T W E N T Y (Part III)

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Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Ich machte jeden Tag mindestens zwei Mal die Übungen, die Damon mir an dem Abend geschickt hatte. Zwar taten sie höllisch weh, doch ich hatte langsam das Gefühl, dass es ein klitzekleines bisschen besser wurde.

Auch wenn ich Sportverbot hatte, begann ich unter den strengen Augen von James und Damon wieder mit Caleb zu trainieren. Es war kein richtiges Training, wir gingen einfach verschiedene Hebefiguren und Choreografien durch. Dabei begann ich auch ihm langsam zu vertrauen und wir wurden wirklich besser. Trotzdem verkrampfte ich mich meistens noch, weil ich ihm nicht zutraute mein Gewicht zu halten, geschweige denn zu fangen. Aber ich musste mir eingestehen, dass er mich noch nie fallen gelassen hat...

Allerdings änderte das nichts an der Tatsache, dass wir nie einer Meinung waren und immer noch jede Menge stritten. Es war mir noch nie so schwer gefallen mich mit jemandem anzufreunden. Aber vielleicht lag das auch daran, dass wir uns beide nicht wirklich Mühe gaben Freunde zu werden.

„Ich denke es würde euch guttun, wenn ihr auch Kelseas Aufbautraining zusammenmacht.", schlug Jem plötzlich vor.
Geschockt drehten sowohl Caleb als auch ich mich zu unserem Trainer um.
„Ist das dein Ernst?!", fragte ich geschockt.
„Wir sehen uns eh schon zehn Stunden am Tag. Wenn das so weitergeht, brauche ich demnächst Urlaub!", rief Caleb.
„Ja, genau! Das ist ja nicht auszuhalten.", stimmt ich ihm zu. Doch dann realisierte ich, dass er mich gerade indirekt beleidigt hatte und schlug ihm in die Seite. „Hey, so schrecklich bin ich gar nicht!"
„Doch bist du. Außerdem, hast du gerade dasselbe überu mich gesagt."
„Das war auch mein gutes Recht!"
„KINDER!", schrie James plötzlich und unterbrach unser Geplänkel.
„Was?!", fragten wir unisono.
„Das war keine Frage, sondern eine Aufforderung und Ende.", meinte er streng. Genervt nickten wir beide und machten dann weiter.

Es war schon recht spät, als James endlich entschied, dass es genug für heute war. Ich schlief beinahe im Stehen ein. Obwohl ich mich nicht wirklich körperlich anstrengen und mich ‚nur' von Caleb heben lassen musste, musste ich auf jede seiner Bewegungen reagieren, was auf eine andere Art und Weise ermüdend war. Mein Gehirn fühlte sich an wie Matsch. Ich brauchte dringend wieder Energie.

Meine Gedanken schweiften zu leckerem Essen, am besten Schinkenpizza und Eis. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, aber das würde ich heute nicht essen, sondern ganz brav gesunden Fisch mit Gemüse. Hoffentlich hatten wir das zuhause, sonst hätte ich echt ein Problem.

„Gut, dehnt euch noch, dann könnt ihr wirklich nach Hause gehen."
Stöhnend sah ich zu James.
„Muss das jetzt noch sein.", fragte ich mit halb geschlossenen Augen.
„Ja und das weißt du ganz genau. Also, macht schnell, dann könnt ihr schneller nach Hause gehen." Nickend taten wir was er sagte.

Meine Arme und den Oberkörper hatte ich schnell und ohne Probleme gestretcht, aber bei meinen Beinen passte ich ziemlich auf. Vorsichtig setzte ich mich auf eine Matte und begann mein gutes Bein ganz langsam zu dehnen. Normalerweise machte ich fünf Übungen je drei Minuten pro Bein, dann wechselte ich. Doch Damon hatte aus diesen drei Minuten fünf gemacht, sodass ich mir auch wirklich Zeit ließ.

Allerdings dauerte es deshalb auch eine halbe Ewigkeit. Während Damon und James neben mir standen und den Ablauf für nächstes Mal besprachen, war Caleb schon längst fertig und langweilte sich – oder besser gesagt, er starrte mich an und machte dämliche Grimassen. Unter anderen Umständen hätte ich das vielleicht lustig gefunden, aber beim Dehnen musste ich mich wirklich auf meine Atmung konzentrieren um den Schmerz kontrollieren zu können. Ablenkung konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Daher starrte ich, als ich mich vorbeugte, auch konsequent auf meine Zehenspitzen.

