Alex & Jo

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Pov. Jo

Mit weit aufgerissenen Augen starre ich auf den Körper der blonden Frau, muss mit ansehen, wie sich ihre gesamten Muskeln unter den elektrischen Schlägen des Defibrillators verkrampfen und ihr unter den Folgen von starken Medikamenten der Schaum aus dem Mund läuft.
Medikamente, die ich ihr gegeben habe.
Ich verliere das Gleichgewicht und Stütze mich an der Wand hinter mir ab. Das Atmen fällt mir immer schwerer. Alles verschwimmt um mich herum und ich höre nur noch gedämpft die Stimme von Dr. Callie Torres, wie sie nach mehreren Reanimationsversuchen den Tod der Patientin verkündet.
Ihre vor Wut flackernden Augen wandern zu mir.

"Wilson! Was haben sie getan?! Was haben sie ihr gegeben?!"

Ich kann ihn nicht antworten. In meinem Kopf herrscht gähnende Leere.

"Sie..äh.. hat doch nur..."

höre ich einen Anfänger sagen.
Sie war die Mutter von zwei Söhnen, 10 und 7 Jahre alt. Ihr Mann hatte sie gestern mit starken Schmerzen inm Becken und einer offenen Unterschenkelfraktur in die Notaufnahme gebracht, nachdem sie beim Spaziergang von einem Auto angefahren wurde.

"Wilson!! Antworten sie mir!"

Callies Stimme nehme ich kaum wahr. Ich beginne zu hyperventilieren. Sie war nun schon seit vier Tagen auf der orthopädischen Station, sie hatte eine Operation zur Beckenstabilisierung und eine zur Knochenfixierung im Unterschenkel hinter sich. Ihr Mann und ihre Kinder hatten sie gestern erst besucht.
Was habe ich getan?
Wie automatisch Strecke ich einen Arm aus, drücke Dr. Torres zur Seite und beginne zu rennen.

"Wilson!!"

Ich ignoriere die Stimmen, die meinen namen rufen. Meine Sicht verschwimmt weiter, aber ich höre nicht auf zu laufen.
Kurze Zeit später finde ich mich in einem Bereitschaftsraum wieder. Ich sitze mit leeren Augen auf der Bettkante und starre auf die gegenüberliegende Wand. Tausend Gedanken schießen mir nun durch den Kopf. Was habe ich falsch gemacht?
Habe ich übersehen, dass sie vielleicht schon Blutverdünner bekommen hatte und habe somit eine innere Blutung ausgelöst?
Habe ich die Krankenakte mit ihren Allergien nicht richtig gelesen und somit einen allergischen Schock ausgelöst?
Habe ich die Kombinationsmöglichkeiten der Medikamente falsch in Erinnerung und habe so eine schwere chemische Reaktion ausgelöst?
Was habe ich getan?

Ich war heute das erste Mal seit langem wieder auf der Orthopädie eingeteilt. Was, wenn ich mich zu sehr an die Pädiatrie gewöhnt habe und ihr eine falsche Dosis Antibiotika gegeben habe, die kaum eine Wirkung hatte?

Es ist meine Schuld. Irgendetwas habe ich übersehen. Ich sehe jetzt schon Anklagen und die Kündigung auf mich zukommen. Mittlerweile laufen die Tränen wie Bäche über meine Wangen und ich sehe aus, als hätte ich eine ganze Woche lang nicht geschlafen, aber das ist mir herzlich egal.
Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon sitze und ob man mich sucht, also bleibe ich hier. Ich verkrieche mich immer in einem Bereitschaftsraum, wenn es mir nicht gut geht. Das habe ich mir bei Alex abgeschaut, er versteckt sich immer hier, wenn er niemanden sehen will.

Plötzlich rüttelt es an der Tür. Gut, dass ich abgeschlossen habe.

"Jo, ich bin's! Bitte mach die Tür auf"

Alex. Ist er extra in die Orthopädie gekommen, im nach mir zu sehen? Und das, nach dem ich auf seinen Heiratsantrag nicht geantwortet habe, weil ich zu überfordert war.
Meine Unfähigkeit hat bestimmt schon im ganzen Krankenhaus die Runde gemacht. Langsam drehe ich den Kopf zur Tür und starre auf die Klinke, die sich wild auf und ab bewegt.

