Kapitel 82

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Halsey - Without Me

Es mag sein, dass diese fast drei Wochen bewusster Distanzierung von Ardan falsch sind, aber ich kann seit Mamas Aussage nicht mehr so denken, wie zuvor. Ich habe mich in meinem Lernstoff vergraben und bedauere sogar, dass die Klausurphase für mich zu Ende ist. Und sein Geburtstag steht auch noch vor der Tür. Ich will nicht darüber reden und das ist komplett falsch. So darf ich nicht sein, aber alles in mir sträubt sich dagegen, mit Ardan darüber sprechen zu wollen. Ich tue mir selber damit keinen Gefallen und eigentlich würde ich mir selber einen Schlag gegen den Hinterkopf verpassen, weil ich so stur reagiere, aber andererseits haben wir uns nur einen Monat vage gesehen und es ist nichts passiert. Wie soll ich die Sache nur angehen? Kann ich nicht noch eine Klausur schreiben, damit ich den Gedanken verschieben kann? Ich bin so froh, dass ich weder in den Klausuren, noch beim Lernen an mein Problem gedacht habe. Ich lag nach jeder Klausur einfach im Bett und habe ein winziges Brainstorming gemacht - mehr auch nicht. Auf seine Nachrichten habe ich nur ganz knapp geantwortet. Es tut mir leid, dass ich mich so distanziert verhalte, während er mich voller Wärme empfängt und mich sorgsam ausfragt. Er bietet mir seine Hilfe an und fragt mich, ob ich einen Wunsch habe und ich blocke ihn so skrupellos ab. Im Sportunterricht sehen wir uns am meisten, da beide Sportkurse in der Halle sind und oftmals zu den Freunden in den anderen Kurs rennen - gerade deshalb habe ich keine Lust auf Sport.

"Cana?" Ich entferne mein Bettelarmband und tue es mit einem trägen Blick in mein lila Samtsäckchen. Die Kette verstecke ich unter meinem T-Shirt. Das ist sowieso nicht tief geschnitten. Erst dann reagiere ich auf Yasmin. "Was ist los?" Als Antwort zucke ich mit meinen Schultern. Ich weiß irgendwie, was mein Problem ist, aber irgendwie weiß ich es auch nicht, weil es eher nur eine Hypothese ist und kein bestätigtes Problem. Es kann alles eine Einbildung sein, aber es gibt Dinge, die diese Einbildungen eben nicht als reine Einbildungen erscheinen lassen. Es kann alles ein Zufall sein oder wirklich eine Botschaft. Und ich? Ich werde wohl das kleine Opfer sein. Ich will nichts bereuen. Ich will mir weder Druck noch Stress machen, aber beides verspüre ich seit Tagen immer mehr. Ich will mich in mein Bett legen und mich für einen Moment ausweinen oder so, nur um dann neue Kraft zu sammeln. Aber das wird mein Problem nicht wirklich lösen; ich muss mit Ardan reden. Von ihm fordere ich doch dasselbe, wieso mache ich es dann nicht? Meinen Blick halte ich gesenkt, als ich in die Sporthalle trete. Wieso brauchen alle immer so lange? Sie reden bestimmt alle noch unter sich und albern herum. Wenn ich gut gelaunt wäre, dann würde ich es auch tun. Soll ich mich heute mit ihm treffen und es ansprechen? Ich weiß nicht so recht ... mir fehlt der Wille dazu. Wieso habe ich so negative und falsche Gedanken? Ich will meine Beziehung nicht gefährden. Voller Frustration seufze ich gegen meine Hände, die mir über mein Gesicht fahren.

"Was ist los?" Wieso spricht er mich jetzt an? Ich hebe trocken den Blick zu Kayas Gesicht an. "Wieso so traurig?" Er setzt sich zu mir auf die Bank. Unauffällig rutsche ich weg von ihm. Das Letzte, was ich will, ist es, dass es zu einem Missverständnis kommt. "Na los, erzähl es mir." Wieso rutscht er jetzt so nah auf? Er macht mich wütend. "Ardan!", stöhnt ihre Drecksstimme schon fast. Wie ich dieses Miststück hasse! Wieso ruft Didem jetzt nach Ardan? Ich werde unruhig, wippe mit meinem Bein herum. "Mann, wieso bist du so?" "Was willst du eigentlich von mir?", brülle ich Kaya schon fast an. Merkt er nicht, dass ich nicht mit ihm reden will? Begreifen Typen es überhaupt nicht, wenn man kein Bedarf hat? "Ich will nicht mit dir reden, also lass mich doch einfach in Ruhe! Was muss dir meine Körpersprache denn noch sagen?" Einige treten jetzt aus den Kabinen. Ach, jetzt sind sie alle plötzlich fertig oder was? "Chill doch." Gott, macht er mich wütend! "Halt doch einfach dein Maul und hör auf, mich zu nerven!" Meine Augen sind schon ganz glasig. Ich will mir nicht noch mehr Stress antun und dann kommt dieser braunäugige Idiot. "Was ist los?" Ich spanne mich unwillkürlich an, als sich Ardan zu uns stellt. Keinen Stress machen. Mach dir keinen Stress, rede ich mir innerlich selber zu. Ardan schaut streng zu Kaya und bemerkt den geringen Abstand zwischen uns. "Wieso lässt du sie nicht in Ruhe?" "Bist du ihr Bodyguard oder was?", fragt Kaya spöttisch. Ardans Brust wirkt durch seine Position breiter und aufgeplusterter. "Bin ich." Trotz seines strengen Blickes bleibt Ardan ruhig.

HerzensdiebWhere stories live. Discover now