Schmerzlich stöhnend ließ ich mich tiefer in die Dehnung sinken.
„Stöhnend gefällst du mir eindeutig besser.", flüsterte Caleb hinter mir.
Lachend antwortete ich. „Ich wusste gar nicht, dass es dir gefällt, wenn andere Menschen Schmerzen leiden."
Über meine Antwort war Caleb sichtlich überrascht, doch dann stimmte er in mein Lachen ein.
„Das nicht unbedingt, aber mir würden da auch andere Arten einfallen jemanden zum Stöhnen zu bringen..."
Mir lief ein Schauer über den Rücken und meine Wangen röteten sich. Verdammt! Das, was er sagte war ekelhaft! Wieso zum Teufel brachte mich das zum Lachen – und sogar zum Rot werden?
Schnell ließ ich meine Haare nach vorne fallen, sodass er es hoffentlich nicht bemerkte. Dabei lehnte ich mich aber nach vorne und meine Beine dehnten sich noch stärker.
„Auuu!", keuchte ich auf.
„So geht das nicht weiter!", meinte Caleb und ging neben mir in die Hocke, „Ich helfe dir jetzt!"
Verwirrt sah ich auf. Wie wollte er mir denn hierbei helfen?

Gelassen setzte er sich neben mir auf den Boden, ging in dieselbe Position wie ich und rückte näher, bis sich unsere Beine berührten. Dann streckte mir seine Hände entgegen und schaute mich erwartungsvoll an.
„Na, du musst mir schon die Hand geben.", erklärte er, als ich mich nicht bewegte.

Schweigend reichte ich sie ihm. Mit großen Augen beobachtete ich, wie seine langen Finger sich um meine schlossen. Seine Hände waren ganz anders als erwartet: weich und überhaupt nicht rau und seine Finger waren lang und schlank. Ich mochte seine Finger. Sie erinnerten mich an Elfen, ganz im Gegensatz zu meinen kleinen Stummelfingern, an denen ein Ring einfach nur dumm aussah.

Sanft zog er an meinen Armen und verstärkte so die Dehnung. Jetzt verstand ich auch endlich, was er machen wollte. Wie ich das nicht schon früher bemerken konnte, ist allerdings ein Rätsel.
Ich atmete tief aus, um den Schmerz loszuwerden, aber das brachte nicht viel. Verzweifelt schnappte ich nach Luft. Ja, ich war eindeutig zu ungedehnt!

„Hey. Ganz ruhig. Schau mich einfach an.", redete Caleb leise auf mich ein. 

„Das ist nicht so leicht.", sagte ich und versuchte zu lachen. Aber es funktionierte nicht, sondern tat nur mehr weh.

„Ja, weil du dich dagegen wehrst. Lass es einfach zu und es wird viel einfacher. Vertrau mir!"
Sein eindringlicher Tonfall brachte mich schließlich dazu, einfach zu tun, was er mir sagte, ohne weiter darüber nachzudenken. Ich ließ mich einfach fallen und vertraute Caleb.
Zuerst war ich noch etwas unsicher, aber es wurde tatsächlich auf der Stelle einfacher.

Entspannt und mit geschlossenen Augen blieb ich einige Minuten in dieser Position, dann kam eine andere Muskelgruppe dran. Auch diesmal war Caleb an meiner Seite und half mir.
Undeutlich bemerkte ich die besorgten Blicke von meinem Trainer, aber dann stellte er sich kurz zu uns, nickte ein paar Mal und ging wieder.

Als wir endlich fertig waren, war ich noch müder. Trotzdem war ich so entspannt wie seit Langem nicht mehr.
„Ihr beiden habt das jetzt echt gut gemacht. Genau so stelle ich mir auch euer restliches Training vor. Am besten ihr macht immer Partner-Stretching, damit ihr euch nicht dauernd an die Gurgel geht.", sagte James. Damon begann zu lachen, während sein kleiner Bruder einfach nur mit den Augen rollte. Ich war zwar nicht erfreut, aber eine Reaktion zu zeigen, war einfach zu anstrengend, weshalb ich in Richtung Umkleiden lief.

„Kelsea und Caleb, ich kann euch heute nicht mitnehmen. Ich muss noch wohin.", rief Damon uns hinterher. Ich nickte nur - in Gedanken schon wieder ganz bei leckerem Essen.

Jump Until It Feels Like FlyingМесто, где живут истории. Откройте их для себя