift er nach meiner Hand und zieht mich mit sich. Fast wäre ich zu Boden gefallen, aber ich kann mich noch rechtzeitig fangen. 

Mit einem Brüllen ist der Drache direkt über uns angekommen. Ich schreie laut auf, als er seine Krallen ausfährt, um nach uns zu greifen. Panisch laufe ich weiter und wünsche mir, das wäre alles nur ein Traum. Ich versuche mich nur auf Edmund und das Ziel, meinen Vater zu befreien, zu konzentrieren, aber meine Füße werden langsamer und müder. 

Mit einem Ruck werde ich nach oben gezogen, sodass ich nach Luft schnappe. Die Krallen des Drachen bohren sich in meine Haut und hinterlassen Schürfwunden. Ich höre wie Kaspian und Edmund meinen Namen rufen, als der Drache mich mit sich zieht. Der Drache wendet sich von ihnen ab, sodass ich sie nicht mehr sehe. Ich winde mich in seinem Griff und schluchze aufgrund der Schmerzen auf. Fast als würde er mich verstehen, lockert der Drache seinen Griff so sehr, sodass er mich nicht mehr verletzt. Dann fliegen wir über eine Bergkuppe. 

Im Tal darunter ist getrocknetes Gestein wodurch Lava sickert. Durch die aufsteigende Hitze tränen meine Augen. Ich will sie mit meinen Ärmel wegwischen, mache es aber nur noch schlimmer. Als der Drache weiter nach oben fliegt, erkenne ich jedoch einen Schriftzug, der mich schaudern lässt. 

Ich bin Eustachius


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Edmund

Kaspian hat beschlossen, dass wir die Nacht auf der Insel verbringen. Evan ist die einzige, die Eustachius an sich ran gelassen hat. Sie lehnt an ihm und wischt sich eine Träne aus den Augen, als sie in die Flammen des Lagerfeuers starrt. Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren. Sie strahlt eine ungeheure Anziehungskraft aus. Jedenfalls für mich. Selbst mit den Kinnlangen Haaren, die sie zusammengebunden hat, sieht sie aus wie -ich weiß es nicht- wie immer. Nur anders, aber immer noch wunderschön. 

Als mir bewusst wird, was ich gerade denke, würde ich mir am Liebsten eine reinhauen. Sie ist hier und findet heraus, dass ihr Vater noch am Leben sein könnte, nur um dann kurze Zeit später mit ansehen zu müssen, wie ihr bester Freund in einen Drachen verwandelt wird. Sie ist stärker als sie selbst weiß. Am Liebsten würde ich sie einfach nur in meinen Armen halten, um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein durch diese Zeiten gehen muss. 

,,Sie will sich ihre Wunden nicht verbinden lassen. Obwohl Eustachius sachte war, hat er sie trotzdem verletzt, aber sie weigert sich.", berichtet Lucy, nachdem sie kurz bei ihr war und blickt besorgt zu ihrer Freundin. Tröstend nehme ich ihre Hand und drücke sie kurz.

,,Wir müssen ihr Zeit lassen. Wir reden morgen mit ihr. Leg dich schlafen, Lucy. Morgen ist ein langer Tag.", bitte ich sie. Murrend legt sie sich zu Gael. Während um mich herum alle einschlafen, drehe ich das Schwert des Lords in meinen Händen, das wir gerade erst vor wenigen Stunden gefunden haben. Es ist zwar unsere Aufgabe die Schwerter zu finden und auf Aslans eisernen Tisch zu legen, aber jetzt finde ich das nebensächlich. Es fühlt sich nicht wie ein Erfolg an, dass wir das Schwert gefunden haben, sondern eher wie ein Fluch. 

Als ich knirschenden Sand höre, schrecke ich auf. Evan geht auf leisen Sohlen zum Meer und lässt sich auf den Sand sinken. Ohne nachzudenken folge ich ihr und setze mich neben sie. Eine Weile sitzen wir so da. Schweigend und den Blick auf die Sterne gerichtet. 

,,Mein Vater hat früher immer mit mir die Sterne angesehen, als ich noch klein war. Mein Mutter aber hielt das für die größte Zeitverschwendung.", sagt sie und unterdrückt ein Schluchzen. Ich will sie trösten und ihr Hoffnung geben, aber ich weiß nicht wie. ,,Er hat mir Geschichten vorgelesen. Er hat mir gelehrt was es heißt, Träume zu haben. Er war nicht nur mein Vater, er war auch mein Lehrer." 

Ihre verzweifelte Stimme frisst sich in meine Knochen, bis ich verstehe was sie sagt. 

,,Du sagst ,war'?", frage ich vorsichtig. Sie weicht meinem Blick aus, doch selbst in der Dunkelheit kann ich ihre sanften Gesichtszüge erkennen. 

,,Er ist gefallen. Im Krieg. Vor wenigen Jahren.", antwortet sie kurz, ,,Das wurde uns zumindest gesagt. Er sei ertrunken, hieß es. Als wir auf der Sklaveninsel waren, hat Lord Bern mir das Foto gegeben. Mein Vater hat es ihm übergeben, bevor er dem Nebel zum Fraß vorgeworfen wurde." Sie bricht ab, als wollte sie noch etwas hinzufügen, doch findet anscheinend nicht die richtigen Worte dafür. Sanft lehne ich meine Stirn gegen ihre. Woher diese plötzliche Entscheidung kommt, weiß ich nicht, doch sie wehrt sie nicht ab. 

,,Wir werden deinen Vater finden, Eustachius retten und Narnia vom Bösen befreien. Gemeinsam." Meine Worte fließen so dahin, als hätte ich sie schon lange geplant. Evan nickt aber zuversichtlich, während ich ihr eine Träne von der Wange wegwische. 

Nach wenigen Minuten war Evangeline an meiner Schulter eingeschlafen und trotz unserer aussichtslosen Situation muss ich lächeln. Mittlerweile ist es für uns normal geworden, aneinander gelegt einzuschlafen. 

Für einen Moment fühlte es sich an, als würde die Zeit stillstehen und nur die sich bewegenden Sternbilder erinnern mich an die Wirklichkeit. Es beschämt mich nicht, dass ich mir wirklich wünschte die Zeit wäre stehengeblieben. 

Lost Souls/Edmund PevensieHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin