Von Krokodilen und roten Abendkleidern

215 17 6
                                    

Ein selbstsicheres Grinsen bildete sich auf Kim Namjoons Lippen, als er die Tür des schwarzen Mercedes zuschlug, der sich einen Moment später wieder in den nie verstummenden Verkehr auf den Straßen Seouls einordnete. Stille war in dieser Stadt schon beinahe ein Mythos, was sowohl Vor- als auch Nachteile in Form von Schlafmangel und Anonymität mit sich zog.

Das selbst um diese späte Stunde lebhafte Treiben zwischen den Hochhäusern der Hauptstadt gab dem Agenten die Möglichkeit in der Menge abzutauchen und sich so absolut unbemerkt dem Gebäude zu nähern, das er heute infiltrieren würde. Ein besonders hoher und vor allem luxuriöser Wolkenkratzer, wie der Erzähler empfand, dessen Meinung hier jedoch nicht von Bedeutung war.

So dachte auch der Agent, der mittlerweile am Fuße des Gebäudes in einer Seitengasse abgetaucht war, in die das Licht der Straßenlaternen und Werbetafeln nur spärlich drang. Schon öfters hatte er das Gefühl gehabt, in seinem Kopf eine Stimme zu hören, die jede einzige seiner Aktionen kommentierte und ins Detail beschrieb. Anstrengend, jedoch hatte die Stimme ihm schon das ein oder andere Mal aus einer brenzligen Situation geholfen, weshalb er sich gegen einen Besuch beim Psychotherapeuten sträubte.

Namjoon schüttelte den Kopf und gewann so seine Konzentration für den bevorstehenden Einsatz zurück. Er atmete einmal tief durch, richtete seine Krawatte und zog aus einer zuvor nicht sichtbaren Tasche seines Anzugs eine Seilpistole. Zielen, Schießen, Seil einziehen, und schon stand der junge Mann auf dem Dach des Hochhauses.

Schon längst hatte er aufgegeben, gewisse Dinge (beispielsweise die Tatsache, dass Seilpistolen nur in Actionfilmen und Cartoons funktionierten) zu hinterfragen, denn jedes Mal wenn er es tat, meldete sich die Stimme in seinem Kopf und begann sich lautstark darüber zu beschweren, dass er mit seinem Realismus den Fantasieaspekt der Geschichte ruinierte.

Erneut seufzte Namjoon und versuchte diesen Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Jetzt zählte nur eines: die Mission. Deshalb ließ der Agent die Seilpistole wieder in seinem wirklich schicken, maßgeschneiderten Anzug verschwinden und schob den Ärmel seines schwarzen Hemdes etwas hoch, worauf eine in den Augen des Erzählers viel zu teuer aussehende Armbanduhr zum Vorschein kam. Diese hob er näher an sein Gesicht und drückte dann einen der zwei Knöpfe, die sich am Rand des Accessoires befanden.

"Agent RM an Zentrale. Ich habe den Zielort erreicht und werde jetzt einsteigen."

Aus dem kleinen Lautsprecher in seinem rechten Ohr ertönte die raue Stimme des leitenden Technikers des Teams, einem engen Freund des Agenten.

"Genius an Grübchen. Ich habe das Sicherheitssystem lahmgelegt, du kannst also einfach reingehen. Pass aber auf, dass du in einem Stück wiederkommst."

Namjoon grinste kurz, worauf besagte Grübchen auf seinen Wangen erschienen.

"Jaja, Hyung. Pass du lieber auf, dass du nicht vor deinen Monitoren einschläfst. Over."

"Fick dich", hörte er noch, was ihm ein erneutes Schmunzeln einbrachte, dann näherte er sich der Tür, die laut Lageplan in das Treppenhaus des Gebäudes führte.

Die polierten Lederschuhe des Agenten hinterließen auf dem dicken Teppich, der durch jegliche Flure des Gebäudes führte, kein Geräusch. So hatte Namjoon unbemerkt bis ins Herz des Hauses schleichen können, vorbei an etlichen Ölgemälden und Marmorbüsten, die alle die gleiche Person darstellten: Jung Hoseok, Namjoons kosmischen Widersacher und einen der berüchtigtsten Fädenzieher der Koreanischen Mafia. Organisiertes Verbrechen, Drogen, Entführungen und ähnliches standen an der Tagesordnung, mal ganz abgesehen von seiner verbotenen Schönheit (von der sich Namjoon jedoch nicht täuschen ließ, er war treu).

Hinter einer dieser Büsten, die auf massiven Steinsockeln positioniert waren, versteckte sich der Agent, während er die Haupthalle des Gebäudekomplexes genauer unter die Lupe nahm. Die geradezu lächerliche Anzahl an Wachen, welche sich auf zwei junge, hübsche Männer betrug, alarmierte sowohl den Agenten als auch den Erzähler, der dem Geschehen mit gerunzelter Stirn folgte.

Agent RM in: RESCUE MISSION | Namjin OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt