Kapitel 6

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»Hat dich denn schon jemand herumgeführt, Tara?«, wollte die Frau von mir wissen, als sie vor mir über den steinigen Boden des Zoos marschierte. Sie drehte sich nicht einmal zu mir um, als sie mir die Frage stellte. Als würde sie sich keinerlei Sorgen machen, dass ich abhauen könnte. Dabei hatte sie mir im Gegensatz zu den Wärtern, die mich in den Zoo gebracht hatten, nicht einmal Handschellen angelegt. Sie vertraute mir doch nicht etwa?

Ich sah mich nach der Hütte um, die wir in der Dunkelheit zurückließen. Vermutlich hatte Miranda nicht unrecht. Es war nicht so einfach, von dem Gelände zu kommen. Ansonsten dürfte ich hier bestimmt nicht einfach so frei herumlaufen. Aber es war bestimmt nicht unmöglich.

»Nein«, wandte ich mich dann wieder an Miss Leech. »Ich bin gestern erst angekommen. Bis auf meinen ...« Ich zögerte einen Moment. Schon alleine der Gedanke daran, es auszusprechen, verschaffte mir einen bitteren Beigeschmack im Mund. »Showroom habe ich noch nichts gesehen.«

»Na, dann wird es ja höchste Zeit!«

Sie lächelte mich über die Schulter hinweg an und bog dann am großen Hauptplatz nach links ab. Ihr Weg führte und an meinem Käfig vorbei. Diesmal hatte ich mehr Zeit, auch die anderen Waggons zu begutachten. Doch bis auf die unterschiedliche Bemalung sahen sie alle gleich aus. Es war zu dunkel, um die Schilder zu erkennen, die vor den Gehegen angebracht waren. Dabei würde es mich wirklich interessieren, welche Kreaturen hier noch so festgehalten wurden. Und auch, wie viele es insgesamt war. Das Gelände schien ja ziemlich groß zu sein. Das bedeutete viel Platz für jede Menge Gefangene.

»Dort vorne ist das Haupttor.«

Die strahlenden Scheinwerfer, die suchend über die Umgebung schweiften, blendeten mich. Schützend hielt ich mir eine Hand vor die Augen.

Im vorderen Bereich des Zoos war es heller als in dem Areal, in dem sich unsere Hütte befand. Der Eingang wurde durch Laternen und Scheinwerfer beleuchtet. Es war so kalt, dass ich meinen eigenen Atem in der Luft vor mir erkennen konnte. Dahinter waren hohe Eisengitter zu sehen, die von Wachtürmen umrahmt waren. Darin saßen Wärter, die garantiert bewaffnet waren. Als die Männer mich hierher gebracht hatten, waren wir durch dieses Tor gekommen.

Ich dachte an Mirandas Worte. Ein Fluchtversuch würde mir das Leben kosten. Entweder durch einen dieser Männer oder durch den gesicherten Zaun selbst.

»Da kommen die Besucher rein. Der Rundweg ist auch ausgeschildert, damit sie sich besser zurechtfinden. Wir arbeiten daran, dass dein Schild auch so rasch wie möglich fertig wird.«

Miss Leechs Stimme wurde leiser, was mich vermuten ließ, dass sie bereits vorausging. Doch ich blieb stehen.

Mein Blick wanderte über die Umgebung. Da waren Kameras auf dem Zaun, die scheinbar jeden noch so keinen Winkel im Visier hatten. Zusammen mit den Wärtern an jeder Ecke musste ich Miranda widerwillig recht geben. Es schien kein Ausweg zu existieren.

Aber das bedeutete nicht, dass ich aufgeben würde. Nie und nimmer würde ich den Rest meines Lebens zur Vergnügung reicher Arschlöcher hinter Gitter verbringen. Nicht mit mir.

»Tara?« Scheinbar hatte Miss Leech nun bemerkt, dass ich ihr nicht folgte. »Kommst du?«

Ich zögerte noch einen Moment, doch dann wandte ich mich widerstrebend vom Ausgang ab und folgte ihr durch den Rest des Zoos. Ich sah viele Holzhütten. Bei manchen drang Rauch aus dem Schornstein, bei anderen nicht. So konnte ich unterscheiden, ob darin Wärter oder Monster lebten.

Die Führung von Miss Leech war sehr oberflächlich. Sie erzählte kaum etwas über die größeren Gebäude, an denen wir vorbeikamen. Und auch mit ihren Informationen über den Zoo selbst hielt sie sich stark zurück. Zumindest hatte ich dadurch Zeit, mir die Wege genau einzuprägen. Vielleicht würde mir dieser kleine Spaziergang bei meiner Flucht ja von Nutzen sein. Wer wusste, wann ich das nächste Mal eine meiner beiden Gefängniszellen verlassen durfte?

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⏰ Last updated: Dec 08, 2017 ⏰

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Zoo der MonsterWhere stories live. Discover now