"Jo bitte! Lass mich rein, wir finden eine Lösung"

Er weiß Bescheid. Langsam stehe ich auf und laufe zur Tür. Kaum habe ich das Schloss gedreht, springt die Tür auf und Alex steht vor mir. Als er mich sieht, schließt er die Tür hinter sich und schließt wieder ab.

"Was hast du dir nur..."

Alex will schon anfangen herumzubrüllen, da sieht er mir in die Augen und erkennt, wie schlecht es mit geht.

"Oh Mann, Jo..." flüstert er.

Vorsichtig legt er seine Hand an meine Wange und streicht mir mit dem Daumen die Tränen weg. Er nimmt meine Hand und zieht mich vorsichtig in Richtung Bett. Dort setzt er sich neben mich und legt seine Arme um mich. Dankbar kuschel ich mich an seine warme Brust.

"Jetzt erzähl mir, was passiert ist"

sagt er und blickt mich erwartungsvoll an.
Und ich erzähle ihm alles, woran ich mich erinnere. Währenddessen streicht er mir immer wieder beruhigend über den Kopf. Ich erinnere mich wirklich nicht daran, einen Fehler gemacht zu haben, das macht es für mich aber nur noch schlimmer.
Als ich fertig bin blickt mich Alex nur mitleidig an.

"Komm her"

flüstert er und dreht vorsichtig meinen Kopf in seine Richtung. Er gibt mir einen sanften Kuss und streichelt mir liebevoll über die Wange. Ich könnte für immer hier in seinen Armen liegen bleiben.
Aber genau dann geht mein Paiger los. Ich kann das nicht, ich will nicht draufsehem, zu groß ist meine Angst vor einer Kündigung. Alex merkt, dass ich nicht reagiere und holt mit einer Hand den Paiger aus meiner Tasche. Er blickt kurz drauf uns seufzt dann erleichtert. Panisch löse ich mich von ihm und setze mich auf.

"Alles Gut! Dir passiert nichts, die Frau hatte eine schwere Penicillinallergie, die sie entweder nicht angegeben hat oder von der sie nichts wusste. Deshalb hat sie den allergischen Schock erlitten. Nichts von allem ist deine Schuld Jo!"

Alex blickt mich lächelnd an und hält mir den Paiger mit der Nachricht vor die Nase.

"Oh Gott"

Erleichtert fange ich wieder an zu weinen und falle Alex um den Hals.
Ich liebe ihn so sehr, ich will nicht mehr ohne ihn Leben. Egal, was zwischen uns passiert ist, er wird immer für mich da sein, wenn ich ihn brauche. Und in diesem Moment wird mir einiges klar. Egal, was die Zukunft noch bringt, ich will mit ihm diesen Weg gehen. Egal, ob ich dafür in ein total überteuertes weißes Kleid steigen muss oder nicht.

"Ja, ich will" flüstere ich.

Alex lässt mich los und blickt mich perplex an, als könne er nicht glauben, was er da gehört hat. Fragend blickt er mir in die Augen.

"Ja, ich will Alex"

wiederhole ich und sehe, wie ihm ein riesiges Grinsen über das Gesicht huscht.
Mit einer Hand drückt er mich vorsichtig in die Kissen, beugt sich über mich und küsst mich stürmisch. Ich schlinge meine Beine um seine Hüfte und er senkt seinen Oberkörper weiter ab, um den Abstand zwischen uns zu minimieren. Meine eine Hand wandert unter sein Hemd und die andere lege ich an seine Wange. Alex' freie Hand wandert zu meiner Brust und er beginnt, sie zu massieren.
Seine Küsse wandern meinen Hals entlang und ich vergrabe meine Hand in seinen Haaren. Das gibt morgen bestimmt einen fetten Knutschfleck!
Als er sich an einer besonders empfindlichen Stelle an meinem Schlüsselbein festsaugt, vergrabe ich meine Nägel in seinen Rücken, woraufhin er aufstöhnt. Er setzt seine Küsse fort und wandert wieder zurück zu meinem Hals.

"Ich liebe dich, Jo"

flüstert er, als er an meinem Ohr angekommt. Glücklich seufze ich und gebe Alex einen Kuss auf seine Schläfe, während er meinen Hals verwöhnt.

"Ich liebe dich auch, Alex"

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⏰ Last updated: Dec 27, 2018 ⏰

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