Kapitel 5

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Aramis brachte uns durch die Hintertür des Holzhauses. Wir huschten über einen Sandplatz. Die Umgebung um den Wald veränderte sich, wechselte von Wiesen und Bäumen zu einer Art Tundra. Das Gelände fiel leicht ab und erste Felsvorsprünge ragten aus dem Boden empor. Shanti hatte sich hinter einem großen Exemplar versteckt und winkte uns zu sich heran. Der Lärm im Dorf hatte zugenommen und die Menschen eilten hin und her, um rechtzeitig in den Schutz ihrer Häuser zu gelangen.

Aramis ließ meinen Arm los und ich spürte, wie sich die zusammengezogenen Blutgefäße wieder weiteten. Ein Blick aus der kleinen Höhle zeigte mir eine Reitertruppe von zehn Mann, denn die Bäume standen nicht dicht genug und wir hatten freie Sicht.

»Willst du, dass sie dich sehen?«, fuhr mich Aramis an und die Falten um seine Augen verengten sich.

Shanti hatte sich auf dem Boden zusammengekauert und rupfte ein paar Blüten einer mir unbekannten Pflanze, die anscheinend so wenig Licht benötigte, dass sie hier in vollen Zügen gedieh. Die Dunkelheit hinter mir erstreckte sich in weiter Tiefe und schien endlos zu sein.

Am Dorfrand, der uns zugewandt war, stieg eine mächtige Gestalt von seinem Ross.

»Das ist Marold«, flüsterte Aramis ehrfurchtsvoll neben mir. »Begleiter von Prinz Chauhan.«

Dieser Marold ging auf eine der Hütten zu. Er hob seinen Säbel und das Reflektieren eines goldenen Edelsteins strahlte herüber.

»Aufmachen! Befehl des Königs!«, schrie er voller Inbrunst.

Ich hielt den Atem an. Ein kleines Mädchen hatte die Tür geöffnet und wurde nun unsanft zur Seite gestoßen. Marold verschwand für wenige Sekunden im Haus und kam mit wütenden Schritten wieder auf den Dorfplatz marschiert.

»Verlogenes Volk! Ihr wisst genau weshalb wir gekommen sind und nach welchem Mädchen wir suchen!« Fast außer sich, griff Marold nach einem einfachen Bauernjungen.

Dabei blitzte sein Säbel gefährlich nah am Kinn des völlig Verängstigten auf. Panik stieg in mir auf und ich musste schwer schlucken. Der Grund für ihren Besuch war ich. Sie wollten mich haben.

Ehe die Szene noch dramatischer wurde, schritt ein Reiter einige Meter von Marold entfernt ein.»Lass' gut sein, wir verschwenden nur unsere Zeit.«

Leider konnte ich nicht viel erkennen, nur das Spiegeln von Glas, das vor seiner Brust baumelte. Die Gestalt trat näher heran. Der Mann hob seinen Kopf und schaute direkt zu uns herüber. In mir spannten sich sämtliche Nerven an und ich rutschte Stück für Stück an der Felswand entlang, bis ich nicht mehr zu sehen war. Er hatte mich direkt angeguckt. Was sollten wir jetzt bloß machen? Ich biss mir auf die Lippe und schaute in das ebenso verschreckte und ratlose Gesicht von Aramis.

»Aber Eure Hoheit Prinz Chauhan...«, wollte Marold erwidern.

»Du hast dich mir nicht zu widersetzten! Kommt Leute wir gehen!«

Noch einmal waren die Geräusche der Reiter zu hören, ehe komplette Stille zu uns drang. Das Adrenalin war meinem Körper entwichen und ich saß zusammengesackt neben Shanti am Boden.

Auf leisen Füßen schlichen wir wenig später wieder zum Rest der Familie zurück. Die kleine Femke schloss mich in einer engen Umarmung ein.

»Sie haben dich nicht gekriegt. Ich hatte solche Angst um dich, Candice!« Ich wuschelte ihr durch die dunklen Haare. Langsam begannen die Zweifel, die ich bisher gegenüber den Baumwesen gehegt hatte, zu schrumpfen. Diese unbekannte Welt schien gefährlich zu sein und ich war für den Moment froh, ein klein wenig Sicherheit bei diesen Leuten gefunden zu haben.

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