Ryuks Überraschung

Ryuks Langeweile forderte immer Konsequenzen. Einer davon stattete er einen Besuch ab.

"Light?", posaunte er, kaum dass er seinen Kopf durch die Wand gesteckt hatte. Mit gelben Glubschaugen stierte er in das Zimmer, welches Light seit neuestem innerhalb der Ermittlungszentrale zur Verfügung stand. "Light? Hey, Light, bist du da? Light?"

Ein schwerer Atemzug lockte Ryuks Blick in die Tiefe. Zwei Meter unter sich erkannte er einen organisierten Schreibtisch. Darauf lagen ein Stapel farbiger Blätter und eine Plastiktüte, in der sich unzählige rundliche Papierschnipsel aneinanderdrängten. Gerade wurden diese um eine Handvoll erweitert.

Ryuk glotzte fasziniert auf die bunte Mischung, dann auf die Finger, die sich aus der Tüte zurückzogen, und schließlich auf den zu den Fingern gehörenden Menschen, der vor dem Schreibtisch saß und den Kopf über sich ignorierte.

"Da bist du ja, Light! Man, warum antwortest du denn nicht?"

Keine Reaktion. Light beachtete den quengelnden Shinigami überhaupt nicht, sondern widmete sich hochkonzentriert seiner Tätigkeit, die darin bestand eines der Blätter mit einem für Ryuk fremden Gerät zu malträtieren. Knackende Geräusche füllten den Raum, dann ein Rascheln, als Light neue Papierschnipsel von der Schreibtischplatte in die Tüte beförderte.

"Light! Light, nun sag doch was! Light!" Ryuk tauchte endgültig durch die Wand und schwebte hinab. Interessiert lugte er über Lights Schulter, die sich mit jedem weiteren Knacken hob und senkte wie bei einer Maschine, die auf eine einzige Bewegung programmiert worden war. Oder auf zwei Bewegungen, wenn man das Einsammeln der bunten Schnipsel gesondert betrachten wollte. Ryuk wollte das nicht. Ihm waren solche Gedanken egal. Für ihn zählte nur die Beachtung, die er einfach nicht erhaschen konnte. "Light", jammerte er.

"Er kann nicht mit dir reden", mischte sich eine weibliche Stimme aus dem Hintergrund so plötzlich ein, dass Ryuk zurück hechtete wie eine Katze, der man gerade eine Gurke vor die Füße geworfen hatte. Er trudelte durch die Luft und erkannte Rem, die nun ihrerseits durch eine Wand glitt als bestünde die aus Wasser. "L hat Light zwar von den Ketten erlöst, doch unter Beobachtung steht er weiterhin. Sieh!", deutete Rem auf die Deckenlampe.

"Kameras", stellte Ryuk ernüchtert fest und seufzte. Seine überlangen Arme sackten noch weiter als üblich gen Boden. "Also kann ich nicht mit ihm quatschen, hm?"

"Nein."

"Und 'nen Apfel wird er mir auch nicht geben." Ryuks Hoffnung erstrahlte und verpuffte zugleich, als er Rems Gesicht erblickte. Hätte sie Augenbrauen gehabt, wäre eine davon vermutlich tadelnd in die Höhe gewandert.

"Was machst du überhaupt hier?", hakte Rem in dem Moment nach, als Light die Tüte zum Rascheln brachte.

"Mir war langweilig. Nein", stöhnte Ryuk gequält, "mir ist langweilig!"

Rem blinzelte im Takt des Knackens, das in stets energischer werdendem Rhythmus den Raum füllte. "Dann such dir eine Beschäftigung. Eine, die Light nicht ablenkt oder ihn, wenn nicht sogar Misa, in Gefahr bringt."

"Misa ist mir schnuppe", winkte Ryuk ab und wirbelte herum, um Rems stechendem Blick auszuweichen. "Wovon soll ich Light eigentlich nicht ablenken?", wollte er wissen. "Was macht der Junge da überhaupt?" Mit schiefliegendem Kopf betrachtete er Lights rechte Hand dabei, wie sie auf das unbekannte Gerät einhämmerte. Kreisrunde Löcher fraßen sich in das Papier, welches von seiner linken Hand durch einen Schlitz geschoben wurde wie Stoff durch eine Nähmaschine.

Rem ließ sich vom beschleunigten Knacken locken, trottete ebenfalls auf Light zu und sah über die Schulter, die momentan nicht von Ryuk belagert wurde. "Konfetti", erklärte sie sachlich.