60. Family Reconciliation

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Alvaros Pov

Am nächsten Tag wache ich schon auf, bevor es dämmert. Ein Blick zur Seite zeigt mir, dass Jel noch tief und fest schläft; es sieht friedlich aus wie sein Brustkorb sich ruhig hebt und senkt.

Ich stehe vorsichtig auf um ihn nicht zu wecken. Je länger er schläft, desto besser, denn das wird kein leichter Tag.
Es ist der Tag von Harrowbys Hinrichtung, und auch wenn ich selbst darauf bestanden habe, ist es nie etwas, was ich auf die leichte Schulter nehmen kann.
Ich kann ihn nicht leben lassen, das ist mit keiner Zelle in meinem Körper vereinbar, aber es ist etwas anderes im Kampf zu töten als ein Schwert bei einer Hinrichtung zu schwingen.
Letzteres ist kalkulierter. Persönlicher. Im Kampf dagegen verschwimmen die Erinnerungen an jeden Tod, den man verursacht; es ist zu schnell, zu sehr im Affekt.

Es wäre eine Lüge zu sagen, ich würde mich noch an jedes Leben erinnern, dass ich genommen habe. Aber Hinrichtungen vergisst man nie,
Und auch wenn es Harrowby ist, der Mann, unter dem meine Dämonen, meine Familie, gelitten haben... Es ist nicht einfach. Das ist es nie.

Ich ziehe mich an und mache mich auf den Weg zur Küche. Es ist gegen drei Uhr morgens und das Schloss ist gespenstisch still. Nicht, dass es sonst besonders laut hier wäre, außer Fineen und mir und den paar Dämonen, die für uns arbeiten, hat hier für lange Zeit niemand anders gelebt, aber nachts und früh morgens ist es trotzdem noch ruhiger als sonst.

Als ich in der Küche ankomme höre ich jedoch schon das Geräusch der Kaffeemaschine. Es gibt nur eine einzige Person, die um diese Uhrzeit Kaffee machen würde.
"Jetzt schon Koffein?"
Mercenario macht einen Satz nach hinten. "Bei allen Toren zur Hölle, Blackbourne, noch leiser kannst du dich auch nicht anschleichen, oder?"

Grinsend nehme ich die fertige Tasse Kaffee und trinke einen Schluck. "Ich kann nichts dafür wenn deine Ohren nicht mehr funktionieren, alter Mann."
Er schnaubt bloß und nimmt mir die Tasse wieder ab. "Mach deinen eigenen Kaffee."

Also hole ich mir eine leere Tasse und stelle die Maschine wieder an. "Wieso bist du überhaupt wach?"
Mercenario zuckt mit den Schultern und trinkt seinen Kaffee. "Das Gleiche könnte ich dich fragen."
Ich sage nichts. Er kennt die Antwort sowieso.

"Wird Jel zusehen?"
Ich schließe die Augen und konzentriere mich auf das Summen der Maschine. Es scheint fehl am Platz in diesem stillen Schloss. "Ja. Er besteht darauf."
Und wie könnte ich es ihm verwehren? Er hat ein Recht darauf, und trotzdem macht es mir Angst.

"Alvaro." Mercenario sagt meinen Namen auf diese ruhige, bestimmte Art, wie er es immer tut wenn er merkt, dass ich kurz vorm Durchdrehen bin. "Er hat dich schon vorher töten sehen. Diese Hinrichtung wird nichts an dem ändern, was er in dir sieht."
"Ich weiß", erwidere ich leise, aber es zu wissen und davon überzeugt zu sein sind zwei verschiedene Dinge, und Mercenario liest es mir natürlich direkt aus den Augen wie er es immer tut.

"Lass mich es tun", sagt er sanft. "Das ist völlig okay."
Es gab schon andere Anlässe, bei denen ich Mercenario das Schwert gereicht habe. 
Meine erste Hinrichtung habe ich selbst durchgeführt, gerade achtzehn Jahre alt und Mercenario war die ganze Zeit an meiner Seite.
Aber die zweite war kurz nach Seldrós Beerdigung. Es war ein rechtmäßiges Urteil, ich hatte selbst zugestimmt, aber ich konnte das Bild von Seldrós Sarg nicht aus meinem Kopf drängen, dieser viel zu kleine Sarg aus dunklem Holz. Mercenario hat mich im Badezimmer gefunden, weil an diesem Tag nichts in meinem Magen bleiben wollte, und schließlich hat er mich dazu überredet, ihm das Henkeramt für dieses Mal zu übertragen.
Aber das hier ist etwas anderes.

"Danke, aber das kann ich nicht." Mercenario nickt, wahrscheinlich hat er die Antwort schon erwartet. Ich kann diese Verantwortung nicht abgeben, dafür ist es ein zu wichtiges Symbol.
Harrowby ist ein Volksverräter.
Sein Ende ist meine Pflicht.

Kick the world's ass!Where stories live. Discover now