13. Fremde Gezeiten

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Soundtrack: Bear McCreary - A Nation of Thieves aus dem Black Sails OST und natürlich Hans Zimmer - Drink Up Me Hearties Yo Ho aus dem PotC: At World's End OST. Was sonst.

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Regennasse Leichen glänzten im Schein der trüben Morgensonne. Goldene Strahlen krochen an der sich langsam auflösenden schwarzen Wolkenbank vorbei, schimmerte verheißungsvoll auf den leichten Wellen und trockneten mein durchnässtes Fell. Sanfter Wind ließ die zerfetzten Segel der Raguza träge flattern und sang in der Takelage der Dragon's Pride.

Leichen noxischer Soldaten lagen in friedlicher Eintracht neben denen der Wyrdail, kreuz und quer über das Deck verteilt. Blut strömte über die Planken und sickerte in das verrottende Holz. Manchen fehlten Gliedmaßen, andere schienen wie ausgesaugt von ihrer Seele, einige wenige schien ein einfacher Tod durch Kugeln und Schwerthiebe ereilt zu haben. Sie alle blickten, sofern sie noch Augen hatten, glasig in die ersten Sonnenstrahlen.

Ich stand auf dem Achterdeck der Raguza und beobachtete, wie die Geister des Caligár die letzten Leichen von der Dragon's Pride an Bord brachten. Ich spürte, wie die See am Kiel des Luftschiffes leckte, wie die Geister um mich herum streiften, wie der Ozean die Raguza zum Grund des Meeres zerren wollte, und ich hielt es an der Oberfläche. Noch brauchte ich Erraxas verfluchtes Schiff.

Versonnen blickte ich vom Ballon der Dragon's Pride über die ferne Küstenlinie Jades zur endlosen Weite des Horizonts. Der Wind fuhr mir in die Glieder und ließ ein Zittern in mir aufsteigen, ein Gefühl, als könnte ich die Welt erobern. Denn sie gehörte mir. Mein waren das gefährlichste Schiff am Himmel und das Schwert, mit dem ich es beherrschen konnte.

Meine Geister. Mein Schiff. Und ein Abschied für einen Mann, ohne den ich nichts davon bekommen hätte.

Das Gewissen biss mich sanft, sobald ich daran dachte, dass ich über Farradays Tod beinahe erleichtert war. Den Kampf zwischen ihm und mir, verstärkt durch die Geister und Arcaul, wäre ungleich gewesen. Ich wusste nicht, wer gewonnen hätte, nicht, nachdem ich gesehen hatte, was das Schwert vermochte. Nicht, nachdem ein weiterer Meeresgott mir ins Ohr flüsterte. Ich war froh, um die Wahrheit nicht kämpfen zu müssen.

Ich spürte die erwartungsvollen Blicke der Geister auf mir, unsichtbare Augen durchbohrten mich. Beinahe hätte ich mich unter dem Gefühl geduckt, doch Arcauls Blick, streng und stolz, hielt mich davon ab. Ich nickte auf die Dragon's Pride, und sie huschten an mir vorbei auf mein Schiff. Nicht mehr lange, und wir wären fort von allem, weit über der See, weit über dem Land. Ich konnte es kaum erwarten.

Doch zunächst mussten wir Farraday bestatten. Der ehemalige noxische Offizier lag neben Marre zu meinen Füßen, den Mantel ordentlich über seiner Wunde geschlossen, die Hand mit Segeltuch am Stumpf befestigt. Eine Kette aus Knochen, Korallenstücken und Segelfetzen lag auf seiner Brust. Sein Säbel war an seiner Seite, seine Augen geschlossen.

Ich blickte mich zu Rotchcaft um, und der Goblin trat neben mich. Arcaul gesellte sich ebenfalls zu uns, drei Atmende in einem Meer aus Toten.

„Nun denn", knurrte Rotchcaft. Ihre Stimme war rau und wütend wie eh und je, doch schwankte zuweilen. „Wir sind heute hier, um Marius Farraday den Ewigen Fluten zu übergeben. Ich wünschte, es wären mehr von seinen Freunden hier, doch es scheint, als wären wir, sein meuternder erster Offizier und zwei Karrs, die ihn nur benutzt haben, die einzigen, die ihm noch bleiben. Marius, du warst ein Mann mit Fehlern, getrieben von Hass und Trauer und dem Wunsch, dein eigener Herr zu sein, nachdem alle, denen du vertraut hast, dich verließen oder verrieten. Aber du warst auch ehrenhaft, ein Funken des Guten in einer Welt, die so dunkel und böse war, dass ich dachte, dass er erstickte, in dem Moment, in dem du nach Hogarth kamst. Aber du hast ihn nie ganz verloren."

Das Schwert des CaligárWo Geschichten leben. Entdecke jetzt