Kapitel 10

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Kapitel 10

Das Studios-Kloster war im Jahr 463 n.Chr. gegründet worden. Benannt nach dem Konsul des Jahres 454 n.Chr., war es Johannes dem Täufer geweiht. Mit dem Einrichten einer Schreibschule, dem Aufbau einer Bibliothek und dem Kopieren wichtiger geistlicher Bücher wurde das Kloster immer bedeutsamer.

Die Regeln der einzelnen Klöster wurden in ihrer jeweiligen Gründungsurkunde schriftlich niedergelegt. Es gab keine feststehenden, für alle Klöster gültigen Vorschriften. Entmachtete Kaiser, hohe Militärs und Beamte konnten sich als Mönche aus der Politik zurückziehen. Sie wurden nicht verfolgt, denn sie stellten als Mönche keine politische Gefahr mehr dar.

Das Studios-Kloster lag im äußeren Westen der Stadt. Der Weg dahin würde also einige Zeit in Anspruch nehmen. Sie mussten der Hauptstraße folgen, über die Foren in Richtung des Xylokerkos-Tor. Davor ging es dann links zur Seeseite hinunter.

Die Gruppe hatte ihr Mittagsmahl beendet. Anna war müde, doch zugleich auch froh. Sie hatte den anderen nur kurz von dem Gespräch erzählt. Es gab einen Zusammenhang zwischen den Träumen, den Ereignissen und dem Gedicht. Dennoch war nicht geklärt, inwiefern Michael Psellos und die Tür zu verstehen waren. Jedenfalls gab es auch politische Zusammenhänge.

Feldwebel Markianos stimmte dem zu.

„Prinzessin, Euer Vater ließ den Johannes Italos der Ketzerei anklagen und verurteilen. Es wird bestimmt Aufzeichungen oder Akten darüber geben im Patriarchat. Vielleicht könnt Ihr tatsächlich Euren Vater fragen.“

Die anderen schwiegen. Das Thema war ihnen wohl zu heikel.

Johannes ergriff das Wort.

„Interessant ist, dass wir immer wieder auf diese beiden Männer stoßen, Psellos und Italos. Sie sind die letzten Autoren auf der Liste der Lucia. Psellos ist in den Träumen der Prinzessin, obwohl sie ihn nicht kennt. Psellos ist 1081 n.Chr. gestorben, Italos 1083 n.Chr. nach seiner Verurteilung spurlos verschwunden. Außerdem wird gemordet, damit irgendetwas nicht bekannt wird oder es wird gesucht. Es muss noch ein anderes Schriftstück geben, das ist mein Gefühl.“

„Und vielleicht gibt es auch noch politische Zusammenhänge, die wir nicht kennen“, meinte Leutnant Theodorokanos.

Anna hörte aufmerksam zu.

„Wir sollten uns anhören, was der Mönch zu sagen hat. Ich denke, je mehr sich entwirrt, je mehr komplizieren sich die Zusammenhänge auch wieder“, analysierte sie, „denn bisher sind wir nicht mehr angegriffen oder aufgehalten worden. Das ist seltsam. Entweder wir werden nicht mehr beobachtet oder es geschieht so, dass wir es nicht merken sollen.“

„Vielleicht habt Ihr Recht, Prinzessin“, versetzte der Feldwebel, „dennoch sollten wir nun ins Kloster, damit wir im hellen Tageslicht zurück zum Blachernenpalast kommen. Der Weg zum Kloster ist sehr weit und zeitraubend.“

Anna Komnena und die Wächter des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt