16. Kapitel

1.2K 103 18
                                    

Verschlafen schlendere ich in die Küche und reibe mir die Augen, nur in Boxershorts und Harry's weinrotem Morgenmantel bekleidet.

Es ist jetzt eine weitere Woche vergangen, seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Und das durch eine Glasscheibe im Gefängnis.

Stirnrunzelnd betrachte ich meinen persönlichen Bodyguard, der eine weiße Schürze um die Hüften gebunden hat und darunter trotzdem noch Anzug und Waffe trägt. Er schwingt die Pfanne und serviert Pfannkuchen.

„Setzen Sie sich, Sir.", fordert er mich freundlich auf und lächelt, als ich zögernd auf dem Barhocker an der Küchenheile Platz nehme. „Ein sehr schöner Morgenmantel ist das. Prada, nehme ich an?"

Skeptisch mustere ich ihn und nehme die Gabel in die Hand. „Nein, Gucci.", verbessere ich ihn und lasse ihn nicht aus den Augen, als er die Küche aufräumt.

Mein Frühstück ist wirklich gut. Ich danke ihm dafür und erkundige mich nach Harry's Wohlergehen.

„Um ehrlich zu sein Sir, hat er mich gebeten Ihnen zu sagen, dass er Sie persönlich treffen wollen würde. Es schien dringend zu sein.". Erklärt Sawyer mir kurz und zieht entschuldigend die Schultern hoch. Er weiß wie überfordert ich mit der momentanen Situation bin.

Seufzend fahre ich mir durch meine zerzausten Haare.

„Belästigen Sie mich über Weihnachten eigentlich auch?", lenke ich ab und werde von ihm zum Schlafzimmer begleitet.

„Selbstverständlich, Sir."

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich ihn wieder an, ehe ich mir einen Jogginganzug aus der Kommode hole. „Keine Familie?", hake ich nach.

„Doch, aber mein Job hat erste Priorität."

Kopfschüttelnd streife ich den Mantel von meinen Armen und hänge ihn auf einen Bügel.

„Sie werden zu Ihrer Familie fahren.", fordere ich und ziehe mich an.

„Mr. Styles Anweisungen waren deutlich, Sir.", widerspricht er leise.

Augenrollend mache ich mich auf in den Flur. „Ich werde mit ihm reden."

***

Wieder werde ich in diesen grässlichen Raum mit der Glasscheibe geschickt, mit dem Unterschied, dass Harry bereits dort sitzt. Mit offenem Mund starre ich ihn an und lasse mich langsam auf den kleinen Hocker nieder. Sein wunderschönes Gesicht zeichnen blaue Flecke und eine Platzwunde an der Lippe. Um seinen Hals erkennt man ebenfalls in Blutergüssen, dass er gewürgt wurde.
Bei dem Anblick vergesse ich ganz den Hörer von der Wand zu nehmen.

Seine Augen füllen sich mit Tränen, als ich in die endlich hinein sehe.

„Hey.", flüstert er sanft.

Sofort bricht mein Damm und ich stehe auf, lehne meine Stirn gegen die Scheibe und lege die Hand vor meinen Mund.

„W-was haben sie mit dir gemacht?", frage ich und versuche meine Trauer und den Schock unter Kontrolle zu halten. Aber es scheint unmöglich.

„Darf ich nach Hause kommen?", fragt er im Gegenzug und es bricht mir auf so viele Arten das Herz, dass die Kraft in meinen Beinen nachlässt und ich wieder auf den Hocker sinke.

„Harry ..."

Einige Sekunden sagen wir gar nichts, sehen uns nur an, als hätten wir uns Jahre nicht gesehen. In mir erwacht ein lang erloschenes Licht. Eine Sehnsucht von der ich dachte, sie sei mit all den Lügen und Vorkommnissen verflogen.

Aber das Gegenteil ist der Fall.

Ich brauche meinen Mann zum leben.

„Es gab nicht einen Zwischenfall die vergangene Woche.", flüstere ich und umklammere den Hörer.

„Das sind gute Nachrichten.", antwortet er und rutscht näher an die durchsichtige Trennwand.

„Bitte lass Sawyer über Weihnachten nach Hause."

Meine Anforderung lässt seine Tränen für einen Moment stoppen. Er nimmt einen tiefen Atemzug und wischt sich über die verletzte Wange.

„Das werde ich. Wenn du nach Doncaster fährst und dich von hier fern hälst. Bis nach Neujahr."

Überrascht über seine Kompromissbereitschaft nicke ich sofort und bringe sogar ein Lächeln zu Stande. Dieses hält aber nicht lange an. Denn ein anderer Gedanke kommt mir.

„Und ... was ist mit dir?"

Schulterzuckend sieht er hinab.

„An dich denken."

Ehe ich etwas erwidern kann, öffnet sich die Tür hinter mir. Ich drehe mich herum. Ein Wärter kommt hinein.

„Ihre Zeit ist um.", knurrt er und bedeutete mir aufzustehen.

Ein letztes Mal sehe ich in die grünen Augen vor mir und sauge dieses Bild in mich ein.

„Harry, ich liebe dich. Vergiss das nicht."

Dann hänge ich das Telefon an die wand zurück und drehe mich sofort weg. Ich kann keinen richtigen Abschied nehmen.

***

Ich unterhalte mich mit dem Krankenhaus und bereite die Entlassung meiner Mutter für den 22.12. vor, sodass wir zusammen in meine Heimatstadt fahren und zusammen mit der ganzen Familie Weihnachten und Neujahr feiern können. Als ich diese Neuigkeiten meiner Mutter selbst mitteile, ist sie überglücklich und lächelt ununterbrochen.

„Es ist lange her, dass wir dort waren.", stellt sie fest und zieht mich auf das Krankenbett in eine Umarmung.

„Danke, dass du mich überredet hast du ihm zu gehen.", murmle ich in ihre Halsbeuge. „Das Gespräch vor einer Woche lief nicht ganz so gut. Aber vorhin ... war es besser."

„Ich wünschte er würde mit nach Doncaster kommen.", seufzt sie und streicht mir über's Haar.

Nickend stimme ich zu und muss aufpassen, nicht wieder zu weinen.

Captured Pt. 2 || L.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt