Kapitel 9 - Verrückte Familien

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„Ich will es wissen", beharrte Kathy.

Joshua sah sie unglücklich an und wäre sie nicht so durcheinander gewesen, dann hätte sie sicher Mitgefühl für ihn gehabt, aber dafür hatte sie im Moment keinen Nerv.

„Joshua, sag mir endlich woher du meinen vollen Namen kennst. Niemand benutzt ihn, alle sagen Kathy zu mir."

Sichtlich aufgewühlt fuhr er sich durch die Haare, so dass ihm die dicken Locken wirr vom Kopf abstanden. Er sah aus, als würde er Essig trinken, als er schließlich sagte: „Ich kenne ihn von meiner Mom."

„Deiner Mom?", fragte Kathy perplex.

„Ja."

„Kenne ich sie? Oder kennt sie mich?"

„Nein... das ist kompliziert. Ach, verdammt." Er sah sich um, als suche er nach einer Fluchtmöglichkeit, eher er wieder ihren Blick erwiderte. „Das Hexenblut habe ich von meinem Vater, meine Mutter hingegen ist Seherin. Das kommt in ihrer Blutlinie alle paar Jahre vor."

„Sie hatte eine Vision von mir?", fragte Kathy und war gegen ihren Willen neugierig. Echte Sehergaben waren etwas anderes als die Sache mit den Tarotkarten, die eigentlich jeder Capacius lernen konnte. Ihre Visionen waren meist sehr präzise und kamen oft ungefragt, scheinbar völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

„Ja und nein", murmelte Joshua. Er trat einen Schritt auf sie zu, doch er wich ihrem Blick aus als er hastig hinzufügte: „Sie hat eigentlich meine Zukunft gesehen. Damals war ich noch ein Teenager und wir haben in einer anderen Stadt gelebt. Eines Nachmittags kam ich von der Schule heim und sie hat mich so seltsam angelächelt, wie sie es immer tat wenn sie eine Vision hatte. Sie hat mir gesagt, ich soll mir einen Namen gut merken."

„Meinen?"

Joshua nickte.

„Aber warum?"

„Wenn ich es dir sage hältst du mich für verrückt oder für einen Stalker oder womöglich noch für beides." Er wirkte unglücklich und das behagte Kathy gar nicht, obwohl sie wusste wie irrational das war. Okay, er steckte doch nicht mit dem Halbgott unter einer Decke oder versuchte sie wegen ihrer Fähigkeiten zu entführen, aber geheuer war ihr das trotzdem nicht.

Unwillkürlich schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Ein wenig schief, aber immerhin. „Ich halte dich nicht für verrückt. Glaub mir, in den letzten paar Tagen hat sich meine Toleranzgrenze für Verrücktheiten massiv nach oben verschoben."

„Okay, wie du meinst", sagte er und schaute wenn möglich noch unglücklicher drein. „Meine Mutter meinte, dass ich mit dreißig einer Hexe mit grünen Augen, braunen Locken und dem Namen Kathleen begegnen würde."

Kathy blinzelte ihn irritiert an. „Gut, das ist jetzt nicht alltäglich, aber immer noch nichts weswegen ich dich für geisteskrank erklären würde."

„Aber wahrscheinlich wenn ich dir sage, dass meine Mutter außerdem der festen Überzeugung ist, dass diese Hexe meine Seelengefährtin ist."

„Was?", quiekte Kathy wenig eloquent. Aber das war ihr herzlich egal. In ihrem Kopf herrschte eine erschreckende Leere. Sie konnte nichts weiter tun als Joshua anzusehen, auf dessen Wangen sich eine zarte Röte zeigte. Ihm war es offensichtlich unangenehm darüber zu sprechen.

War das nun gut oder schlecht?

Joshua zuckte mit den Schultern. „Ich hab dir doch gesagt, dass es verrückt ist."

So würde ich das nicht bezeichnen, dachte Kathy bei sich. Laut aussprechen konnte sie es nicht, denn sie war noch immer damit beschäftigt zu verarbeiten was Joshua ihr gesagt hatte. Wenn laut seiner Mutter sie seine Seelengefährtin war, war er das für sie dann im Umkehrschluss auch?

Magical Stories - Zauberhafte Kurzgeschichten (Leseprobe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt