„Wunderbar!" Eilien klatschte erfreut Beifall. „Na, siehst du, du kannst es doch! Deine erste Unterschrift! Welch ein schönes „L'! "
Lorena pustete auf die Finger. „Ich freu' mich ja auch. Aber ..."
„Aber ...?"
„Ich glaube, da fällt mir das Tuulgraben doch tatsächlich leichter. Dabei muss ich nicht so aufpassen!"
„Üb' doch noch ein bisschen", sagte Eilien ermunternd.

Widerwillig nahm Lorena die Feder auf. Ihre Stirn fühlte sich mittlerweile so feucht an wie nach einer Stunde Torfbänke schneiden. Was für eine wunderbare Freundin sie da hatte! Ließ nichts unversucht, um sie mit der anstrengenden Kritzelei zu quälen.

Nach einer halben Stunde legte sie die Feder beiseite. „Ich kann nicht mehr. Meine Finger zittern, schau mal, die Buchstaben sind ganz schief geraten!"
„Das wird schon", tröstete Eilien. „Gib' nicht auf."
Lorena schüttelte ihre schmerzenden Finger. „Tu' ich nicht, versprochen. Aber jetzt reden wir noch ein bisschen, ja? In einer Stunde setzt die Flut ein, da muss ich zurück."

Damit erklärte sich die strenge Lehrerin endlich einverstanden, und nun begann die geliebte „Plauderstunde" nach dem Unterricht. Meist erklärte Eilien die Sitten und Gebräuche, was Lorena heute zum Anlass nahm, sich über die Strandinger zu beklagen.

„Sie verhalten sich mir gegenüber, als hätte ich ihnen etwas getan!"

Eilien schien keineswegs überrascht, sondern eher über ihr Unverständnis verwundert. „Aber merkst du nicht, dass sie Angst vor dir haben?"

„Angst??" Zutiefst betroffen sprang Lorena auf. „Vor mir?? Aber warum denn? Wenn, dann haben sie höchstens Angst vor Hauke!"

„Setz' dich wieder hin", sagte Eilien begütigend, woraufhin Lorena kopfschüttelnd Platz nahm.„Hast du noch nie in den Spiegel gesehen?", fragte Eilien behutsam.

Lorena zuckte die Schultern. „Ja natürlich, wieso?"

„Offenbar hast du dich aber noch nie richtig besehen, wie?"

Lorena knurrte. „Ich weiß, wie ich aussehe mit meinen mausbraunen Haaren, nämlich ganz gewöhnlich. Gut, wenn man von meiner Größe absieht ... aber sonst? Was meinst du denn genau?"

„Ich meine weniger dein Aussehen – obwohl du in meinen Augen sehr schön bist – sondern vielmehr das, was du ausstrahlst. Du wirkst anziehend und einschüchternd zugleich, genau wie Hauke. Denn du bist wie Hauke."

„Was? Ich? Niemals! Ich bin nicht so wild, nicht so voller Zorn, nicht so hart ..."

Eiliens Augen funkelten belustigt. „Nö, du bist überhaupt nicht wild, das merke ich gerade."

Wie ertappt sank Lorena in sich zusammen.

Eilien streckte die Hand aus und streichelte Lorena über den Arm. „Bist du dir da so sicher? Deine Augen verraten dich."

„Zum Donner, was soll mit ihnen sein?", rief Lorena so ungestüm, dass Eilien zusammenzuckte. Sogleich entschuldigte sie sich für ihre Heftigkeit und setzte leise nach: „Sie sind grün, habt ihr vielleicht daran etwas auszusetzen? Die meisten hier haben blaue Augen, na und?"

Eilien schüttelte den Kopf. „Es ist nicht die Farbe, sondern die Art, wie du einen ansiehst, und wenn du dazu noch lächelst ..."

„Oh weh, was ist mit meinem Lächeln?"

„Es sieht manchmal aus wie eine Drohung ... man wird sehr vorsichtig bei dir."

DROHUNG??

Ein Wort mit der Wucht eines Faustschlags.

Lorena schwankte fast auf ihrem Stuhl. „So also seht ... seht ihr mich ...", stammelte sie. „Was hab' ich bloß verbrochen? Ich will doch nur freundlich sein. Empfindest du das auch so?!"

🌊Der Stern des Meeres🌊*WattyWinner 2019*Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu