Kapitel 4 ~ Leander

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PoV Leon

Meine Verwirrung wurde zu Schock. Leander? Ronald hatte mir nicht viel über ihn erzählt, ich wusste nur, wie wichtig er ihm gewesen war. Sollte er nicht tot sein? Hatte Ronald gelogen?
"Oh Gott. Oh Gott. Ich geh Ronald holen. Zieh ihn rein und mach die Türe zu. Schließ ab. Verriegel sie." Leonie rannte fast zum Aufzug, während ich Leander an den Schultern packte und komplett rein zog und schnell die Türe schloss.
Es regnete wie aus Eimern.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, Leander zu betrachten. Auch wenn ich durch Ronalds Erzählungen immer sehr Eifersüchtig gewesen war, war es dennoch interessant. Hier tat sich gerade ein Stück seiner Vergangenheit auf.
Außerdem, jetzt wo ich endlich ein Gesicht zu dem Namen hatte, konnte ich mir ein besseres Bild machen.
Ronald hatte Leander einmal als einen Engel bezeichnet. Aber jetzt wo ich ihn so vor mir sah, konnte ich nicht mehr eifersüchtig sein.
Das war kein Kompliment gewesen. Sondern eine einfache Tatsache, denn ein anderes Wort wäre ihm einfach nicht würdig gewesen. Vor Ronald hatte ich Männer nie als sehr attraktiv wahrgenommen, aber es war schon abnormal wie schön Leander war.
Plötzlich schnappte er nach Luft und setzte sich auf, seine Augen weit aufgerissen.
"Ronald. Wo ist Ronald?" stieß er atemlos hervor und packte meinen Oberarm. Vorsichtig drückte ich ihn wieder auf den Boden und sah ihn an.
"Er kommt jetzt. Entspann dich, es wird alles gut." versuchte ich ihn zu beruhigen, da er immer noch sehr hektisch atmete. Konnten Übernatürliche hyperventilieren?
Dann öffnete sich der Fahrstuhl und eine gehetzte Leonie und ein verstört aussehender Ronald betraten den Raum.
Ronald stockte, als er den Blonden vor mir liegen sah, seine Gefühle waren so aufgewühlt, dass ich keines davon definieren konnte.
Langsam kam er auf uns zu und kniete sich neben Leander auf den Boden. Dieser öffnete die Augen einen Augenblick sahen sich die beiden nur an. So intensiv, fast schon intim, dass ich mir plötzlich wie der Eindringling vorkam. Dieser Gedanke schnürte mir die Luft ab.
"Leander." flüsterte Ronald und strich ihm die Haare aus dem Gesicht.
Seine Stimme klang so gefühlvoll, dass sich mein Herz verkrampfte. Hatte er je mit mir so gesprochen?
Ohne mich oder Leonie weiter zu beachten, hob er Leander hoch und ging mit ihm Richtung Fahrstuhl und fuhr nach unten.
Geschockt stand ich da und starrte auf den geschlossenen Fahrstuhl.
"Wie ist das möglich?" fragte ich leise nach und Leonie schüttelte den Kopf.
"Ich weiß es nicht. Wir dachten wirklich, er wäre tot."

PoV Ronald

Ich war keine sehr gefühlvolle Person. Aber gerade prasselte so viel gleichzeitig auf mich ein, dass ich mich nichtmal auf eine Emotion konzentrieren konnte.
Ich sah Leanders Gesicht, konnte es aber nicht glauben. Ich spürte seinen warmen Körper, den ich an mich drückte, dennoch hatte ich Angst gleich aus einem Traum zu erwachen.
Ich brachte Leander nicht auf die Krankenstation, sondern in mein Zimmer und legte ihn dort auf meine Seite des Bettes.
Verletzungen hatte er keine, er war einfach nur unglaublich schwach.
"Wie lange hast du deine Kräfte nicht mehr gestärkt, Leander?" fragte ich eindringlich nach und umfasste entschlossen sein Gesicht. Schwach öffnete er die Augen.
"200." brachte er mühselig hervor und erneut packte mich der Schock.
Was war Leander passiert, dass er seine Kräfte so lange nicht hatte nähren können?
"Okay." flüsterte ich und nahm Leanders Hand in meine. Dann nahm ich das Messer von meinem Nachtisch und schnitt längst in meinem Unterarm. Kurz durchzuckte mich Schmerz und das Blut tropfte unbeachtet auf den Boden. Um das Blut ging es auch nicht. Sondern um den Schmerz. Leanderns Kräfte nährten sich von körperlichen Schmerzen, selbst unter Dämonen eine seltene Fähigkeit.
Es zeigte auch recht schnell Wirkung, sein Griff um meine Hand wurde kräftiger und als der Schnitt geheilt war, setzte ich das Messer wieder an.
Der Schmerz machte mir nichts aus, denn ich sah, wie Leanders Hautfarbe gesünder wurde, sein Griff stärker und seine Augen klarer.
"Das reicht." Ich nickte und legte das Messer weg. Aber seine Hand ließ ich nicht los. Zu groß war die Angst, er würde dadurch einfach wieder verschwinden.
"Leander. Was ist dir passiert? Wieso dachte ich zweihundert Jahre lang du wärst tot?"

Seher - Die GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt