✺12.✺

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Danach trafen wir uns dann aber doch. Zu fünft besprachen wir die Neuigkeiten. Alle fanden das voll krass, dass ihre Waffen reden konnten - auch ich. Aber war das wirklich so seltsam und überraschend, wenn es doch bei uns sowieso Magie gab? Viele Menschen wussten ja nichts von uns. Eigentlich keiner, der selbst kein Dämon oder ein Krieger war. Unsere Waffen unterhielten sich miteinander und schienen unsere Reaktionen normal zu finden. Tja, ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass so ziemlich jeder wie wir reagiert hätte.

"Ich finde das so geil! Und wir fünf sind echt die einzigen?", fragte Jacqueline ihren Dolch.

"Manche Dämonen haben auch solche Schwerter, Dolche, Bögen und Speere. Aber da ihr auserwählt seid, seid ihr die einzigen auf Mythos." Nachdem all unsere Fragen beantwortet waren, trennten sich unsere Wege. Der Unterricht war trotzdem nicht abgesetzt worden. Zumindest hatten wir nur drei Stunden am Tag. Ein bisschen reduziert ist es also doch worden. Der Tagesablauf lautete so:

Frühstücken

Kampftraining neunzig Minuten lang

Drei Stunden normaler Unterricht

Mittagessen

Nachmittag frei

Abend noch einmal Kampftheorien durchgehen und Hausaufgaben machen

Nicht sehr kreativ und lustig ... Aber ich war froh, dass wir das Kämpfen überhaupt lernten! Schließlich könnten die Dämonen jederzeit angreifen. Am späten Nachmittag fuhr ich mit dem Bus zu mir nach Hause, um meine Eltern und noch viel mehr meine Großmutter zu besuchen. Doch nach wie vor hatte sich nichts geändert. Ich erzählte meiner Mum und meinen Dad von den Neuigkeiten. Mama seufzte. "Es wurde uns verboten, euch in diese Sache mit einzubeziehen. Das war eine ziemlich blöde Idee von euren Lehrern. Sie haben gedacht, dass der Anführer der Dämonen entgültig tot ist, doch da haben sie sich getäuscht." Ich runzelte meine Stirn.

"Was?"

"Vor einigen Jahren gab es einen Krieg zwischen Gut und Böse. Es könnte sein, dass sich dieser Krieg wiederholt, wenn Erebos, also der Anführer der Dämonen einen starken Körper zugefügt bekommt und besonderes Blut bekommt", erklärte nun mein Vater.

"Ist Erebos nicht der Gott der Finsternis? Und welches Blut braucht der Gott? Und wie funktioniert das mit dem Körper?" Ich hatte so viele Fragen auf der Zunge, die in den nächsten Tagen sicher noch mehr werden würden.

"Ja, er ist der Gott der Finsternis. Es muss das Blut eines Auserwählten sein. Das können wir Kämpfer nicht so genau sagen; das wissen die Dämonen besser. Und sie suchen sich zusätzlich einen zähen, muskulösen Körper eines Mannes oder eines Jugendlichen und geben sozusagen Erebos' Seele in diesen Körper. Dadurch wird der eigentliche Geist, der vorher in dem Körper war, für immer augelöscht. Und diese beiden Sachen dürfen auf keinen Fall geschehen, sonst beginnt ein neuer Krieg, und dieses Mal würde Erebos wahrscheinlich siegen", machte Mum weiter. Ich war wie betäubt. So viele neue Sachen in nur zwei Tagen! Und das waren auch nur negative Dinge ...

"Und was bringt dem Gott der Sieg?"

Nun war Dad wieder dran: "Er wird alle unmagischen Menschen, die von dieser mythologischen Welt nichts ahnen, ausrotten und uns ebenfalls. Danach werden die Götter die gesamte Welt beherrschen und das wird schlimme Folgen haben. Man hört ja in so vielen Sagen und Märchen, was die Götter schon so getrieben haben, also müssen wir so schnell wie möglich etwas dagegen tun." Ich musste schlucken. Ein dicker, fetter Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet, sodass ich kein Wort mehr herausbrachte.

