Kapitel 2

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Mein Rücken schmerzte. Ich machte die Augen auf und schloss sie sofort wieder. Ich hatte das Gefühl, dass die Decke auf mich zustürzen würde. Plötzlich fiel mir ein, dass ich letzte Nacht vor meinem Bruder geflohen war und mich mit Gilde in diesem kleinen Raum versteckt hatte. Ich öffnete erneut die Augen und setzte mich auf. Jeder Knochen tat mir weh. Das Bett knarrte und Gilde, die neben mir auf dem Boden lag, regte sich. Ich streckte mich und versuchte die schmerzenden Knochen zu ignorieren.

Auch Gilde reckte sich und stand auf. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als ich. Ich erinnerte mich noch an den Tag als ich mit dreizehn feststellte, dass ich größer war als sie.

Gilde war seit ich fünf war meine Zofe. Sie war damals 16 Jahre alt und stammte aus einer Bauernfamilie. Die Stellung als Zofe war für sie ein großer gesellschaftlicher Aufstieg. Noch heute profitierte ihre Familie davon. Auch wenn ihre Eltern nicht mehr am Leben waren, ging sie einmal die Woche nach Hause zu ihrem Bruder und seiner Familie und unterstützte diese. Als ich noch klein war, hatte ich sie mal gefragt, warum sie keine Kinder habe, aber sie antwortete mir nur, dass sie ja mich habe. Jetzt nervte ich sie gerne mal damit, dass sie immer noch keinen Mann gefunden hatte: „Du bist jetzt 28 und hast immer noch keinen Mann gefunden. Ich werde noch vor dir verheiratet sein. Willst du das wirklich?" Aber sie ließ es nur an sich abprallen.

Die Truhe knarrte und riss mich aus meinen Gedanken. Gilde stand vor der Truhe am Fußende des Bettes und durchwühlte ihren Inhalt. Sie förderte ein Kleidungsstück, ein Band und einen Kamm zutage. „Ich habe nur die grobe Kleidung einer Magd, aber Ihr braucht frische Kleidung." Ich sah an meinem Nachtgewand herunter und stimmte ihr zu. Sie half mir in das schwere und kratzige Kleid einer Magd. Dann kämmte sie mich, flocht mein dickes blondes Haar zu einem langen Zopf und band es mit einem roten Band zusammen. Meinen Mantel legte sie ordentlich auf dem Bett zusammen. „Jetzt holen wir Euch erstmal etwas zu essen. Kommt mit, wir essen in der Küche, wenn Ihr nichts dagegen habt." Ich schüttelte den Kopf und Gilde öffnete die Tür.

In der Küche war es warm und roch herrlich nach frischem Brot. Als die Köchin mich erblickte, machte sie einen Knicks und führte uns zu einem kleinen massiven Tisch mit vielen Kratzern und Schrammen. Eine Magd brachte uns Brot, Marmelade, Schinken und Käse. Sobald sie an unseren Tisch kam, knickste sie ebenfalls. Ich strich mein geborgtes Kleid der Magd, was genauso aussah wie das der Magd, die zu unserem Tisch gekommen war, glatt. „Wie konnte die Köchin mich erkennen? Ich trage doch genau das gleiche Kleid wie die anderen." Neben der Köchin wirbelten noch drei andere Mägde durch die Küche. Es wirkte wie ein genau einstudierter Tanz. Gilde lachte: „Keine Magd hat so ein gepflegtes Äußeres wie Ihr. Schaut Euch doch mal Eure Hände an. Kein Schmutz, gepflegte Fingernägel und nicht die kleinste Narbe eines Schnittes. Ihr habt noch nie mit den Händen gearbeitet und das kann man Euch ansehen." Ich runzelte die Stirn und strich mir gedankenverloren Marmelade auf eine Scheibe Brot. „Würde ich in keinem Fall als eine Dienstbotin durchgehen?" Gilde biss gerade von ihrem mit Honig geschmierten Brot ab und legte kauend den Kopf schief während sie überlegte. „Wenn Ihr Euch die Haare zusammenbinden und eine Haube aufsetzen würdet, könnte man Euch für eine Zofe halten." Ich ließ meinen Blick an Gilde von oben nach unten gleiten und ein Bild entstand vor meinem inneren Auge. Während das Bild in meinem Kopf immer klarer wurde, vergaß ich das Essen. Auch Gilde hörte auf zu kauen und schaute mich mit gerunzelter Stirn an. „Ist bei Euch alles in Ordnung, Hoheit?" Ich antwortete nicht und Gilde sah noch besorgter aus, sagte aber nichts mehr. Schweigend aß ich weiter und Gilde tat es mit mir gleich ohne mich jedoch aus den Augen zu lassen.

Als wir fertig waren bedankte ich mich bei der Köchin und wir gingen in meine Gemächer.



Unter der Haube goldenes HaarWhere stories live. Discover now