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„Kiyoshi, aufstehen!“, schrie meine Mutter, als sie meine Tür aufriss. Ich nahm mein Kopfkissen und legte es auf mein Gesicht. „Ich will nicht aufstehen!“, nuschelte ich in mein Kissen rein. „In 5 Minuten fängt aber die Schule an.“ Ich seufzte. „Ich will trotzdem nicht.“ „Kiyoshi, du stehst jetzt auf oder ich bring’ dich um!“, schrie meine Mutter wieder. „Damit hab ich kein Problem“, murmelte ich als ich mein Kissen auf die Seite legte. Ich stand auf und ging erst einmal ins Bad. „Beeil dich!“, schrie meine Mutter mir noch hinterher. Ich ging schnell aufs Klo, putzte mir die Zähne und packte meine Sachen. „Ich geh’ dann. Tschüss!“, rief ich noch als ich das Haus verließ.

Ich lief ziemlich schnell zur Schule und war auch schon in 5 Minuten da, obwohl ich eigentlich 15 Minuten dafür bräuchte. Schwer atmend kam ich an der Schule an. Schnell schauen, in welcher Klasse ich bin. Ja, es ist der erste Schultag und ich komme schon zu spät. Kiyoshi steht wo? Ich suchte angestrengt, bis ich endlich meinen Namen fand. 10c. Okay, und wo haben die? Ich schaute nach meinem Raum und lief dann los. Als ich vor der Tür stand, klopfte ich.

„Herein!“, rief eine ältere Stimme. Ich öffnete die Tür und lief rein. „Entschuldigung“, murmelte ich und schaute nach einem Platz. Jeder Platz außer einer ist besetzt. Wir sind aber eine große Klasse. Hinten in der Ecke ist der einzige freie Platz. „Wer bist du denn?“, fragte mich die Stimme, die von meinem Lehrer kam. „Kiyoshi“, antwortete ich. „Nachname?“ „Watanabe“ Der Lehrer nickte, schrieb etwas in sein Heft und sagte mir, dass ich mich setzten solle. Ich lief los und setzte mich auf diesen einzigen freien Platz, der neben einem Jungen war, den ich noch nie gesehen habe. Okay, ich habe die meisten Schüler noch nie gesehen. Ich packte meinen Block aus und einen Stift. Das sollte reichen. Der Lehrer hatte schon angefangen, dieses organisatorisches Zeug zu erklären, aber da hörte ich nicht zu. Ich schrieb lediglich den Stundenplan ab.

Nach dem ganzen organisatorischen Zeug klingelte es zur großen Pause. Manche Leute standen auf und liefen zu ihren Freunden, manche gingen raus und ich blieb auf meinem Platz sitzen. Bei dem Jungen neben mir waren sehr viele Leute. Vor allem Mädchen, aber auch ein paar Jungs. Die meisten Jungs hatten ihre eigenen Grüppchen gemacht und unterhielten sich. Genauso wie die Leute neben mir. Die sind so laut. Das ist so nervig. Seid doch einfach still.

„Makoto, hast du das Spiel schon gespielt, das ich dir gegeben habe?“, fragte ein Junge einen anderen, die beide bei meinem Sitznachbar standen. Makoto nickte. „Ja, das ist mega geil.“ „Wie könnt ihr euch nur über irgendwelche Spiele unterhalten?“, fragte nun ein Mädchen. Er schaute sie schief an. „Wie kannst du dich nur mit shoppen und schminken beschäftigen, Sumi?“, fragte er. „So etwas macht Spaß“, meinte Sumi und drehte sich um und ging zu zwei anderen Mädchen am anderen Ende des Raumes. „Ich denke, jetzt ist sie sauer“, meinte der Junge, der neben mir saß. „Sei still, Taki.“ „Ach komm schon, ist doch nicht so schlimm“, sagte Taki. „Du weißt doch, dass ich in sie verknallt bin.“ „Dann sei nicht so zu ihr. Sei nett und beleidige sie nicht, auch wenn sie dich beleidigt. Auch wenn das nicht deine Art ist“, meinte Taki. Makoto streckte ihm die Zunge raus. „Sei du bloß froh, dass dich jedes Mädchen liebt.“ Ach, also ist dieser Taki so ein Mädchenschwarm. Kann ich denen auch nicht verübeln, er sieht ja auch richtig gut aus. Was red’ ich da bloß? Der ist doch bestimmt nicht schwul und kommt mit mir zusammen. Ich atmete tief aus und drehte mich von den Leuten weg.
Wann ist denn die Pause endlich um? Ich schaute auf die Uhr. Noch 5 Minuten. Das ist viel zu lang. Ich muss noch so lange in der Schule bleiben. Es ist so langweilig hier. Ich will wieder nach Hause. In mein schönes, warmes Bett. Ich senkte meinen Kopf auf den Tisch.

