Kapitel 3 - Die Krönung

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Am nächsten Tag wurde er gekrönt. Ich sah dem Spektakel aber nicht zu, sondern nutzte die Gelegenheit um Henry aus dem Kerker zu befreien. Tatsächlich begegnete ich keiner einzigen Wache. Ich lief die Treppen hinunter, dumpf schallte die Musik von draußen zu mir herüber. Ich hatte es bildlich vor mir, wie der König mit einem strahlenden Lächeln da saß, jemand zu ihm hinüberging und ihm die Krone auf den Kopf setzte. Ich hatte keinen Plan, wie lange so eine Krönung dauert, also versuchte ich mich zu beeilen. Endlich kam ich unten an. Ich musste zum Glück nicht lange nach ihm suchen.

„Henry!" Er lag reglos auf diesem „Bett", atmete aber noch. „Henry!" zischte ich. Sofort schlug er die Augen auf und sah zu mir herüber. „Hey..." murmelte er. „Ich hol dich hier raus, versprochen." Ich holte die Büroklammer zum Vorschein, die ich aus dem Büro des Königs geklaut hatte und versuchte, damit das Schloss zu knacken. Henry ist endlich aufgestanden und trat jetzt an das Schloss. „Das klappt nicht." sagte er matt. „Du hast ja viel Vertrauen in mich." Zu meinem Bedauern lächelte er nicht. „I-ich werde dich hier rausholen, versprochen! Ich..."

„Hope? Was machst du hier?" Erschrocken zuckte ich zusammen. Es war aber nur Mirko – der mich bei meinem richtigen Namen genannt hatte. „Mirko! Gut, dass du da bist! Hilf mir!" 

„Warum soll ich dir helfen?" Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet und ich überhörte sie ganz einfach. „Hast du ein Schlüssel?" Er schwenkte mit dem Schlüsselanhänger. „Gut, dann befreie ihn... bitte." Ich machte einen Schritt zurück, damit Mirko das Schloss aufmachen konnte – was er aber nicht tat. „Warum soll ich das machen?" wiederholte er sich. „Soll das ein Witz sein?! Öffne sofort dieses Schloss!" schrie ich ihn an. „Warum? Ich kenne die Person nicht mal."

„Ja, aber ich kenne sie und du bist mein Freund, oder?" fragte ich ihn. Ich erwartete, dass er Natürlich oder Klar sagen würde, doch stattdessen meinte er: „Du kannst froh sein, wenn ich dich nicht verpetze." Ich stand dann eine ganze Weile einfach so da und versuchte zu begreifen, was mit Mirko los war. „Du hast dich verändert." stellte ich fest. „Kann sein. Ich bin reifer geworden." Ich hätte ihm am liebsten eine reingehauen. „Wenn du mir nicht hilfst, haben wir uns nicht mehr zu sagen." stellte ich klar und begann wieder damit, Henry zu befreien. Doch Mirko ließ es nicht zu. Er nahm meine beiden Hände und schleppte mich aus dem Keller. Ich schrie aus Leibeskräften, wand mich, versuchte mich zu befreien, doch er war zu stark. Er schleppte mich nach draußen, wo ich endlich Ruhe gab, schließlich durften die Leute aus dem Schloss nichts von meinen Ausbrechungsversuch erfahren.

Ich sah den König an, der die Krone schon auf dem Kopf hatte und gerade eine Rede hielt, von der ich kein Wort verstand. Dann wurde angefangen zu Klatschen und der König verschwand nach drinnen. 

Mirko drehte sich zu mir um. „Der König hat dazu aufgerufen, dass er eine neue Frau braucht, weil ja seine Alte tot ist und alle Interessierten können sich bei ihm melden. Bist du interessiert?" berichtete Mirko. Ich schnaubte. „Das ist doch eine rhetorische Frage, oder?" Er lächelte mich an. Irgendwie war es seltsam mit ihm so zu reden, als wäre nichts passiert. Ich fühlte mich von ihm hintergangen. Freunde helfen sich doch gegenseitig. Klar, wir hatten uns in den letzten zehn Jahren nur ab und zu gesehen, aber trotzdem waren wir Freunde... Oder? 

Mirko zog mich wieder ins Schloss hinein zum Thronsaal. Dort hatte sich einiges geändert. Etwa zwanzig Stühle waren in zwei Reihen aufgestellt. Die Stühle standen so, dass man die Person aus der anderen Reihe direkt in die Augen blickte. Nur, dass sich jetzt keine Personen auf den Stühlen befanden. Mirko zerrte mich zur Wand hinüber, an der mehrere Bedienstete und Wachen standen. Wir standen gegenüber vom König, der auf seinem Thron saß, die Krone immer noch auf dem Kopf. Er sah aus dem Fenster, wandte den Blick aber nun zu uns. „Bist du fertig?"

Die gescheiterte RäuberschwesterWhere stories live. Discover now