"Na gut, ich glaube, das waren genug Sachen für dich. Das solltest du erst einmal verdauen, bevor du noch mehr in dich aufnehmen willst", meinte Mum. Ich nickte nur. Es war Zeit, wieder in die Mythos Academy zurückzukehren. Mama begleitete mich zur Tür. Zum Abschied drückte sie mir einen Kuss auf die Stirn und murmelte: "Pass gut auf dich auf, Schatz." Dann stieg ich in den letzten Bus, der für heute fuhr und betrat anschließend das Schulgelände. Als ich die Tür meines Zimmers aufmachte und wieder hinter mir schloss, bekam ich fast einen Herzinfarkt vor Schreck. Vor mir stand eine wunderschöne Frau mit bronzefarbenen Locken, die ihr seidig über die Schulter fielen. Ihr langes, weißes togaartiges Kleid wand sich um ihren Körper. Schneeweiße Flügel erhoben sich über ihren Schultern. Sie waren mit Federn bestückt, die dem ganzen noch einen ganz besonderen Anblick boten. Ihre Augen hatten die Farben der Dämmerung - purpur und grau vermischten sich miteinander. Sie strahlte eine gewisse Macht aus, die sonst keiner besaß. Sie wirkte gleichzeitig sanft, schön und freundlich, aber auch stark, kalt und gefährlich. Wer war sie?

"Hallo, Virginia." Ihre klare, weiche Stimme erfüllte den Raum. "Ich bin Nike, die griechische Göttin des Sieges." Mir stockte der Atem.

"Ähm ... bist du echt?"

Nike lächelte mich an. "Wenn du Zauberkräfte und ein sprechendes Schwert hast, dann muss ich real sein, oder nicht?"

"A-aber das ist doch unmöglich! Wieso sollte jemand so Mächtiges zu mir kommen?"

"Virginia, du bist auserwählt, gegen die Dämonen zu kämpfen. Du und deine vier Freundinnen. Deine Eltern und dein Schwert haben dir doch schon einiges mitgeteilt. Ganz unwissend bist du nicht mehr."

"Wie geht das, dass du hier bist? Sehen dich auch andere Leute?"

"Nein, wir sind in einer Art Zwischenwelt. Nur wir beide befinden uns hier. Wenn in diesem Moment jemand in dein Zimmer kommen würde, würde er dich nicht sehen, und mich ebenfalls nicht. Es ist fast wie ein Traum", erklärte die Göttin. Was würde mich in den nächsten Tagen noch alles erwarten, das nicht ganz normal war?

"Nun gut. Es ist Zeit für mich, zu gehen. Bleib tapfer, denn der erste Kampf ist näher als man denkt. Bis bald, Virginia." Nike beugte sich nach vorne und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Als sie mich berührte, fühlte ich Macht und Kraft. Es schien, als würde sie diese Gefühle auf mich übertragen. Die Göttin trat drei Schritte zurück, dann faltete sie die Hände, als würde sie beten und schließlich tauchte ein strahlendes, weißes Licht auf, das so grell war, dass ich mich abwenden musste. Einen Augenblick später befand sich keine Frau mehr in meinem Zimmer. Ich stand alleine vor der Tür, durch die ich vorher gegangen war, und war verwirrt. War das gerade echt gewesen? Hatte ich tatsächlich eine Göttin getroffen, die mit mir gesprochen hatte?! In dem Moment meldete sich mein Schwert, dass in seiner Hülle steckte. Ich hatte sie um meine Hüfte gebunden, für den Fall, dass mich jemand angreifen sollte. "Virrginia, du hast nicht geträumt", beantwortete sie meine Frage.

"Bist du etwa die Göttin selbst?", war meine Frage an Nike, meine Waffe.

"Nein, aber ich gehöre zu Nike. Ich bin sozusagen ein Teil von ihr. Außerdem bin ich ganz anders! Ich freue mich schon, wenn ich jemanden töten kann!" Ich zuckte zusammen.

"Was?"

"Ich liebe es, Dämonen umzubringen!" Ich schüttelte langsam meinen Kopf und beschloss, schlafen zu gehen. Der heutige Tag war ein bisschen seltsam gewesen, doch als ich im Bett lag, konnte ich einfach nicht einschlafen ...

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