„Bist du immer so?“, fragte eine mir unbekannte Stimme. Ich hob meinen Kopf wieder. Es war ein Mädchen. Sie war recht klein, hatte braune, schulterlange Haare und sah eigentlich süß aus. Ein bisschen. Ich zuckte mit den Schultern. „Schon“ Sie schaute mich komisch an, als hätte ich eine andere Sprache gesprochen. Kommt jetzt noch was? Oder sollen wir uns nur so anstarren? „Dann bist du ja voll langweilig“, sagte sie wie ein Kindergartenkind. „Kann sein.“ Das kann nicht sein, es ist so. Ich bin ein richtig langweiliger, schwuler, kleiner Junge, den keiner mag, weswegen er immer alleine ist. „Ich bin Kaede. Wir könnten Freunde sein“, meinte sie. „Auch wenn ich so langweilig bin?“, fragte ich. Sie nickte. „Okay, ich bin Kiyoshi“, stellte ich mich vor. „Ich weiß. Du bist der, der zu spät kommt“, lachte sie. Ja, so kann man es auch sagen. „Also dann, bis später“, sagte sie und ging wieder. Was war das denn für eine Begegnung?

Es klingelte und alle setzten sich wieder auf ihren Platz. Der Lehrer kam ein paar Minuten später und fing mit dem Unterricht an. „So, ich bin Herr Itami. Ich unterrichte euch in Physik“, stellte er sich vor. Er klingt nett. „Für den Anfang möchte ich gerne, dass ihr zu zweit zu einem Thema, das hier auf dem Blatt steht …“ Er hob einen Zettel hoch. „Eine Präsentation macht.“ Und er hat verkackt. „Ihr macht die Präsentation mit eurem Sitznachbar.“ Noch schlimmer, sonst hätte ich das noch mit Kaede machen können. "Hallo Sitznachbar", sagte Taki. Ich schaute zu ihm. „Hi“, sagte ich schnell. Ich will nicht mit ihm reden. „Welches Thema sollen wir nehmen?“, fragte er, als das Themenblatt bei uns ankam. Ich zuckte mit den Schultern. Ich werde kein Wort mit dir reden. „Wie wärs mit dem?“ Er zeigte auf eins, dass sich interessant anhörte. Ich nickte und er schrieb unsere Namen aufs Blatt. Als das Blatt wieder bei Herr Itami ankam, sagte er, dass die Präsentation noch diese Woche gemacht werden sollen. „Sollen wir uns dann heute gleich treffen?“, fragte Taki leise. Ich nickte. Nein, bloß nicht. Am besten gar nicht. „Willst du zu mir?“, fragte er weiter. Ich nickte wieder. „Gut, dann kommst du nach der Schule gleich zu mir“, sagte er und drehte sich nach vorne. Ich drehte mich auch wieder nach vorne.

Es klingelte endlich zum Schulende und alle packten ihre Sachen ein, auch ich. Die ganze Schule war richtig langweilig, aber ich hab überlebt. Leider, denn morgen muss ich nochmal in die Schule und den Tag darauf und die ganze Woche lang und den ganzen Monat lang und das ganze Jahr lang. Ich motiviere mich ja richtig. Ich wollte nach Hause gehen, doch ein Arm hielt mich fest. „Wohin willst du denn gehen?“, sagte Taki. Das klang wie ein Vergewaltiger. „Nach Hause?“, sagte ich und wollte weiter laufen. „Du kommst mit zu mir?“, sagte er selbstverständlich. „Warum?“ Was will der denn? Hab ich was falsch gemacht? Redet der wirklich mit mir? „Wegen der Präsentation?“, sagte er. „Oh“, das habe ich ganz vergessen. Man, hab ich Alzheimer? „Also komm“, sagte er, verabschiedete sich noch von seinen 1.000.000 Freunden und lief dann los. Ich folgte ihm. Auf dem ganzen Weg hat keiner von uns ein weiteres Wort gesagt.

Is He Gay? (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt