#33 An old heart comes to rest

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"Sprichst du jetzt nicht mehr mit mir, um die Situation noch angespannter zu machen?" Auf seine Worte hin schnalzte ich mit der Zunge. "Quatsch, bleib einfach dort stehen", meinte ich ausdrücklich, was der jüngere befolgte.

Je näher ich der Wohnung kam, desto besser konnte ich erkennen, dass etwas vor der Tür lag und mit immer geringer werdender Distanz wurde mir bewusst, dass es womöglich ein Schuh war. Der Knoten, der sich in meinem Magen formte, tat unbeschreiblich weh, ich musste vom Schlimmsten ausgehen. Durch meinen Kopf schwirrten die verschiedensten Gedanken, der eine absurder als der andere, dennoch war keiner wirklich greifbar, ich hoffte nur inständig, dass nichts von all dem wahr war.

An der Tür angekommen, legte ich meine Hand an sie und versuchte vorsichtig, sie etwas weiter zu öffnen. Der Spalt ließ sich so erweitern, dass es mir möglich war, hindurch zu schlüpfen, wovon ich jedoch erst mal keinen Gebrauch machte. Erst erstarrte ich unter dem Anblick, welcher sich mir bot. Was nach einer simplen Szene aussah, ließ mein logisches Denken für einige Sekunden ausfallen, in meinem Kopf formten sich alle möglichen Schimpfwörter, die ich in diesem Moment heraus schreien hätte können, aber zurückhielt, um Jimin nicht in Panik zu versetzen.

Frau Lee lag dort am Boden auf der Seite, ihre Augen waren geschlossen und keine Regung war von ihr auszugehen. Neben ihr befanden sich zwei Einkaufstüten, dessen Inhalt teilweise auf dem Boden verstreut lag. Als ich aus meiner Schockstarre erwachte, stieg ich durch den Spalt, lehnte die Tür an, damit ich zum einen mehr Platz hatte und Jimin zum anderen nichts weiter sehen konnte und kniete mich zu der älteren Dame. Ich legte zwei Finger an ihr Handgelenk, darauf hoffend, ihren Puls spüren zu können. Doch nichts. Ich spürte nichts. Ich hoffte weiter, bestimmt war es nur das immer stärker werdende Zittern meiner Hände, das meinen Tastsinn störte. Doch auch von ihrer Halsschlagader ging kein Puls aus. Behutsam rüttelte ich an ihrer Schulter, starrte sie an, als würde ich keine Veränderung ihrer Position verpassen dürfen, aber nichts half mir weiter, nichts schenkte mir ein Lebenszeichen.

Ich beschloss kurzerhand den Rettungsdienst zu rufen und somit keine Zeit zu verschwenden. Während ich mit ans Ohr gehaltenem Telefon wieder aus der Wohnung kam, beobachtete mich Jimin mit demselben Blick, den ich eben Frau Lee gegeben hatte. "H-Hyung?", kam von ihm, unsicher und ängstlich, als ich anfing, der Frau am anderen Ende des Hörers zu antworten. Ich ahnte, dass er unüberlegt handeln würde, wenn er erst erfuhr, was los war, weswegen ich auf ihn zuging und ihn immer weiter ans andere Ende des Flurs drängte. Natürlich begriff Jimin alles in dem Moment, in dem ich es aussprach, um es dem Rettungsdienst mitzuteilen und mit jedem Wort, das meinen Mund verließ, wurden seine Augen und die Furcht darin größer. "Nein", wiederholte er oft, "nein, nein, das kann nicht wahr sein, nein." Ich beendete das Telefonat, als er an mir vorbei wollte und hielt ihn auf. Ich würde ihn da nicht rein lassen, ich würde ihn das nicht sehen lassen. Ich hatte in meinem Leben mehr Leichen gesehen als er, ich konnte damit umgehen, er nicht.

"Hyung, bitte, ich will zu ihr!" Er schlug gegen meine Brust und meine Arme, die ihn gefangen hielten, aber ich ließ ihn nicht durch. Es war nicht mal entschieden, ob es wirklich vorbei war, vielleicht war sie nur bewusstlos oder anderweitig verletzt, vielleicht war sie noch nicht tot. Darüber nachzudenken, versetzte mein Innerstes in Panik, die ich versuchte nicht deutlich werden zu lassen. Ich achtete gar nicht mehr auf den Menschen in meinen Armen, versuchte nur, diese zerstörerischen Gedanken nicht zu nah an mich zu lassen und mich auf den schlimmsten aller Fälle einzustellen. Nicht, damit ich es gut verarbeitete, sondern damit ich Jimin in jeder Hinsicht beistehen und gut tun konnte. Denn wenn es wirklich Realität werden würde, dass Frau Lee nicht länger neben uns lebte, musste ich darauf gefasst sein, dass auch in Jimin ein kleiner Teil sterben würde, da sein Herz wie ein Puzzle war, die von ihm geliebten Menschen die Teile darstellten und mit Frau Lee ein wertvolles Puzzleteil verloren ging.

「 thantophobia 」 - yoonminWhere stories live. Discover now