Kapitel 6

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Kapitel 6

Der Gehilfe des Arztes zeigte ihnen, wo sie sich waschen und ihre Kleidung oberflächlich reinigen konnten. Sie waren hintereinander durch einen schmalen Flur in einen Innenhof gelangt. Dort standen neben einigen Holzbänken mehrere Eimer neben einem ummauerten, kleinen Brunnen. Wahrscheinlich erhielt der sein Wasser vom naheliegenden Aquädukt.

Die hellgrünen Blätter der Bäume, die den Hof vor zu viel Sonnenlicht schützten, ließen das Haus wie eine Oase wirken. Als dann noch zwei ältere Frauen mit frischen Handtüchern kamen und ihnen etwas Wasser, Wein und Obst anboten, vergaß Anna für einen Moment den eigentlichen Grund ihrer Anwesenheit. Sie sank auf eine Bank und schloss ihre Augen.

Sie hörte die ruhige Stimme eines Mannes, der Arzt wohl, der sie nach ihren Wünschen fragte und Feldwebel Markianos herzlich begrüßte. Dieser schien ihn gut zu kennen. Anna öffnete ihre Augen. Johannes wies gerade auf sie und der Arzt kam auf sie zu.

„Ihr seid auch verletzt, habe ich gerade vernommen. Kann ich die Wunde des Feldwebels zuerst versorgen? Und mir dann Eure ansehen? Oder eilt es Euch sehr?“

Er sah sie mitfühlend an. Ihr leichtes Hinken hatte sie anscheinend nicht verbergen können.

„Nein, seht nach ihm zuerst. Er verliert Blut, hat er gesagt. Ich habe nur einen Bluterguss, nehme ich an.“

„In Ordnung. Mein Gehilfe wird Euch ein kühles, nasses Tuch bringen. Haltet es vorsichtig an die Stelle. Es lindert den Schmerz und verschließt die Gefäße. Die Schwellung wird dadurch verkleinert. Ich sehe gleich nach Euch.“

Er wandte sich um, winkte dem Feldwebel und verschwand mit ihm im Inneren des Hauses.

Johannes setzte sich neben sie. Sie war noch nicht dazu gekommen, ihn zu fragen, wie es ihm ergangen war. Zugleich konnte sie den Leutnant betrachten, der Mantel und Handschuhe wusch. Er schien unverletzt zu sein. Auch die beiden Unteroffiziere wirkten ruhig und aßen etwas Obst. Offenbar waren auch sie nicht ernsthaft getroffen worden. Feldwebel Markianos hatte die einzige sichtbare Wunde davongetragen. Johannes sprach sie an.

„Prinzessin, habt Ihr euch etwas erholen können? Das war ein gut vorbereiteter Angriff, wie ich meine. Habt Ihr alles sehen können?“

„Nein, Johannes, ich war im Schatten, unter der Arkade in der Haustür. Wie geht es dir denn? Du hast auch gekämpft.“ Sie sprach leise und wechselte zum vertrauten Du.

„Ja, das habe ich. Wir wurden von vorne angegriffen, von vier Männern. Ich habe dich sofort in die Tür geschubst. Dann kamen drei Männer seitlich. Ich hatte mit meinem vollauf zu tun, die anderen kämpften gegen die Unteroffiziere. Ich bekam noch mit, dass der Feldwebel einen Mann gleich zu Beginn tötete. Danach wurde ich getroffen, mein Kettenhemd hielt aber. Es war ein von meinem Schwert abgeglittener, schlecht gezielter Schlag. Ich wich aus und stach meinem Mann in den Bauch. Es ging alles sehr schnell. Die haben nicht mit so viel Widerstand gerechnet, meine ich. Oder sie wollten uns ablenken. Der dunkle Kerl da hatte es ja besonders auf dich abgesehen. Doch den habe ich nicht wahrgenommen. Er muss wohl an uns vorbei auf dich zugeschlichen sein.“

Anna Komnena und die Wächter des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt