×Fünf×

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Tränen.
Eine nach der anderen flossen sie über die Wangen des Jungen, der nun wieder viel zerbrechlicher rüber kam, und lautes Schluchzen erfüllte den Raum.
Zögernd legte ich meinen Arm um ihn und zu meinem Erstaunen ließ er sich in ihn fallen und weinte bitterlich weiter.
Es dauerte einige Zeit, bis seine Atmung sich beruhigte und ich ergriff die Chance ihn zu fragen was heute nach der Schule vorgefallen war, da ich es für die momentan angebrachteste Frage hielt.
Schniefend sah er mich an. In seinen Augen war kein Fünkchen Freude zu finden.
Es zerbrach mir das Herz ihn so zu sehen, doch hatte er mir gerade einen Dornen hinein gerammt, was mich, bei dem Gedanken daran, auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

"Wieso bin ich hier...?", war das erste was seine Lippen verließ, nachdem er sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt hatte.
"Wie?" Fragend sah ich ihn an. "Du bist wegen des Regens mit zu mir und..."
"Cayne, ich erinnere mich nicht." Seine Stimme bebte. "Mein Kopf tut so weh..." Er vergrub seine Hände in seinen braunen Locken.
Irritiert blickte ich ihn an.
"Du kannst dich an überhaupt nichts erinnern? Wie meinst du das? Bist du auf Drogen?" Mir fiel keine bessere Erklärung für das alles hier ein.
"Nein... Dummkopf."
Es war süß wie er versuchte zu fluchen.
Schulterzuckend stand ich auf, zog zwei Zigaretten aus meiner Jackentasche und hielt ihm eine hin.
Er schüttelte den Kopf.
"Ich rauche nicht."
Da ich nicht mehr verwirrt sein konnte, als ich es ohnehin schon war, legte ich die andere Kippe auf meinen Schreibtisch und trat auf meinen kleinen aber feinen Balkon, links des Bettes. Seufzend zog ich an der Zigarette und überlegte, was ich jetzt mit Toni machen sollte. Ich konnte ihn in seinem Zustand schließlich nicht raus werfen. Vor allem... wollte ich das auch gar nicht.

Abermals strich ich mit meinen Fingerspitzen über meine meine trockenen Lippen und schielte zu dem kuriosen Jungen herüber. Er beobachtete mich und lächelte kraftlos zurück. Seine Ausstrahlung war wieder normal, also so wie ich ihn kennengelernt hatte, und auch sein Lächeln hatte seine entzückende Wärme wiedererlangt.

Die Bilder des Kusses schossen durch meinen Kopf, was mir heftige Kopfschmerzen verpasste.
Schnell wendete ich den Blick ab und zog noch einmal tief den Rauch ein.
Sollte ich ihn darauf ansprechen?

Widerwillig stapfe ich zurück in meine Wohnung, hob die Pizza vom Boden und legte sie neben uns aufs Bett. Irritiert blickten seine knuffigen Welpenaugen in meine.
"Hier, iss, das gibt dir Kraft" Ich lachte mich innerlich aus für diese Worte, doch fiel mir im Moment nicht anderes ein. Dankbar nahm er ein Stück und ich erinnerte mich, dass ich ziemlichen Hunger hatte.
Seufzend lehnte ich mich an die Wand hinter meinem Bett und stopfte ein Pizzastück nach dem anderen in meinen Mund. Toni sass stumm neben mir und knabberte geistesabwesend an seinem Stück herum.
"Hey..." Ich stieß ihm meinen Ellenbogen gegen die Rippen. "Jetzt zieh nicht so ne Schnute, du kleiner Miesepeter", scherzte ich um irgendwie die Stimmung ein wenig zu heben. Auch wenn ich innerlich noch ziemlich sauer war und ein Teil meines Körper nichts lieber wollte als ihn einfach rauszuwerfen, ich konnte es nicht.
Dann brach Toni sein Schweigen.
"Du... Cayne. Ich... Ich hab doch nichts dummes gemacht, oder?" Seine Augen glänzten.
"Naja...", begann ich mit meiner Antwort. Dumm war vielleicht der falsche Ausdruck, doch ich brachte es nicht übers Herz dem gebrochenen Toni jetzt auch noch den Schreck seines Lebens zu verpassen. Zumal ich das was zwischen uns war unter gar keinen Umständen zerstören wollte, denn auch wenn ich es die ganze Zeit zu verdrängen versuchte, mein Herz pochte wie wild während ich hier so neben ihm saß.
Ich versuchte wirklich ihn hassen, doch ich konnte es nicht.
Also schluckte ich meinen inneren Zorn herunter, und entschied das ganze erst noch einmal ein Wenig sacken zu lassen und ihn später darauf anzusprechen, wenn er nicht mehr den Eindruck machte er würde zerbrechen, sobald ich auch nur seine Hand berühren würde. Ich lächelte - Innerlich war ich ein Trümmerhaufen.

"Es ist alles gut Toni."

Langsam legte ich meine bebenden Arme um seinen Körper.
Dankend empfing er meine Herzlichkeit und ich musste ein wenig schmunzeln wie merkwürdig die ganze Sache doch war.

nach einer weiteren Ewigkeit löste ich meine Umarmung und trat ein paar Schritte auf meinen Computer zu um den Film zu pausieren der die ganze Zeit als Hintergrundgeräusch in unseren Ohren summte.
Noch einmal drehte ich mich zu Toni um der verängstigt an meinem T-shirt rumspielte, welches er am Körper trug und in diesem Moment war es als würde die Zeit still stehen. Ich hörte nichts ausser dem Hämmern in meiner Brust, was eine Zusammensetzung aus Furcht, Wut und Verliebtheit darstellte...

Ja.
Seit Toni mich geküsst hatte wusste ich dass ich mich in ihn verliebt hatte, und so hatte ich auch keine andere Wahl als zurück zu ihm in Bett zu krabbeln, ihm meine Decke über die Schultern zu werfen und mit meinem Daumen die letzten Reste seiner Tränen von seinen Wangen zu wischen.
Es war als wäre alles was zuvor passiert war wie weggeblasen und doch spürte ich seine Worte in meinem Kopf wiederhallen. Irgendwas stimmte hier doch ganz und gar nicht.

Oh Herr, wenn du da oben wirklich bist, verschone das Leben dieses zerbrechlichen Jungen und lasse ihn Frieden spüren.
...

Da es bereits spät geworden war fragte ich Toni nach seinem Zuhause, doch er schüttelte nur verletzt den Kopf. Also schaltete ich die Lichter aus, und kramte meine alte Schlafmatte unterm Bett hervor, die meine Mutter mir mal für "Freizeitaktivitäten mit meinen Freunden" geschenkt hatte.

"Du musst nicht auf dem Boden schlafen Cayne. Ich bin dankbar genug dass du so freundlich zu mir bist. Ich glaube es wäre och das beste wenn ich jetzt gehe...", sagte er schwach und diesmal schüttelte ich den Kopf. "Nein, es ist... alles gut. Das geht so in Ordnung, Toni. Ich schlafe jetzt eh noch nicht." Ich konnte nicht.
"Bist du dir sicher? Ich möchte wirklich keine weiteren Umstände machen, es ist nur... Mein Vater er..."
"Du musst nicht drüber reden Toni. Versuch zu schlafen, damit du wieder zu Kräften kommst."
Natürlich interessierte es mich was er zu sagen hatte. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Toni war schwach und sein Körper hatte seit seinem Anfall nicht aufgehoert zu zittern. Er war am Rande seiner Kräfte.
Dankbar bette er seinen Kopf in meinem Kissen und schlief sehr schnell ein.

In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu.

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⏰ Last updated: May 20, 2018 ⏰

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Two faced [boyxboy] Where stories live. Discover now