Teufelskerle - Teil 3

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„Könnt Ihr uns nun endlich verraten, was hier los ist?", fordert Anthony Spencer, als der Colonel

für einen Moment im Salon stehen bleibt, um sich zu orientieren.

Der stechende Falkenblick des alten Soldaten richtet sich auf den jungen Mann, dessen Adamsapfel bei dieser Musterung ungemütlich auf und ab hüpft.

„Was hier los ist? Ich kann Ihnen sagen, dass die vier werten Herren keine Schweizer waren.", blafft der Colonel den jungen Studenten an.

„Aber wie kommt Ihr so plötzlich zu dieser Erkenntnis?", wundert sich Warren Howard, der nach dem schnellen Laufen nach Luft ringen muss.

„Die Waffe, nach der dieser Schelm gegriffen hat, ist eine deutsche Offizierspistole.", erklärt der Colonel seine Neubewertung der Lage. „Es muss sich um Agenten der Deutschen handeln. Ich vermute, dass sie das Luftschiff in ihre Finger bekommen wollen. Wer weiß, welche wertvolle Ladung an Bord ist!"

„Das müssen wir unter allen Umständen verhindern!", poltert Howard höchst ungehalten.

„Und zwar schnellstmöglich. Wenn wir weiter auf diesem Kurs unterwegs sind, werden wir bald deutschen Luftraum erreichen.", gibt Anthony Spencer zu bedenken.

Unter buschigen weißen Augenbrauen richten sich die stahlblauen Augen des Colonels auf den jungen Mann. „Spencer, das ist Euer Metier. Ihr seid hier der Luftfahrtexperte. Wie können wir diese Schurken aufhalten?"

„Nun,", der Student schluckt schwer. „wir müssen das Luftschiff zum Landen zwingen, und zwar so, dass man von der Führergondel aus nichts dagegen tun kann.

„Sehr clever.", lobt der Colonel die Idee. „Und wie genau können wir das anstellen?"

„Der Zeppelin wird durch das Gas in der Luft gehalten. Wären wir sicher, dass es Helium ist, könnten wir in die Tanks schießen, so dass das Gas langsam entweicht."

„Aber?", sucht der Militär den Haken an dem Vorschlag.

„Wenn es Wasserstoff ist, dürfte uns das ganze Schiff dabei um die Ohren fliegen.", klärt ihn Spencer auf.

„Das wollen wir dann doch nicht, oder?", versucht es Howard, dessen Gesicht beim Gedanken an einen möglichen bevorstehenden Absturz kreidebleich geworden ist, mit einem müden Witz.

„Wir müssen uns aufteilen.", schlägt der Student der Luftfahrt einer Eingebung folgend vor. „Im Inneren des Luftschiffs führt ein Kielsteg vom Bug bis zum Heck. Von diesem Steg aus kann die Mannschaft im Bedarfsfall Reparaturen auch bei Flugbetrieb durchführen."

„Die Mannschaft, natürlich!", ruft Howard erfreut dazwischen. „Dass wir nicht gleich darauf gekommen sind. Wir müssen die Mannschaft um Hilfe bitten."

Spencer schüttelt bedauernd den Kopf. „Bei dieser Bauart liegen die Mannschaftsräume des Zeppelins direkt neben der Führergondel. Ich bin mir sicher, dass alle Mannschaftsmitglieder in der Gewalt der Deutschen sind."

„Verdammt!", flucht der Colonel herzhaft. „Dann weiter mit ihrem Vorschlag!"

„Ich werde versuchen, das Gestänge des Höhenruders so zu verkeilen, dass es nicht mehr bewegt werden kann. Wir müssen einen langsamen Sinkflug einleiten, wenn wir nicht wollen, dass der Zeppelin am Boden zerschellt.", erläutert Anthony Spencer seinen Plan.

„Aber dann sind wir längst in deutschen Breiten, wenn wir den Boden erreichen.", wendet Warren Howard ein.

„Deshalb müssen wir die beiden Motoren auf der Steuerbordseite funktionsunfähig machen. Dann kann das Luftschiff nur noch einseitig angetrieben werden und fliegt folgerichtig im Kreis.", ruft Spencer begeistert aus.

Eine kräftige Pranke klatscht ihm auf die Schulter. „Sie sind genial, mein Junge.", lobt ihn der Colonel. Dann strebt der alte Militär durch den Salon und hebt zwei schwere Taschen aus dem Gepäcknetz.

„Sollten wir uns nicht lieber beeilen?", wundert sich Howard.

„Einen Moment noch!" Lächelnd befördert der Colonel die Bestandteile eines kurzläufigen Steinschlossgewehrs aus den Taschen. „Ohne meinen Paget mache ich keine Reise.", grinst er in die Runde und setzt mit geübten Händen die Flinte zusammen. „Es ist nicht die modernste Waffe und im Feld schon längst nicht mehr zu gebrauchen, aber um Motoren zu Sieben zu verarbeiten, ist dieses Schätzchen bestens geeignet. Wir folgen Euch!", fordert er Spencer auf, ihnen den Weg zu weisen.

Der junge Mann stemmt mit einer Eisenstange und großer Kraftanstrengung eine Tür im hinteren Teil des Salons auf. Durch die Luke können die Männer einen Laufsteg erkennen, der sich weit hinten in den Eingeweiden des Luftschiffes verliert. „Ich werde bis ganz ans Ende des Stegs gehen müssen. Ihr, Colonel, nutzt am besten die beiden Abzweigungen zur Linken, von denen Ihr die erste dort vorn seht. Die führen Euch zu den Motoren.", erläutert Spencer sein Vorhaben und begibt sich ohne weitere Umschweife auf den Kielsteg.

„Spencer!", ruft ihn der Colonel noch einmal zurück.

Zögernd bleibt der junge Mann stehen und dreht sich um.

„Viel Glück, mein Junge!" ruft der erfahrene Soldat in den Lärm des Flugwindes hinaus. „Sie werden sicher noch ein passabler Whistspieler."

Mit einem breiten Lächeln salutiert Anthony Spencer linkisch und macht sich dann wieder auf den Weg zum Heck des Zeppelins.

„Colonel.", hält Warren Howard seinerseits den alten Mann in seiner Uniform zurück. „Was ist meine Aufgabe bei dieser ganzen Sache?"

Egerton greift in seinen Uniformrock und fördert eine kleine zweiläufige Pistole zu Tage. „Ihr haltet hier Wache!", fordert er den Diplomaten auf. „Und betet, Howard! Betet!"

Mit einem Zwinkern überreicht der Colonel dem totenbleichen Anzugträger die Pistole und eilt dann dem jungen Studenten hinterher in den riesigen Rumpf des Schiffes.

„Aber ich weiß doch gar nicht, wie man...", ruft ihm Warren Howard nach. Plötzlich bricht sich ein lauter Knall Bahn. „Verdammt!", flucht Howard und schaut mit schreckgeweiteten Augen zu dem Gastank, den die Kugel aus der Pistole in seiner Hand durchschlagen hat. Zischend entweicht Gas durch das winzige Loch.

Tief in den Innereien des Schiffes bricht Anthony Spencer in ein hysterisches Lachen aus. „Helium!", schreit er zu den Männern hinter ihm. „Es ist Helium!"

TeufelskerleWhere stories live. Discover now