»Bist du irre?« Miranda packte mich am Arm und zog mich vom Gitter weg. Wieder schrie sie nicht vor Schmerz auf, was ihr selbst auch nur zu bewusst zu sein schien. »Was habe ich dir vorhin gesagt? Du sollst dich nicht mit Wärter oder Besuchern anlegen. Und was tust du? Genau das! Noch schlimmer, du belügst sie auch noch. Kannst du dir vorstellen, wie der Direktor reagiert, wenn er davon erfährt? Wenn er einem seiner wichtigsten Kunden erklären muss, dass die Weihnachtsfeier dieses Jahr doch nicht das Highlight wird, das er sich gewünscht hat? Du willst dringend hier weg, schon klar. Das wollen wir alle. Aber nicht auf diesen Weg. Denn so wirst du in einem Leichensarg hier raustransportiert.«

Wütend riss ich mich von Miranda los, bevor sie doch noch mein Gift zu spüren bekam. »Ich habe nicht gelogen«, stellte ich klar. »Ich bin tatsächlich giftig. Aber nur, wenn ich wütend bin, oder Angst habe. Das ist so eine Art seltsamer Schutzmechanismus.«

»Hm«, meinte Miranda nachdenklich. Sie schien sich immer noch nicht sicher zu sein, ob sie mir glauben konnte. Erneut griff sie nach meinem Arm. »Ich spüre nichts.«

Ich atmete tief durch, um nichts Unpassendes zu sagen. Doch noch im selben Moment zog sie erschrocken die Hand zurück.

»Au!« Sie betrachtete die gerötete Haut auf ihren Fingern. »Hab ich dich wütend gemacht?«

»War das nicht deine Absicht?«

Miranda warf mir einen scharfen Blick zu. »Werd nicht frech. So etwas wie dich hab ich hier noch nie gesehen. Die Leute hier wurden von allen möglichen Tieren angefallen. Vögeln, Bären, Schlangen, Mücken. Aber noch nie von ... Was genau ist dir eigentlich passiert?«

Verständnislos schüttelte ich den Kopf. »Wovon redest du?«

»Na, von dem Tier, das dich angegriffen hat. Von dem du das Gift übernommen hast?«

Einen Moment lang betrachtete ich Miranda nur stumm. Ihre Worte schienen einen Schalter in meinem Kopf umgelegt zu haben. »So passiert das?«

Scheinbar fiel es Miranda schwer, ein Lachen zu unterdrücken. »Na, was dachtest du denn? Dass wir uns nach Lust und Laune zu unserem Lieblingstier verwandeln?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Leute wie du und ich sind etwas Besonderes, Tara. Wir haben eine starke Affinität zu Tieren. Und die ist uns zum Verhängnis geworden. Ihr Blut hat sich mit unserem gemischt und dadurch wurden wir zu Monster.«

Ich hasste diese Bezeichnung immer noch.

»Quallen bluten nicht«, gab ich trocken zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber es stimmt. Ich hatte bei einem Familienurlaub am Meer Kontakt mit einer. Das hat höllisch wehgetan.«

»Das werden sich die Leute auch denken, die dich anfassen.«

Ich warf Miranda einen verärgerten Blick zu. »Es ist nicht so, als würde ich absichtlich jemanden verletzen.«

»Und genau das ist der Punkt.« Miranda kam langsam auf mich zu und ich musste mir Mühe geben, nicht zurückzuweichen. Sie lächelte und zum ersten Mal wurde mir klar, dass sich durch ihre Verwandlung auch ihr Gebiss verändert hatte. Spitze Reißzähne blitzten unter ihren rot bemalten Lippen hervor. »Niemand von uns will jemandem wehtun. Und genau deswegen sind wir hinter Gittern und sie sind da draußen.«

Mit einer Hand zeigte sie auf das Gelände. In der Ferne konnte ich andere Waggons erkennen, doch von den anderen Gefangenen hatte ich bisher noch nichts gesehen. Das Frühstück hatten wir in unserer Hütte eingenommen, danach waren wir auf direktem Weg zu unserem Käfig gebracht worden.

»Warum hat sich noch niemand dagegen zur Wehr gesetzte?«, wollte ich wissen. »Du hast doch gerade noch von Bären und Schlangen gesprochen. Warum bringen sie die Wärter nicht endlich um und wir können von hier verschwinden?«

Zoo der MonsterWhere stories live. Discover now