Der Neue

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[Cecil]

Nach Ronys Ableben wurde es ziemlich ruhig, selbst Katrin hielt mal ihre Schnauze und Tim vögelte nicht jeden Tag jemand anderen.

Es war Herbst, als Mr. Stevens in unsere Klasse kam, gefolgt von einem braunhaarigen Jungen, der unsicher in die erwartungsvollen Gesichter blickte.

Mir war schon in den ersten Sekunden klar, welches Leben er führen würde, hier an dieser Schule.

Der Junge mit der Brille und den unfrisierten Haaren, so dass seine Haare schlaff an den Seiten herunterhingen, blieb neben dem Lehrer stehen.

Mr. Stevens forderte uns auf, uns zu erheben.

"Guten Morgen."

"Guten Morgen, Mr. Stevens", erwiderten wir im Chor.

Nachdem wir uns setzten durften, sollte sich der Junge vorstellen.

"Uhm, hi ich bin uhm äh Julian Moor", verlegen stotterte er.

Die ersten begannen zu kichern.

Tim stieß mich an und ich sah in seine verschmitzten Augen.

Stumm lehnte ich mich abwartend zurück.

"Ich ähm, musste umziehen und bin jetzt hier an der Schule", beschämt beendete er seinen Satz.

Man sah ihm an, dass er sich einfach nur hinsetzen wollte.

"Julian, was sind deine Hobbys?", fragte Mr. Stevens ihn aus.

Der Arme stammelte bloß.

"Also ich... spiele uhm gerne Schach und ähm ja."

Eine Papierkugel traf ihn am Kopf, ich hatte aus dem Augenwinkel gesehen, dass sie von Katrin aus geworfen wurde.

Strafend sah Mr. Stevens uns an.

"Hast du denn Haustiere?"

Sichtlich unwohl nickte er und erzählte das er Zuhause ein Aquarium hatte in dem zu welcher Überraschung Fische lebten.

Julian durfte sich immer noch nicht setzten, da Herr Stevens noch wissen wollte, welches Lieblingsfach er hatte.

"Ich ähm mag Physik und uhm... Geschichte", nervös knetete er seine Hände, da ein schallendes Gelächter durch die Klasse ging.

Nur ich blieb stumm, selbst als Tim mich anstieß, damit ich mit lachte.

Als Mr. Stevens den Jungen endlich genug gequält hatte, setzte er ihn ausgerechnet neben Katrin hin, da Gina heute nicht da war.

Während des Unterrichts gingen die ersten Hänseleien los, ausgelöst von Katrin und ihrer Sippe.

Unser Lehrer bemerkte, wie sollte es anders sein, natürlich nichts.

***

Kaum gongte es zur Pause floh Julian vor seinen Peinigern.

Kopfschüttelnd lehnte ich mich seitlich an die Wand des Schulgebäudes.

Meine Klasse hatte nichts dazugelernt.

"Ey Alter, was los?", Tim sah mich mit zu gekniffenen Augen an, da die Sonne ihn blendete.

Schultern zuckend schloss ich die Augen und drehte mich der Sonne entgegen, die mir vorhin noch den Rücken gewärmt hatte.

Das scheußlich hohe Lachen der Bitches ließ nicht zu das ich sie ausblendete, so öffnete ich die Augen und erkannte, dass sich ein Flittchen zu mir den Weg erkämpfte.

"Hey, wie heißt'n du?"

Sie räkelte sich an meinen Körper, bis ich sie angewidert wegschubste. Mit Dreck spielte ich nicht.

"Verpiss dich", schmollend verschränkte sie die Arme vor ihren Busen, den sie garantiert mit einem Push-up so groß erscheinen ließ.

Angeekelt ignorierte ich das Weib und sah Julian über den Schulhof rennen, seine zerbrochene Brille in der Hand, hinter ihm konnte ich Katrin und zwei ihrer Anhängerinnen lachen sehen, der Rest hielt sich ja bei uns auf.

***

Erleichtert das es geschellt hatte, sonst hätte ich meine Manieren vergessen und dem dümmlichen Geschöpf neben mir eine gepfeffert, lief ich durch den Flur. Beängstigende Blicke wurden ausgetauscht und einige Schüler flohen vor Tim und mir.

Im Klassenraum bemerkte ich den schluchzenden Julian, der bei der kleinsten Bewegung von Katrin, die bereits neben ihm saß, zusammenzuckte.

Was hatten sie mit ihm angestellt?

Tim und ich setzten uns, er laberte mit Lukas über irgendein Auto, während ich mit meinem Stuhl kippelte.

Annika die Verräterin war hin und hergerissen, dem Neuen beizustehen.

Augenverdrehend schaute ich an die Tafel und blendete beinahe alles aus, nur das Schluchzten hallte nach.

Tim und ich, ebenso die andern Jungs unserer Truppe mischten uns nicht in solche Angelegenheiten ein, es war eine unserer wenigen Regeln.

Wenn jemand was nicht sagen will ist es okay. Wenn jemand von uns Schwierigkeiten hat, helfen wir und das Leben anderer, außerhalb unserer Gruppe, geht uns nichts an.

Ms. Ulm begrüßte die Klasse und begann mit dem Englischunterricht.

Vor Tim und mir war ein freier Tisch, so dass ich immer wieder drangenommen wurde, da Ms. Ulm uns nun besser sah als sonst.

Bei jeder ihrer Fragen zuckte ich nur mit den Schultern, reden war noch nie meine Stärke gewesen.

Ich sprach das nötigste und selbst das glitt mir nur schwer über die Zunge.

Immer häufiger hörte ich das Lachen von Katrin und ihrem Gefolge und das Schluchzen von Julian.

Irgendwann platzte mir der Kragen und ich packte meine Sachen, schleuderte sie auf den freien Tisch und kam auf den Tisch von Katrin und Julian zu. Ms. Ulm war ziemlich verwirrt und beobachtete einfach nur, da ich ihr keine Antworten auf ihre Fragen gab.

Kurzer Hand, zog ich den Stuhl samt Julian und seinen Sachen zu dem freien Tisch. Als wäre nichts gewesen setzte ich mich neben ihm und richtete meinen Blick auf Ms. Ulm, die geplättet dastand und mich anguckte.

Tim hinter mir fragte die anderen was in mich geraten sei und die übrigen tuschelten. Annika hatte ihren Kopf gesenkt, sie hatte sich nicht getrau, einzugreifen.

"What did you do?", gab Ms. Ulm empört von sich.

"He was sad and if you are sad, you need a friend", antwortete ich und guckte Julian an, der mich geplättet ansah. Ich zwinkerte ihm zu und lächelte, es war ungewohnt.

Mein Verhalten schockierte die anderen, so was gehörte sich nicht für einen 'BadBoy'. Aber ich hatte nie behauptet einer zu sein.

Aber ich hatte dazugelernt, die anderen anscheinend nicht. Egal was andere sagen, ich will nicht verantwortlich sein, wenn Julian sich umbringen sollte, lieber scheitere ich an dem zu helfen, als mit zu machen ihn zu mobben oder es zu zulassen.

Musik: Count on me-Bruno Mars

BrokenWhere stories live. Discover now