2013 Teil 2 - Bestimmung

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Frühsommer 2013. Das tolle ist, wenn man geschäftlich viel unterwegs ist, man trifft immer wieder interessante neue Menschen. Man hat fast täglich neue Eindrücke und hört einfach nicht auf Erfahrungen zu sammeln. So kam es also, dass ich mein Hotel zufällig mit meinem Gegenspieler von der Arbeit geteilt habe. Nennen wir ihn "Sherlock".  Ganz einfach, weil er aus England kam. Ein älterer Mann Ende 50 Anfang 60 selbstständig und schon seit Jahrzehnten in Deutschland oder im deutsch sprachigen Raum tätig. Er hat seinen charmanten englischen Akzent nie verloren. Graue haare, kurz geschnitten eine Brille mit dünnem goldenem Rahmen. Eine Melone auf dem Kopf und die Pfeife im Mund hätte wirklich absolut ausgereicht und er wäre der perfekte Kommissar einer Serie aus den 80er Jahren gewesen. Ihr kennt das sicher, wenn ihr mal im Urlaub wart oder zu Besuch bei weit entfernten Verwandten. Er war mein Sommerfreund. Von früh bis spät haben wir uns in der Firma gegenseitig das Leben mal schwer und mal leicht gemacht und am Abend saß man dann zusammen bei einem Bier im Hotel und hat sich über all die Idioten auf der Arbeit lustig gemacht. Man hat wirklich angefangen sich kennenzulernen. Er hat mir von seiner Familie erzählt, von seiner Frau und seinen Kindern und ich ihm - naja, von mir. Meiner großen Liebe, wie ich es verkackt habe und wie ich lebe. Er fand mich sehr bedauerlich. "Wie kannst du mit deinem Intellekt, deinem Humor und allem was du bist alleine sein?" Fragte er mich öfter Abends mit seinem charmant englischen Akzent. Natürlich  auch erst nach 2 oder 3 Bier ohne Essen, da wir meist erst Feierabend hatten, nachdem die Küche geschlossen hatte. Immer wieder erzählte ich ihm von der einzigen mir bekannten Frau, die infrage für mich kam und immer wieder erzählte ich ihm, dass ich gerade einfach keine Chance für irgend wen sehe an mich ran zu kommen. Ich war(/bin) eine Maschine. Eine einsame Maschine. Leider war das der einzige Sommer, indem ich Sherlock begegnet bin. Ich habe diesem Mann einiges zu verdanken. Ich vermute, ohne ihn hätte ich die Zeit damals nur schwer überstanden. Denn eines kann ich euch sagen. So schön es ist, unterwegs zu sein und zu lernen. Die Zeit ist verdammt einsam. Irgendwann fängt man an, sein eigenes Zuhause, seine eigene Küche und sein eigenes Essen zu vermissen. Lieber Sherlock, vermutlich werde ich dich nie wieder sehen. Ich danke dir wirklich, ich kann hier gar nicht wiedergeben, wie einzigartig dieser Sommer war. 

In der Firma ging es langsam in die heiße Phase. Der Kunde meines Kunden wollte Resultate sehen. Und wie lösen das die großen Konzerne Probleme? - richtig, sie veranstalten Meetings. So begann also eine absolut sinnlose Aneinanderreihung von Sitzungen, ohne Sinn und Verstand. Amüsant war allerdings, dass mir nie jemand sagte, das ein Meeting ansteht. Natürlich war Sommer, ich war 22 und eine verdammt coole Socke. Eingebildet hoch 10 und meine komplette Ausstrahlung sagte jedem: Nichts. Manchmal würde ich gern ein Emoji verwenden. Auf Grund meiner Einstellung, nicht so ein Lackaffe wie alle anderen sein zu wollen, bin ich natürlich wie ein richtiger Programmierer, immer in Flipflops und Cargoshorts durch die Firma gelaufen. Sagen wir, ich war ein Hauch von Sommer, der dort immer durch die Hallen spazierte, während alle anderen mit ihren Sicherheitsschuhen und voller Arbeitsmontur bei 35°C herumwerkeln. So kam es also zu einer sehr amüsanten Situation für mich, es war ein Meeting anberaumt mit allen hohen Tieren vom namhaften Automobilherstellers wie auch der kompletten oberen Riege meines Kunden. Alle natürlich in Anzug und höchst adrett gekleidet, während ich in kurzer Hose, Flipflops und Shirt da stand. Kurz gesagt, ich sah aus wie der Praktikant. Umso lustiger waren dann die Reaktionen als Papa Schlumpf verkündete, dass er dann 3 Wochen in den Urlaub geht und ich seine vollständige Vertretung bin. Ich muss gestehen, ich bin mir nicht sicher, wer mehr verwirrt war. Die Leute oder ich. Denn Ihr müsst wissen, in meinem Berufszweig ist es strukturell immer so gegliedert, dass die Manager Position von Papa Schlumpf immer direkt als separater Zweig direkt hinter der Geschäftsführung kommt. Sprich, ich war urplötzlich von meiner puren Aushilfe zum heraufgestiegen zum Flügelstürmer der Geschäftsführung. Mein eigener Chef konnte diesen Wahnsinn gar nicht glauben, als ich ihn mal wieder an einem Freitag getroffen habe und ihm das erzählt habe. Seine Aussage dazu war: "Das machst du in einem halben Jahr? Was machst du, wenn du dort 2 Jahre bist?"

So kam also meine Zeit als Manager, diese Zeit war natürlich nicht sonderlich viel anstrengender als die Zeit davor, da ich mich eh schon selbst gemanagt habe. Der Rest des Schuppens lief eh sehr routiniert ab und es gab überall kompetentes Personal. Es war also nur so schockierend für alle, weil sie nicht dachten, dass ich zu irgendwas anderem gut wäre als Kaffee kochen. Es gab nur eine Neuerung, die vom Endkunden bestimmt wurde. Weil sie Sorge um die Befähigung meines Kunden hatten, haben sie ihren "akademischen Schlägertrupp" zum Druck machen entsendet. Das Ganze in Form von zwei Männern mit Doktortitel, die den ganzen Tag immer durch die Firma gerannt sind und einen immer wieder gefragt haben, warum man das gerade macht, was man macht. Äußerster Schwachsinn, muss ich sagen. Seit dieser Zeit habe ich, muss ich gestehen, eine kleine Abneigung gegen die Automobil Industrie. Alles was sie dort aufbringen können ist widerlicher kontraproduktiver Druck. Absolut widerlich so zu arbeiten. Zu dieser Zeit wurde es mir auch bewusst, es ist absolut richtig, dass ich bei meinem Arbeitgeber bin. Ich bin ja wirklich ein Fan von Druck und Stress. Aber es sollte stehts in einem konstruktiven Rahmen sein.

Nach 3 Wochen kam dann also Papa Schlumpf wieder aus seinem wohlverdienten Urlaub wieder. Es war wohl sein erster Urlaub seit ewiger Zeit ohne beruflicher Unterbrechung. Ich hatte meine Mission also langsam abgeschlossen. Es wurde langsam wieder Zeit für ein neues Projekt. Papa Schlumpf kam dann auch schon recht schnell mit dem nächsten Projekt um die Ecke. Diesmal aber ein weniger aufwendiges.


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⏰ Última atualização: Jan 15, 2019 ⏰

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Meine Autobiografie 1.0Abteilung Arbeit.Onde histórias criam vida. Descubra agora