Frieden

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"LIIRON! LIIIROON LIIRON!"
Jenna? Nein, das kann nicht sein.
"LIRON!"

Doch. Das ist definitiv Jennas Stimme.

Scheiße!

Sofort springe ich von meinem Platz in der Klasse auf und renne ans Fenster, an dem sich schon andere Schüler die Augen ausgaffen.

SCHEIßE!

Unten, auf dem Pausenhof steht wirklich Jenna. Selbst aus dieser Entfernung kann ich erkennen, dass ihr Gesicht tränenüberströmt ist. Hilflos dreht sie sich immer wieder im Kreis und ruft mit unendlicher Verzweiflung meinen Namen.

Ohne nachzudenken renne ich aus der Klasse, schubse dabei meine Lehrerin gegen die Wand und stoße selbst gegen die Wand vor der Tür, werde aber in keiner Sekunde langsamer als ich die Treppe fast schon nach unten fliege und Hals über Kopf durch die Eingangstür der Schule stolpere.

Da ist Jenna wieder.
Sie hat aufgehört sich zu drehen und wankt hin und her, bis plötzlich ihre Knie nachzugeben scheinen und sie der Länge nach auf den harten Asphalt fällt.
"LIRON!" Ihre Stimme beginnt zu brechen aber sie gibt nicht auf und brüllt immer und immer weiter.

"Jenna!", rufe ich kurz bevor ich sie endlich erreiche und völlig außer Atem neben ihr zusammenbreche.

Sie dreht ihren Kopf in meine Richtung und sieht mich mit leicht glasigen Augen an während sie mit letzter Kraft meine Hand ergreift und leise wispert: "Liron. Ich habe es geschafft..."

"Jenna... nein... Du darfst nicht... Jenna..."
Meine Stimme lässt mich im Stich und so starre ich sie einfach mit Tränen in den Augen an.

"Liron...", ihre Stimme ist nur noch ein Hauch und ich beuge mich vorsichtig vor, um sie zu verstehen, "Ich danke dir. Du hast mir so viel Kraft gegeben. Jetzt ist es endlich vorbei..."
Plötzlich wird sie von einem Hustenanfall geschüttelt und Blut fängt an ihr aus der Nase zu treten.

Um uns herum hat sich mittlerweile eine Menge aus gaffenden Schülern und ein paar Lehrern versammelt aber das bekommen weder Jenna noch ich so richtig mit.

Meine Wahrnehmung ist auf die junge Frau vor mir beschränkt, die mir so oft das Leben gerettet hat und immer mein rettender Anker in der unbarmherzig zerstörerischen Flut war.
Die Tränen rinnen kalt über meine Wangen und tropfen auf Jennas ehemals schneeweiße Jacke. Jetzt ist diese voller Blut und Schlamm.

"Liron...", ihre Stimme bricht mit jeder Silbe und immer mehr Blut läuft aus ihrer Nase und ihren Mundwinkeln. Trotzdem spricht sie weiter, gibt nicht auf. Das hat sie noch nie.

"Ich sterbe nicht in der Hölle."

Nach diesem letzten Satz schließt sie die Augen und ihre Fingerspitzen steicheln zitternd über meinen Handrücken.

Ja, sie hat es wirklich geschafft. Sie ist der Hölle auf Erden entkommen und ist jetzt auf den Weg in den Himmel.

Ich fühle, wie sie immer schwächer wird und ergreife ihre Hand fester.

Ohne ein weiteres Wort halte ich mich an ein Versprechen, das ich ihr vor langer Zeit gegeben habe.

Wenn sie es je schaffen sollte die Gemeinschaft zu verlassen, würde ich ihr Lieblingslied singen und persönlich für ihren Frieden sorgen.

"Fly away to a rainbow in the sky..."

Ein leichtes Lächeln legt sich auf ihre blassen Lippen und eine Träne rollt ihre Wange hinunter.

"Love is at the end, for each of us to find..."
Sie hat diesen Gedanken immer geliebt.

"There the raod begins where another one will end.
Here the four winds know who will break an who will bend.
All to be the master of your life..."

Während ich die letzten Worte singe, spüre ich, wie ihre Hand noch ein letztes Mal zuckt und schließlich sanft zu Boden sinkt.
Ihre Augenlieder flattern noch kurz, bis ihre unregelmäßige Atmung komplett aussetzt und das Lächeln ihr langsam aus dem Gesicht fließt, als sich wie von selbst ihr Mund öffnet, wie um ein letztes Mal auszuatmen.

"Lebe Wohl Jenna.", hauche ich ihr noch einmal zu.

Um mich herum herrscht absolutes Chaos.
"Wo bleibt denn der verdammte Krankenwagen?!"
"Fuck! Ist sie tot?"
"Warum macht der Typ denn nichts?"

"Zur Seite! Sofort!"

Eine harsche Stimme holt mich schließlich in die Wirklichkeit zurück und ich werde von einer unbeschreiblichen Kälte erfüllt.
Immer noch vor der Leiche meiner Leidensgenossin kauernd verfolge ich das Geschehen.
Mein Gesicht eine eiserne Maske, die keinerlei Emotionen zeigt.

Als die Schülermenge verdrängt ist und ich von fünf Frauen in weißen Anzügen umzingelt bin, stehe ich langsam auf und drehe mich langsam zu ihrer Anführerin um, bevor ich die Maske fallen lasse, die mich so lange geschützt hat und mit schmerzverzerrtem Gesicht feststelle: "Ihr habt sie umgebracht.
Herzlichen Glückwunsch."

Die Frau vor mir zeigt keine Reaktion, sieht mich nur mit versteinertem Ausruck an.

"IHR HABT JENNA UMGEBRACHT!", schreie ich sie daraufhin an und diesmal zuckt sie fast unmerklich zusammen, denn in meiner Stimme liegt all die Verzweiflung, all die Angst, all die Wut der letzten Jahre.

Wieder bekomme ich keine Antwort.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie hinter ihr der Wagen der Gemeinschaft auf den Hof fährt.
Noch bevor irgendjemand reagieren kann, blitzt plötzlich ein Messer in meiner Hand auf und ich fixiere die Chefin der Hölle mit meinem vernichtenden Blick.

Kurz weiten sich ihre Augen entsetzt, als ich aushole und ohne ein Wort das Messer mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, in ihre Richtung schleudere.

Die Klinge voran fliegt es auf sie zu und...

... an ihr vorbei.
Ihre linke Augenbraue schnellt in die Höhe.

"Daneben.", stellt sie schließlich mit einem widerwärtigen Grinsen fest.

"Treffer.", antworte ich ruhig, als auch schon die Flüche des Wagenfahrers ertönen.

Der vordere Teil der Messers ist durch die Wand des Autos geflogen und steckt nun dort fest.

Auch ohne die Information des Fahrers hätten sowohl die Frau, als auch ich jedoch genau gewusst, was ich im Inneren des Wagens zerstört hatte.
"Chef, der Defi ist futsch und das EL-4 auch."

Mit zusammengekniffenen Augen starrt mich die Frau an, als ihr klar wird, dass dadurch jede Hoffnung auf Jennas Wiederbelebung zunichte gemacht wurde.

"Jetzt hast du sie umgebracht.", stellt sie schließlich mit einem Schulterzucken fest, wobei ihre Stimme gleichgültiger nicht klingen könnte.

Eigentlich ist sie die Luft nicht wert, die sie atmet aber trotzdem antworte ich ihr:
"Ich habe sie erlöst. Umgebracht habt ihr sie schon vor langer Zeit."

Und damit drehe ich mich um, verbeuge mich ein letztes Mal vor Jenna und gehe direkt zwischen zwei der ach so tollen Schwestern hindurch, die mich mit ihren Blicken entzweizureißen wollen scheinen.

Nicht einmal drehe ich mich um, als ich einmal mehr der Gemeinschaft den Rücken zukehre.

Also Leute, das ist mehr oder weniger ne Kurzgeschichte. Eigentlich nicht aber ein Teil einer großen, die ich unfähig bin aufzuschreiben.

Ich denke mir oft Geschichten aus und die Gemeinschaft und ihre Vergangenheit sind mittlerweile ein fester Teil davon und letztens habe ich beim Duschen Master of the wind in der Van Canto Version gehört und dabei entstand das hier.

Vielleicht werde ich daraus ne Reihe machen, in der man dann mehr über Liron und die Gemeinschaft erfährt, wer weiß.

Jetzt hoffe ich erstmal, dass ihr nicht zu verwirrt seid xD

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 18, 2018 ⏰

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